Die Bundesärztekammer fordert von der nächsten Bundesregierung die Einführung einer Zuckersteuer, ähnlich wie sie bereits seit 2018 in Großbritannien existiert. Ziel ist es, den Zuckerkonsum der Bevölkerung zu senken und damit die Zahl der an Adipositas und Übergewicht Erkrankten zu reduzieren. Hersteller von Lebensmitteln müssten künftig bei Überschreiten eines bestimmten Zuckeranteils ihrer Produkte Abgaben leisten. Während Experten positive Auswirkungen auf die Gesundheit und den Gesundheitssektor erwarten, stoßen die Pläne auf deutliche Kritik – insbesondere von den Zuckerrübenbauern.
Positive Effekte einer Zuckersteuer
Laut einer Modellstudie der Technischen Universität München könnte eine Zuckersteuer den Pro-Kopf-Zuckerkonsum in Deutschland deutlich senken und gleichzeitig Milliardeneinsparungen im Gesundheitssektor ermöglichen. Länder wie Großbritannien und Mexiko haben bereits Erfolge mit ähnlichen Abgaben erzielt: In Großbritannien sank der durch Softdrinks aufgenommene Zuckerkonsum bei Kindern innerhalb eines Jahres um die Hälfte, und in Mexiko ging der Absatz von zuckerhaltigen Getränken deutlich zurück. Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG), sieht in der Zuckersteuer einen „wichtigen ersten Schritt“, um Adipositas und deren Folgeerkrankungen wie Diabetes vorzubeugen.
Widerstand aus der Landwirtschaft
Helmut Friedl, Vorsitzender des Verbands bayerischer Zuckerrübenanbauer, lehnt die Zuckersteuer jedoch strikt ab. Er bezeichnet sie als „Totschlag“ für die Motivation der Landwirte, die bereits unter hohen Ernteverlusten durch Schädlingsbefall leiden. „Wenn zusätzlich zu den ohnehin geringen Erträgen noch Abgaben auf uns zukommen, ist die Wirtschaftlichkeit für viele Betriebe nicht mehr gegeben“, so Friedl.
Zudem warnt Friedl vor den Auswirkungen des Mercosur-Abkommens. Die Steuer würde den regionalen Anbau von Zucker weiter schwächen und den Import von billig produziertem Zucker aus Brasilien fördern. „Das hätte nicht nur negative Folgen für die heimische Landwirtschaft, sondern würde auch ökologische Probleme verschärfen, da der Zuckeranbau in Brasilien oft mit der Zerstörung von Regenwäldern einhergeht.“
Versteckter Zucker und gesundheitliche Folgen
Ein Großteil des Zuckers wird in Deutschland in Form von verstecktem Zucker konsumiert, der unter Bezeichnungen wie Dextrose oder Glucose in Fertigprodukten enthalten ist. Produkte wie Fertigpizzen oder Gewürzgurken enthalten oft mehr Zucker, als Verbraucher erwarten. Der durchschnittliche Deutsche nimmt etwa 95 Gramm Zucker pro Tag zu sich – fast das Doppelte der von der WHO empfohlenen Höchstmenge von 50 Gramm.
Die gesundheitlichen Folgen sind erheblich: Etwa 25 Prozent der Erwachsenen in Deutschland gelten als übergewichtig, ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas. Diese chronische Erkrankung ist mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und weitere gesundheitliche Probleme verbunden.
Alternative Ansätze
Friedl plädiert statt einer Zuckersteuer für präventive Maßnahmen, die den allgemeinen Kalorienverbrauch erhöhen. „Es geht nicht nur um Zucker, sondern um die Gesamtbilanz der Kalorienaufnahme. Wir brauchen mehr Sportstunden in Schulen und Programme, die Kindern Bewegung näherbringen“, erklärte er. Auch Qualitätsstandards in der Schulverpflegung könnten eine sinnvolle Ergänzung sein, um eine gesunde Ernährung bei jungen Menschen zu fördern.
Kritik an der Lebensmittelindustrie
Barbara Bitzer sieht hingegen die Lebensmittelindustrie in der Verantwortung. „Von klein auf werden wir daran gewöhnt, dass Zucker gut schmeckt. Die Industrie trägt einen erheblichen Anteil daran, dass unsere Nahrung überzuckert ist“, erklärte sie. Sie fordert ergänzend zur Zuckersteuer auch Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel, insbesondere solche, die sich an Kinder richten.
Steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel
Als Gegenmaßnahme schlägt Bitzer vor, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte von der Mehrwertsteuer zu befreien, um gesunde Alternativen erschwinglicher zu machen. Experten betonen, dass eine Zuckersteuer allein nicht ausreicht, um die Adipositas-Epidemie zu bekämpfen. Ein umfassender Ansatz, der Steuern, Aufklärung und Präventionsmaßnahmen kombiniert, sei notwendig, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.
Fazit
Die Forderung nach einer Zuckersteuer spaltet die Meinungen. Während Gesundheitsorganisationen wie die Bundesärztekammer und die Deutsche Diabetesgesellschaft die Maßnahme als dringend notwendig betrachten, sehen Vertreter der Landwirtschaft und Kritiker alternative Ansätze als effektiver an. Der Diskurs verdeutlicht die komplexe Herausforderung, Gesundheit, Wirtschaft und Verbraucherschutz miteinander in Einklang zu bringen. Ob die nächste Bundesregierung die Einführung einer Zuckersteuer tatsächlich umsetzt, bleibt abzuwarten.