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„Genussrechte und Nachrang: Wo liegen die rechtlichen Grenzen?“ – Ein ausführliches Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontsche
Zusammenfassung des Jahresabschlusses 2023 der Windpark Erbes-Büdesheim GmbH & Co. KG - Mainz

„Genussrechte und Nachrang: Wo liegen die rechtlichen Grenzen?“ – Ein ausführliches Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontsche

styles66 (CC0), Pixabay

Frage: Frau Bontschev, immer mehr Unternehmen bieten Anlegern sogenannte Genussrechte mit Nachrang an. Darf ein Unternehmen Zinsen an seine Anleger auszahlen, auch wenn diese nicht erwirtschaftet wurden, sondern aus frischem Anlegerkapital stammen?

Kerstin Bontschev: Nein, das ist ganz klar unzulässig. Die Auszahlung von Zinsen aus neu eingeworbenem Kapital an Altanleger ist rechtlich höchst problematisch und kann sogar als Schneeballsystem oder Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) gewertet werden. Genussrechte mit Nachrang beinhalten das Prinzip, dass Zinszahlungen ausschließlich aus tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen des Unternehmens erfolgen dürfen. Sollte das Unternehmen keine ausreichenden Gewinne erzielen, dürfen keine Ausschüttungen vorgenommen werden.

Frage: Warum genau ist es verboten, Zinsen aus neuem Anlegerkapital zu zahlen?

Kerstin Bontschev: Das Grundproblem ist, dass Anleger in Genussrechte mit Nachrang in der Regel als Eigenkapitalgeber betrachtet werden. Das bedeutet, sie tragen ein unternehmerisches Risiko. Wenn das Unternehmen keine Gewinne macht, besteht auch kein Anspruch auf Zinszahlungen.

Sobald ein Unternehmen beginnt, neue Investorengelder zu verwenden, um Zinsen oder Rückzahlungen an frühere Anleger zu leisten, spricht man von einer Schneeballstruktur. Diese Vorgehensweise wurde in der Vergangenheit in diversen Skandalen als Betrugsmodell entlarvt. Das bekannteste Beispiel in Deutschland ist der Fall Prokon, bei dem über Jahre hinweg versprochene Renditen nur aus neuen Einzahlungen finanziert wurden, bis das ganze System schließlich kollabierte.

Frage: Welche Konsequenzen drohen Unternehmen, die sich nicht an diese Regeln halten?

Kerstin Bontschev: Die möglichen Folgen sind massiv und existenzbedrohend:

  1. BaFin-Ermittlungen:
    Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) könnte das Unternehmen wegen unerlaubten Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Kreditwesengesetz, KWG) belangen. Falls die BaFin feststellt, dass das Unternehmen ohne Erlaubnis Bankgeschäfte betreibt, kann sie die sofortige Rückabwicklung anordnen. Das würde bedeuten, dass alle Anlegergelder zurückgezahlt werden müssen – was für viele Unternehmen das wirtschaftliche Aus bedeutet.
  2. Strafrechtliche Konsequenzen:
    Verantwortliche Geschäftsführer könnten wegen Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) belangt werden. Diese Straftatbestände können mit mehrjährigen Freiheitsstrafen geahndet werden.
  3. Zivilrechtliche Klagen von Anlegern:
    Betroffene Anleger könnten das Unternehmen verklagen und Schadensersatzansprüche geltend machen. Zudem drohen persönliche Haftungsrisiken für die Geschäftsführung.
  4. Reputationsverlust:
    Ein Unternehmen, das in solche Praktiken verwickelt ist, wird es schwer haben, weiteres Kapital zu akquirieren oder Kundenvertrauen zu gewinnen. Gerade im Finanzsektor kann eine negative Berichterstattung den wirtschaftlichen Niedergang beschleunigen.

Frage: Gibt es denn Ausnahmen, unter denen ein Unternehmen solche Zinsen dennoch zahlen dürfte?

Kerstin Bontschev: Nein, grundsätzlich nicht. Die einzige Möglichkeit, Zinsen legal auszuzahlen, wäre, wenn das Unternehmen tatsächlich erwirtschaftete Überschüsse hat. Eine alternative Lösung könnte sein, dass sich das Unternehmen mit den Anlegern auf eine Stundung oder Umwandlung der Forderungen einigt – aber auch das müsste sauber vertraglich geregelt sein.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen einer legalen Gewinnbeteiligung und einem Schneeballsystem?

Kerstin Bontschev: Eine legale Gewinnbeteiligung bedeutet, dass Anleger von den tatsächlichen Erträgen eines Unternehmens profitieren. Wenn das Unternehmen wächst und Gewinne erwirtschaftet, werden diese transparent und entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen an die Anleger ausgeschüttet.

Ein Schneeballsystem hingegen basiert darauf, dass neue Investorengelder dazu genutzt werden, alte Investoren auszuzahlen – ohne dass das Unternehmen tatsächlich Gewinne macht. Dies funktioniert nur so lange, wie ständig neue Anleger gewonnen werden. Sobald das Wachstum ins Stocken gerät, kollabiert das System, weil die laufenden Auszahlungen nicht mehr gedeckt werden können.

Frage: Was sollte ein Unternehmen tun, wenn es finanziell unter Druck steht und seine Zinsverpflichtungen nicht erfüllen kann?

Kerstin Bontschev: Ehrlichkeit und Transparenz sind hier entscheidend. Ein Unternehmen sollte offen kommunizieren, dass es derzeit keine Ausschüttungen vornehmen kann. Es gibt mehrere rechtlich zulässige Optionen:

  1. Zinsstundung: Das Unternehmen kann mit den Anlegern vereinbaren, dass die Zinszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
  2. Kapitalerhöhung: Falls möglich, könnte das Unternehmen versuchen, durch eine Kapitalerhöhung frisches Eigenkapital zu beschaffen, statt Schulden aufzunehmen.
  3. Sanierungsmaßnahmen: Falls wirtschaftliche Probleme bestehen, sollte frühzeitig eine professionelle Restrukturierungsberatung in Anspruch genommen werden, um das Unternehmen wieder auf gesunde Beine zu stellen.

Frage: Welche Tipps haben Sie für Anleger, die in Genussrechte investieren wollen?

Kerstin Bontschev: Anleger sollten sehr genau hinschauen, bevor sie sich für ein Investment in Genussrechte mit Nachrang entscheiden. Folgende Punkte sollten beachtet werden:

  • Wie transparent ist das Unternehmen? Gibt es verständliche und geprüfte Geschäftsberichte?
  • Wie realistisch sind die Renditeversprechen? Hohe Zinsen ohne unternehmerisches Risiko gibt es nicht.
  • Womit erzielt das Unternehmen seine Gewinne? Gibt es eine nachvollziehbare Wertschöpfung?
  • Gibt es Hinweise auf unerlaubte Mittelverwendungen? Wenn ein Unternehmen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage immer hohe Ausschüttungen garantiert, sollte man misstrauisch werden.
  • Gibt es eine BaFin-Lizenz oder eine andere Regulierung?

Frage: Was ist Ihr abschließender Rat an Unternehmen, die Genussrechte mit Nachrang ausgeben wollen?

Kerstin Bontschev: Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Kapitalbeschaffung rechtlich einwandfrei und wirtschaftlich tragfähig ist. Die Ausgabe von Genussrechten kann eine gute Möglichkeit zur Unternehmensfinanzierung sein, aber nur, wenn die Regeln strikt eingehalten werden. Es sollte unbedingt vermieden werden, Zinsen aus neuem Anlegerkapital zu zahlen, da dies gravierende rechtliche Konsequenzen haben kann. Eine rechtliche Beratung vorab ist daher unerlässlich, um Fallstricke zu vermeiden und eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen.

Frage: Frau Bontschev, vielen Dank für die ausführlichen Informationen!

Kerstin Bontschev: Sehr gern, ich hoffe, dass diese Hinweise sowohl Unternehmen als auch Anlegern helfen, Risiken besser einzuschätzen.

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