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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: „CFD-Trading und Trading-Kurse für Anfänger – Risiken und Chancen“

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styles66 (CC0), Pixabay

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Moderatorin: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich wieder die Zeit genommen haben. Heute sprechen wir über ein spezifisches Trading-Angebot, das einen umfangreichen „Trading-Kurs für Anfänger“ bewirbt. Besonders interessant ist, dass auf dieser Seite stark damit geworben wird, wie schnell man durch Trading finanzielle Erfolge erzielen kann. Dabei wird auch die Nutzung von professionellen Tools und Trading-Strategien hervorgehoben. Im Risikohinweis steht jedoch, dass 74-89% der Kleinanleger-Konten beim CFD-Handel Geld verlieren. Wie bewerten Sie dieses Angebot aus rechtlicher und anlegerfreundlicher Perspektive?

Jens Reime: Vielen Dank für die Einladung. Dieses Angebot ist auf den ersten Blick sehr verlockend, besonders für Menschen, die nach Möglichkeiten suchen, schnell Geld zu verdienen oder finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen. Die stark betonte Erfolgsaussicht, gepaart mit der Möglichkeit, „professionelle Tools“ und Strategien zu nutzen, kann gerade für Anfänger sehr attraktiv wirken. Allerdings zeigen die statistischen Daten, dass die Realität ganz anders aussieht: Ein Großteil der Kleinanleger – bis zu 89% – verliert beim CFD-Handel Geld. Diese Zahl sollte jede Person, die sich für dieses Angebot interessiert, innehalten lassen.

Rechtlich gesehen ist der Anbieter verpflichtet, auf diese Risiken hinzuweisen, was er hier auch tut. Allerdings wird dieser Risikohinweis oft in den Hintergrund gedrängt und von den verlockenden Versprechungen überdeckt. Dies könnte dazu führen, dass Anfänger die realen Gefahren unterschätzen und sich auf eine finanzielle Reise begeben, die sie nicht vollständig verstehen.

Moderatorin: Die Website stellt das Trading als einen potenziellen Weg zur finanziellen Unabhängigkeit dar. Es wird sogar suggeriert, dass man durch Trading im Ruhestand sorgenfreier leben könnte. Wie beurteilen Sie diese Art der Darstellung?

Jens Reime: Solche Darstellungen sind höchst problematisch. Sie sprechen eine breite Zielgruppe an – von jungen Menschen bis hin zu Ruheständlern – und wecken Hoffnungen auf finanzielle Freiheit, die mit dem Trading erreicht werden könne. Das gefährliche dabei ist, dass sie suggerieren, Trading sei eine Art „Lösung“ für finanzielle Probleme oder eine Möglichkeit, den Ruhestand abzusichern.

In der Praxis führt jedoch der überwiegende Teil der Kleinanleger beim CFD-Handel Verluste ein, wie die angegebenen Zahlen verdeutlichen. Der CFD-Handel ist hochspekulativ und insbesondere für unerfahrene Anleger ungeeignet. Es ist irreführend, diesen Weg als schnellen Ausweg aus finanziellen Unsicherheiten oder als Möglichkeit für einen entspannten Ruhestand darzustellen. Aus rechtlicher Sicht kann diese Art der Werbung durchaus als irreführend betrachtet werden, besonders wenn die Risiken nicht klar genug kommuniziert werden.

Moderatorin: Das Angebot beschreibt ausführlich, wie die Teilnehmer durch das „beste Trading Tutorial“ und umfassende Schulungen lernen können, erfolgreich zu traden. Glauben Sie, dass diese Schulungen ausreichend sind, um die hohen Risiken zu mindern, die mit dem CFD-Handel verbunden sind?

Jens Reime: Schulungen können sicherlich dabei helfen, ein grundlegendes Verständnis für die Märkte zu entwickeln und einen strukturierten Ansatz beim Trading zu erlernen. Allerdings muss man realistisch sein: Kein Kurs, egal wie gut er gestaltet ist, kann die Risiken des CFD-Handels vollständig eliminieren. Insbesondere, wenn Hebelprodukte wie CFDs zum Einsatz kommen, sind die Risiken erheblich. Es gibt viele Faktoren – wie emotionale Entscheidungen, Marktvolatilität und externe Ereignisse – die auch der erfahrenste Trader nicht immer kontrollieren kann.

Es ist wichtig, dass solche Kurse nicht das Gefühl vermitteln, dass man durch Schulung die Risiken vollständig in den Griff bekommen kann. Die Tatsache, dass ein Großteil der Kleinanleger trotzdem Geld verliert, zeigt, dass theoretisches Wissen oft nicht ausreicht, um in der Praxis erfolgreich zu sein. Schulungen können bestenfalls helfen, Verluste zu minimieren, aber das Risiko bleibt weiterhin hoch.

Moderatorin: Es wird auch auf eine spezielle Daytrading-Strategie und den Einsatz von Indikatoren wie gleitenden Durchschnitten hingewiesen. Wie bewerten Sie diese Informationen für Anfänger? Können solche Tools und Strategien helfen, die Erfolgschancen zu erhöhen?

Jens Reime: Technische Indikatoren wie gleitende Durchschnitte sind gängige Werkzeuge im Trading und können dazu beitragen, Markttendenzen zu erkennen. Allerdings sollten sich Anfänger im Klaren darüber sein, dass solche Indikatoren nur auf historischen Daten basieren und keinesfalls garantieren, dass sich der Markt in die gewünschte Richtung bewegt. Sie helfen dabei, Chancen zu identifizieren, sind aber keineswegs sicher.

Gerade im Daytrading, das durch hohe Volatilität und schnelle Entscheidungen geprägt ist, ist das Risiko besonders hoch, dass eine Marktbewegung schnell gegen den Trader läuft. Für Anfänger, die sich auf solche Tools verlassen, kann das ein trügerisches Sicherheitsgefühl erzeugen. Ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Indikatoren komplex sind und viel Erfahrung erfordern, um sie effektiv einzusetzen. Für Neulinge kann es schwierig sein, sie richtig zu interpretieren und ihre Entscheidungen auf dieser Grundlage zu treffen.

Moderatorin: Der Anbieter wirbt auch damit, dass man mit einem kleinen Konto „groß traden“ könne, insbesondere durch den Einsatz von Hebelwirkung. Wie bewerten Sie diese Aussage aus anlegerfreundlicher Sicht?

Jens Reime: Der Einsatz von Hebelwirkung ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ermöglicht er es, mit kleinen Einsätzen größere Positionen zu handeln, was theoretisch die Gewinnchancen erhöht. Auf der anderen Seite verstärkt der Hebel auch die Verluste. Viele Anfänger verstehen die Risiken, die mit Hebelwirkung verbunden sind, nicht vollständig. Wenn der Markt sich gegen sie bewegt, können sie nicht nur ihren ursprünglichen Einsatz verlieren, sondern sogar noch darüber hinausgehende Verluste erleiden.

Die Aussage, man könne mit einem kleinen Konto groß traden, ist daher äußerst irreführend. Es klingt nach einer einfachen Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen, verschweigt jedoch das hohe Risiko, das damit einhergeht. Aus anlegerfreundlicher Sicht wäre es sinnvoller, die Risiken deutlicher in den Vordergrund zu stellen und klar zu machen, dass der Hebel im schlimmsten Fall existenzbedrohende Folgen haben kann.

Moderatorin: Abschließend wird auf der Website empfohlen, zunächst mit einem Demokonto zu handeln, bevor man echtes Geld investiert. Ist das Ihrer Meinung nach ein sinnvoller Ansatz, um sich auf das echte Trading vorzubereiten?

Jens Reime: Ein Demokonto ist sicherlich ein nützliches Werkzeug, um die Funktionsweise der Trading-Plattform zu erlernen und erste Erfahrungen ohne echtes Geld zu sammeln. Es kann dabei helfen, die grundlegenden Mechanismen des Tradings zu verstehen und Strategien zu testen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass das Handeln mit einem Demokonto nicht die psychologischen und emotionalen Herausforderungen eines realen Handels mit echtem Geld simulieren kann. Sobald echtes Geld im Spiel ist, agieren viele Menschen ganz anders – Angst und Gier spielen plötzlich eine viel größere Rolle.

Daher ist ein Demokonto ein sinnvoller erster Schritt, aber es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sprung zum realen Trading mit echten finanziellen Risiken verbunden ist. Anfänger sollten diesen Übergang nur sehr vorsichtig und mit einem klaren Risikomanagement wagen.

Moderatorin: Herr Reime, vielen Dank für Ihre fundierten Einschätzungen. Ich denke, unsere Leser haben jetzt ein klareres Bild davon, worauf sie achten sollten, wenn sie solche Trading-Angebote in Erwägung ziehen.

Jens Reime: Gern geschehen. Es ist wichtig, dass Anleger sich umfassend informieren und die Risiken verstehen, bevor sie sich auf spekulative Finanzprodukte wie CFDs einlassen.

 

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