Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um mit uns über die rechtlichen Aspekte der geänderten Differenzbesteuerung bei Silbermünzen zu sprechen. Können Sie uns zunächst erklären, was es mit der Differenzbesteuerung auf sich hat und warum sie für Anleger und Händler von Bedeutung war?
RA Bontschev: Vielen Dank für die Einladung. Die Differenzbesteuerung ist ein steuerrechtliches Verfahren, das ursprünglich dazu diente, den Handel mit gebrauchten Waren, Kunstgegenständen und Antiquitäten steuerlich zu erleichtern. Später wurde diese Regelung auch auf neue Silbermünzen als Anlageprodukte angewendet, was sie für Anleger besonders attraktiv machte. Bei der Differenzbesteuerung wurde die Mehrwertsteuer nur auf die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis berechnet, nicht auf den gesamten Warenwert. Dadurch konnten Händler Silbermünzen günstiger anbieten, was den Silbermarkt in der EU stark belebte.
Interviewer: Diese Regelung wurde nun abgeschafft. Warum ist das passiert, und welche rechtlichen Begründungen gibt es dafür?
RA Bontschev: Die Abschaffung der Differenzbesteuerung bei Silbermünzen wurde auf EU-Ebene beschlossen und betrifft alle Mitgliedsstaaten. Rechtlich basiert diese Änderung auf der Harmonisierung der Mehrwertsteuerregelungen innerhalb der EU. Ein Ziel war es, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die durch unterschiedliche steuerliche Behandlung in den Mitgliedsstaaten entstehen konnten. Allerdings bleibt die genaue Begründung unklar, da keine detaillierten Erläuterungen veröffentlicht wurden. In der Praxis dürfte die Entscheidung auch von fiskalischen Interessen getrieben sein, da die Regelbesteuerung höhere Steuereinnahmen generiert.
Interviewer: Wie wirkt sich diese Änderung auf Händler und Anleger aus?
RA Bontschev: Für Händler bedeutet die Abschaffung der Differenzbesteuerung, dass sie nun den vollen Mehrwertsteuersatz auf Silbermünzen anwenden müssen, was zu deutlich höheren Verkaufspreisen führt. Das kann den Absatz von Silbermünzen als Anlageform erheblich beeinträchtigen. Anleger müssen ebenfalls mit höheren Kosten rechnen, was die Attraktivität von Silber als Investitionsmöglichkeit mindert. Zusätzlich wird der Markt für gebrauchte Münzen an Bedeutung gewinnen, da diese weiterhin differenzbesteuert gehandelt werden können. Dies könnte zu einer Preissteigerung auch in diesem Segment führen.
Interviewer: Gibt es rechtliche Möglichkeiten, gegen diese Änderung vorzugehen?
RA Bontschev: Die rechtlichen Möglichkeiten sind leider sehr begrenzt. Die Harmonisierung der Mehrwertsteuerregelungen fällt in die Zuständigkeit der EU, und Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, entsprechende Beschlüsse umzusetzen. Eine Anfechtung wäre theoretisch möglich, müsste jedoch auf EU-Ebene erfolgen und durch Händlerverbände oder betroffene Unternehmen initiiert werden. Der Erfolg einer solchen Klage wäre allerdings ungewiss, da die EU klare Kompetenzen im Steuerrecht hat, insbesondere wenn es um den grenzüberschreitenden Handel geht.
Interviewer: Welche langfristigen Auswirkungen erwarten Sie für den Silbermarkt?
RA Bontschev: Die langfristigen Auswirkungen werden sich vor allem in einer Verlagerung der Nachfrage zeigen. Gebrauchte Silbermünzen und steuerbefreite Edelmetalle wie Gold werden wahrscheinlich stärker nachgefragt, da sie für Anleger kostengünstiger bleiben. Gleichzeitig könnte der Markt für neue Silberprodukte innerhalb der EU an Attraktivität verlieren, was Händler dazu zwingen könnte, ihre Geschäftsmodelle anzupassen oder verstärkt auf internationale Märkte auszuweichen. Auch könnten die Preisanstiege bei Neuware den gesamten Edelmetallmarkt beeinflussen, da höhere Kosten oft zu einer allgemeinen Marktverschiebung führen.
Interviewer: Gibt es aus Ihrer Sicht eine Alternative, um die Investition in Silbermünzen weiterhin attraktiv zu gestalten?
RA Bontschev: Anleger könnten sich verstärkt auf den Handel mit gebrauchten Münzen konzentrieren oder auf Edelmetalle wie Gold ausweichen, das in der Regel von der Mehrwertsteuer befreit ist. Für Händler ist es wichtig, Transparenz zu schaffen und Kunden über die geänderten Regelungen aufzuklären. Zudem könnten innovative Geschäftsmodelle, wie der Handel über Drittstaaten oder der Fokus auf Sammlermünzen mit besonderem Wert, dazu beitragen, das Interesse der Kunden aufrechtzuerhalten.
Interviewer: Vielen Dank, Frau Bontschev, für Ihre umfassenden Erläuterungen. Wir schätzen Ihre Expertise sehr!
RA Bontschev: Ich danke Ihnen, es war mir eine Freude, dieses komplexe Thema zu beleuchten. Anleger und Händler sollten die Entwicklungen genau beobachten und gegebenenfalls rechtlichen oder steuerlichen Rat einholen, um sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.