Ein eiskalter Wind wehte durch die Straßen von Nuuk, als die Demonstranten sich versammelten. In der Hand hielten sie Plakate: „Grönland gehört den Grönländern“, „Keine Machtspiele auf unserem Eis“. Die Kulisse war friedlich, fast still – doch die Botschaft war laut und deutlich.
Denn was auf den ersten Blick wie ein Besuch der Freundschaft erscheinen mag, fühlt sich für viele Grönländer ganz anders an.
In dieser Woche soll Usha Vance, die Frau des US-Vizepräsidenten JD Vance, mit einer US-Delegation nach Grönland reisen. Offiziell, um das traditionelle Hundeschlittenrennen Avannaata Qimussersu zu besuchen und „grönländische Kultur und Einheit“ zu feiern. Doch hinter den Kulissen brodelt es.
Für Grönlands Premierminister Múte B. Egede ist dieser Besuch alles andere als ein freundliches Zeichen. In einem Interview mit der grönländischen Zeitung Sermitsiaq nennt er die Reise „hochgradig aggressiv“. Besonders die Anwesenheit von US-Sicherheitsberater Mike Waltz empfindet er als Provokation: „Was hat ein nationaler Sicherheitsberater hier zu suchen? Seine Anwesenheit soll doch nur Macht demonstrieren.“
Egede, ein langjähriger Befürworter der grönländischen Unabhängigkeit, sieht in dem Besuch den Versuch, Druck auf sein Land auszuüben – ein weiteres Kapitel in Donald Trumps selbsterklärtem „Plan“, Grönland anzugliedern. Denn Trumps Worte aus seiner Kongressrede Anfang März hallen noch nach:
„Ich glaube, wir bekommen es – auf die eine oder andere Weise.“
Trump selbst wiegelt ab. „Wir wurden eingeladen. Sie rufen uns an – nicht umgekehrt“, erklärte er gegenüber Reporter:innen. Seiner Meinung nach sei der Besuch Ausdruck amerikanischer „Freundlichkeit, nicht Provokation“. Grönland, so Trump, sei ein Ort mit großem Potenzial – wirtschaftlich, strategisch, geopolitisch. Eine „Chance für die Zukunft“.
Doch auf der Insel, die stolz auf ihre Identität, Sprache und Naturverbundenheit ist, sehen viele Menschen das anders.
„Es geht nicht um Hunde, sondern um Kontrolle“
Die offizielle Begründung des Weißen Hauses klingt harmlos. Vance wolle mit ihrem Sohn historische Stätten besuchen, mehr über das kulturelle Erbe Grönlands erfahren und das Volk feiern. Doch der Zeitpunkt des Besuchs – nur wenige Wochen nach den Parlamentswahlen und noch vor der Bildung einer neuen Regierung – wirkt für viele wie ein bewusst gesetztes Signal.
Jens-Frederik Nielsen, Wahlsieger und designierter Premierminister, findet klare Worte: „Dieser Besuch zeigt eine deutliche Respektlosigkeit gegenüber unserem Land. Wir befinden uns inmitten sensibler politischer Verhandlungen – und trotzdem nutzt die US-Regierung diesen Moment.“
Während die USA strategisch auf das rohstoffreiche, geopolitisch wichtige Grönland blicken, kämpfen die Menschen vor Ort um ihre Souveränität. Seltene Erden, schmelzendes Eis, internationale Rivalitäten – die Arktis ist längst ein Spielfeld der Großmächte geworden. Grönland liegt mittendrin.
Und obwohl Dänemark, das für Grönlands Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist, offiziell betont, man nehme den Besuch „sehr ernst“ und wolle mit den USA zusammenarbeiten, unterstreicht Premierministerin Mette Frederiksen: „Partnerschaft muss auf den Regeln der Souveränität beruhen.“
Die Menschen sagen Nein – deutlich
Eine Umfrage im Januar zeichnete ein klares Bild: 85 % der Grönländer:innen lehnen eine Angliederung an die USA ab. Fast die Hälfte empfindet Trumps Interesse sogar als Bedrohung.
Und doch bleibt die Aufmerksamkeit bestehen. Trumps Sohn, Donald Trump Jr., reiste im Januar selbst nach Grönland und postete enthusiastisch:
„Ein unglaublicher Ort. Wir werden es beschützen, wenn es einmal zu uns gehört. Make Greenland Great Again!“
Für viele auf der Insel klingt das wie ein Echo aus einer anderen Zeit – eine Zeit, in der über Grönland entschieden wurde, aber nie mit ihm.
Ob Kulturbesuch oder strategisches Schachspiel: In Nuuk bleibt das Misstrauen. Und während Hundeschlitten über das Eis gleiten, fragen sich viele:
Fährt Amerika hier wirklich nur mit – oder lenkt es längst?