Die Fentanyl-Krise ist längst mehr als nur ein Drogenproblem – sie ist eine humanitäre Katastrophe, ein geopolitisches Pulverfass und ein tödliches Geschäft mit globalen Auswirkungen. Während US-Präsident Donald Trump mit Strafzöllen gegen Mexiko den Kampf gegen den Opioid-Handel verstärken will, zeigt ein BBC-Bericht, dass sich die Drogenkartelle davon kaum beeindrucken lassen. Der illegale Markt floriert weiter, die Opferzahlen bleiben erschreckend hoch.
Kartelle profitieren von der US-Nachfrage
Ein BBC-Team erhielt seltenen Einblick in ein Kartell-Versteck an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Dort wurden Fentanyl-Pillen in Plastikhüllen gewickelt und im Benzintank eines Schmuggelautos versteckt – eine von unzähligen Methoden, um die tödliche Fracht unbemerkt in die USA zu bringen. Ein Dealer aus Los Angeles, der sich „Jay“ nennt, berichtet, dass er pro Woche 100.000 Pillen verkauft. Die Nachfrage sei gigantisch, und der Preis für eine Pille sei innerhalb eines Jahres von sechs Dollar auf 1,50 Dollar gesunken – ein Zeichen für das Überangebot auf dem Schwarzmarkt.
„Trump kann so viele Zölle verhängen, wie er will“, meint Jay trocken. „Die Nachfrage bleibt – und solange es Kunden gibt, gibt es auch Fentanyl.“
Tödliche Auswirkungen – ein Land im Ausnahmezustand
Die Folgen des anhaltenden Drogenstroms sind verheerend. In den USA sterben jedes Jahr mehr Menschen an Überdosen als durch Schusswaffen oder Autounfälle. Zwischen Oktober 2023 und September 2024 kamen 87.000 Menschen ums Leben – die meisten durch Opioide wie Fentanyl. Während Rettungsmediziner und Aktivisten in Städten wie Philadelphia verzweifelt versuchen, Leben zu retten, setzen die Kartelle weiter auf den hochprofitablen Handel.
Rosalind Pichardo, die in Philadelphias Problemviertel Kensington ein Hilfszentrum betreibt, hat in den letzten sechs Jahren fast 3.000 Überdosen mit dem Notfallmedikament Naloxon rückgängig gemacht. In ihrer Bibel notiert sie jeden geretteten Menschen – doch viele schafft sie nicht mehr rechtzeitig. „Ich habe einmal ein siebenjähriges Kind wiederbelebt“, erzählt sie. „Sein eigener Vater war Dealer, und es hatte sich an seinem Vorrat vergiftet.“
Mexikos Antwort auf den US-Druck
Um den drohenden Handelszöllen der USA zu entgehen, hat die mexikanische Regierung von Präsidentin Claudia Sheinbaum inzwischen reagiert. Zehntausend Soldaten der Nationalgarde sollen an der Grenze stationiert werden, um den Drogenfluss zu stoppen. Mehr als 900 Verdächtige wurden verhaftet, und Ende Februar wurden 29 hochrangige Kartellmitglieder an die USA ausgeliefert. Gleichzeitig erschwert Mexiko den Import chemischer Grundstoffe aus China, wodurch die Reinheit des Fentanyls sinkt – und die Todesrate möglicherweise ebenfalls.
Doch trotz dieser Maßnahmen bleibt das Hauptproblem bestehen: die immense Nachfrage in den USA. Experten wie der neue DEA-Chef Derek Maltz warnen, dass eine reine Verfolgung der Kartelle nicht ausreicht. „Die Kartelle sind skrupellose Kriminelle, das steht außer Frage“, so Maltz. „Aber warum greifen so viele Amerikaner überhaupt zu Drogen? Das ist die eigentliche Frage.“
Ein Kampf ohne Sieger?
Während Trump Strafzölle als Waffe gegen den Drogenschmuggel nutzt, bleibt fraglich, ob sie den Fentanyl-Handel tatsächlich eindämmen können. Schon jetzt zeigt sich, dass Kartelle immer neue Wege finden, um das Geschäft am Laufen zu halten. Die wahren Leidtragenden bleiben die Opfer und ihre Familien – Menschen, die in einem Teufelskreis aus Sucht, Armut und Kriminalität gefangen sind.
Ob schärfere Grenzkontrollen oder wirtschaftlicher Druck wirklich die Lösung sind, bleibt offen. Doch eines ist klar: Solange es eine riesige Nachfrage gibt, wird auch das Angebot nicht versiegen. Die Fentanyl-Krise ist nicht nur ein mexikanisches Problem – sie ist ein amerikanisches.