Dresden, 8. März 2025 – Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer Entscheidung vom 6. März 2025 eine bedeutende Weichenstellung im Bereich der Werbung und der Vergütungspraxis für medizinisches Cannabis vorgenommen. Wir haben mit Rechtsanwalt Michael Iwanow aus Dresden gesprochen, um die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Branche und die rechtliche Landschaft zu beleuchten.
Frage: Herr Iwanow, was bedeutet die Entscheidung des OLG Frankfurt für Anbieter von Online-Portalen, die mit medizinischem Cannabis arbeiten?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Die Entscheidung des OLG Frankfurt stellt einen klaren und präzisen rechtlichen Rahmen auf, an den sich alle Anbieter von Online-Portalen, die im Bereich medizinisches Cannabis tätig sind, halten müssen. Insbesondere das Verbot der verdeckten Provisionen und der Laienwerbung setzt neue Maßstäbe. Betreiber solcher Portale müssen jetzt sicherstellen, dass ihre Vergütungsmodelle für Ärzte und die Werbung für medizinisches Cannabis den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Andernfalls drohen nicht nur wettbewerbsrechtliche Konsequenzen, sondern auch rechtliche Auseinandersetzungen, wie wir sie in diesem Fall gesehen haben.
Frage: Welche praktischen Auswirkungen hat das Verbot von „grenzwertigen“ Serviceverträgen zwischen den Portalbetreibern und Ärzten für die Branche?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Das Verbot, Ärzten Serviceverträge anzubieten, die einen prozentualen Anteil am Honorar für die Vermittlung von Patienten beinhalten, könnte weitreichende Folgen für Geschäftsmodelle im Bereich medizinisches Cannabis haben. Diese Art der Vergütung wird häufig in der Branche genutzt, um Ärzte zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die Entscheidung des OLG zeigt jedoch, dass solche Modelle als verdeckte Provisionen gewertet werden, was in diesem Kontext rechtswidrig ist. Anbieter werden ihre Vergütungsmodelle anpassen müssen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Eine transparente und regelkonforme Vergütung muss gefunden werden, die den Anforderungen des ärztlichen Berufsrechts entspricht.
Frage: Wie ist die Entscheidung zum Laienwerbeverbot in Bezug auf Werbung für medizinisches Cannabis zu bewerten?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Das Verbot der Laienwerbung ist eine der zentralen Aussagen der Entscheidung. Es ist ein äußerst wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente, wie es bei medizinischem Cannabis der Fall ist, nicht auf die breite Masse zielt. Insbesondere das Verbot, Werbung für solche Produkte über Laien oder Online-Plattformen zu verbreiten, die nicht nur Fachkreise ansprechen, sondern auch Patienten direkt beeinflussen, ist entscheidend. Die Entscheidung stellt klar, dass die Bewerbung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die mit der direkten Nachfrage und Verschreibung von Cannabis in Verbindung steht, streng geregelt werden muss, um nicht gegen EU-Richtlinien zu verstoßen.
Die Entscheidung schützt die Verbraucher davor, durch unzulässige Werbung in ihren Entscheidungen beeinflusst zu werden. Sie schützt zudem die Integrität des Gesundheitsmarktes und verhindert, dass Medikamente wie Cannabis – die für bestimmte medizinische Zwecke bestimmt sind – auf eine Weise beworben werden, die den rechtlichen Standards widerspricht.
Frage: Welche Folgen hat das Verbot der Fernbehandlung im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Das Verbot der Fernbehandlung für medizinisches Cannabis, das zum Zeitpunkt der Werbung noch gesetzlich erforderlich war, unterstreicht, dass der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt nach wie vor als unverzichtbar gilt, auch wenn Telemedizin immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Beklagte hatte versucht, mit dem Slogan „Ärztliches Erstgespräch vor Ort oder digital“ zu werben. Das OLG hat zurecht entschieden, dass diese Werbung gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen verstößt. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Werbung für medizinische Dienstleistungen den rechtlichen Anforderungen des jeweiligen Zeitpunkts entspricht. Auch wenn es mittlerweile Fortschritte im Bereich der Telemedizin gibt, muss der rechtliche Rahmen für die Behandlung von Patienten, gerade bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, weiterhin strikt beachtet werden.
Frage: Glauben Sie, dass diese Entscheidung auch Auswirkungen auf andere Gesundheitssektoren haben könnte, in denen ähnliche Geschäftsmodelle bestehen?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Ja, das ist durchaus möglich. Die Entscheidung des OLG ist nicht nur auf den Bereich des medizinischen Cannabis beschränkt. Es gibt auch in anderen Gesundheitssektoren immer wieder Modelle, bei denen Plattformbetreiber Ärzte oder Gesundheitsdienstleister vermitteln und dabei Vergütungsmodelle anwenden, die möglicherweise nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorschriften stehen. Die Entscheidung könnte daher als richtungsweisend für viele andere Sektoren dienen, in denen es um die Werbung für und Vermittlung von Gesundheitsdienstleistungen geht. Insbesondere die Thematik der verdeckten Provisionen und der Laienwerbung wird auch in anderen Bereichen weiterhin eine Rolle spielen.
Frage: Was können Anbieter von Online-Portalen, die in ähnlichen Bereichen tätig sind, jetzt tun, um rechtlichen Problemen vorzubeugen?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Anbieter sollten dringend ihre Geschäftsmodelle und Werbemaßnahmen rechtlich überprüfen lassen. Insbesondere sollten sie sicherstellen, dass keine verdeckten Provisionen für Ärzte oder andere Dienstleister gezahlt werden und dass ihre Werbung den strengen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes entspricht. Eine umfassende rechtliche Beratung und gegebenenfalls eine Anpassung der Verträge mit Ärzten und Kooperationspartnern sind notwendig. Zudem sollten Anbieter sicherstellen, dass Werbung für medizinische Produkte nicht auf die breite Masse zielt, sondern ausschließlich an Fachkreise gerichtet ist. Nur so können sie verhindern, dass sie gegen die geltenden rechtlichen Bestimmungen verstoßen.
Frage: Abschließend, was erwarten Sie von der weiteren Rechtsprechung und den nächsten Schritten in dieser Angelegenheit?
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Ich gehe davon aus, dass wir in der nächsten Zeit eine verstärkte Rechtsprechung im Bereich der Werbung und der Geschäftsmodelle im Gesundheitswesen sehen werden. Das OLG hat in diesem Fall die Revision zugelassen, was darauf hinweist, dass die Thematik noch nicht abschließend geklärt ist. Die Entscheidung könnte in Zukunft als Referenz für ähnliche Fälle dienen. Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof entscheiden wird, falls dieser Fall tatsächlich weiterverfolgt wird. Bis dahin wird es für Anbieter von Online-Portalen und anderen Dienstleistern im Gesundheitsbereich wichtig sein, sich frühzeitig mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen und ihre Geschäftspraktiken entsprechend anzupassen.
Herr Iwanow, vielen Dank für das Gespräch und Ihre Einschätzungen!
Rechtsanwalt Michael Iwanow:
Gern geschehen.