Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Die „The Generation Forest eG“ hat kürzlich ihren Jahresabschluss für 2023 veröffentlicht, der einige interessante, aber auch besorgniserregende Punkte enthält. Was ist Ihr erster Eindruck?
Kerstin Bontschev: Vielen Dank für die Einladung. Der Jahresabschluss der Genossenschaft wirft einige zentrale Fragen auf, die besonders aus Sicht der Anleger kritisch betrachtet werden müssen. Obwohl das Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit und langfristiges Wachstum setzt, zeigt die Bilanz deutliche Schwächen, insbesondere bei den aktuellen Verlusten und der Liquiditätssituation. Es gibt einige Chancen, aber auch signifikante Risiken, die potenzielle Investoren verstehen sollten, bevor sie sich engagieren.
Interviewer: Beginnen wir mit den hohen Verlusten, die die Genossenschaft seit mehreren Jahren verzeichnet. Was bedeutet das für Anleger?
Kerstin Bontschev: Die Genossenschaft weist für das Jahr 2023 einen Jahresfehlbetrag von 3,69 Millionen Euro sowie einen kumulierten Verlustvortrag von 6,57 Millionen Euro aus. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass das Unternehmen bisher nicht in der Lage war, seine laufenden Kosten zu decken, geschweige denn Gewinne zu erwirtschaften. Besonders besorgniserregend ist, dass diese Verluste über mehrere Jahre hinweg angehäuft wurden. Für Anleger bedeutet das, dass es sich um ein hochriskantes Investment handelt. Solche andauernden Verluste können die finanzielle Stabilität gefährden und letztendlich den Wert der Geschäftsanteile erheblich mindern.
Interviewer: Das Eigenkapital ist von 20,4 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 23,4 Millionen Euro im Jahr 2023 angestiegen. Ist das nicht ein positives Zeichen?
Kerstin Bontschev: Auf den ersten Blick mag der Anstieg des Eigenkapitals positiv erscheinen. Dieser Zuwachs ist jedoch fast ausschließlich auf neue Einzahlungen von Mitgliedern zurückzuführen. Das bedeutet, dass die Genossenschaft weiterhin von frischem Kapital der Mitglieder abhängig ist, statt aus eigenen operativen Gewinnen zu wachsen. Solange die Verluste anhalten, bleibt unklar, wie nachhaltig dieses Wachstum ist. Wenn das Mitgliederwachstum oder die neuen Investitionen stagnieren, könnte die Genossenschaft Schwierigkeiten haben, ihre Eigenkapitalbasis weiter auszubauen.
Interviewer: Ein weiteres Thema sind die offenen Einzahlungen auf Geschäftsanteile, die im Jahr 2023 auf 4,39 Millionen Euro gestiegen sind. Was sind hier die Risiken?
Kerstin Bontschev: Diese offenen Einzahlungen sind ein deutlicher Indikator für Liquiditätsprobleme. Wenn Mitglieder ihre Einzahlungen nicht vollständig leisten, kann dies zu finanziellen Engpässen führen. Die Genossenschaft verlässt sich auf diese Einzahlungen, um ihre laufenden Projekte zu finanzieren. Sollte es zu Zahlungsausfällen kommen, könnte das die finanzielle Lage weiter destabilisieren. Ein so hoher Betrag an rückständigen Einzahlungen könnte zudem darauf hinweisen, dass einige Mitglieder das Vertrauen in die Genossenschaft verloren haben oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben.
Interviewer: Im Jahresabschluss wird ein dramatischer Rückgang des Umlaufvermögens verzeichnet. Was bedeutet das für die Liquidität der Genossenschaft?
Kerstin Bontschev: Das Umlaufvermögen ist von 16,1 Millionen Euro auf nur noch 574.653 Euro geschrumpft. Das ist ein massiver Rückgang, insbesondere bei den flüssigen Mitteln, die auf 250.560 Euro gesunken sind. Diese Zahlen deuten auf erhebliche Liquiditätsprobleme hin. Die Genossenschaft könnte Schwierigkeiten haben, ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bedienen oder unvorhergesehene Kosten zu decken. Solche Engpässe sind besonders problematisch, wenn sie auf zukünftige Einzahlungen von Mitgliedern oder externe Finanzierungen angewiesen ist, um zahlungsfähig zu bleiben.
Interviewer: Die Genossenschaft hat umfangreiche Investitionen in Beteiligungen und Ausleihungen, insbesondere in Panama. Wie bewerten Sie dieses Engagement?
Kerstin Bontschev: Diese Ausleihungen und Beteiligungen stellen ein großes Risiko dar. Die Genossenschaft hat über 18 Millionen Euro in Unternehmen investiert, die erst in vielen Jahren Erträge liefern sollen. Das bedeutet, dass Anleger mit einem sehr langfristigen Zeithorizont rechnen müssen, um Renditen zu sehen. Es besteht auch das Risiko, dass diese Investitionen nicht die erwarteten Erträge liefern, insbesondere wenn es in Panama oder bei den Tochterunternehmen zu wirtschaftlichen Problemen kommt. Wenn diese Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Ausleihungen zurückzuzahlen, könnte dies die finanzielle Situation der Genossenschaft weiter belasten.
Interviewer: Wie bewerten Sie die methodische Bewertung der Wälder, die im Jahresabschluss beschrieben wird?
Kerstin Bontschev: Die Bewertung der Wälder ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Sie basiert auf Annahmen über zukünftige Marktentwicklungen, Zinssätze und Kosten, die schwer vorhersehbar sind. Besonders auffällig ist, dass eine Risikoprämie von 25 % abgezogen wurde, was auf die Unsicherheit dieser Bewertung hinweist. Sollte der Holzmarkt oder die Kosten für Forstwirtschaft und Management nicht den Erwartungen entsprechen, könnte der tatsächliche Wert der Wälder deutlich niedriger ausfallen. Das stellt ein erhebliches Risiko für die Investoren dar, die sich auf diese Schätzungen verlassen.
Interviewer: Die Genossenschaft befindet sich weiterhin in der sogenannten Phase 1, in der kaum Erträge generiert werden. Was bedeutet das für die Anleger?
Kerstin Bontschev: Die Genossenschaft wird erst in vielen Jahren, in der sogenannten Phase 2, signifikante Erträge durch den Verkauf von Holz erzielen können. Bis dahin sind keine größeren Einnahmen zu erwarten, was bedeutet, dass die Genossenschaft in den kommenden Jahren weiter auf Kapitalzuflüsse von Mitgliedern angewiesen sein wird. Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass dies ein sehr langfristiges Investment ist, das erst in mehreren Jahrzehnten Früchte tragen könnte. Für viele Anleger, die kurzfristige oder mittelfristige Renditen erwarten, ist dies ein großes Problem. Zudem besteht das Risiko, dass die Genossenschaft in den nächsten Jahren weiterhin Verluste schreibt, was das Vertrauen der Mitglieder untergraben könnte.
Interviewer: Was raten Sie potenziellen Investoren, die über eine Investition in die „The Generation Forest eG“ nachdenken?
Kerstin Bontschev: Potenzielle Investoren sollten sich der erheblichen Risiken bewusst sein. Es handelt sich um ein spekulatives Investment, das langfristige Geduld und eine hohe Risikobereitschaft erfordert. Die finanziellen Verluste, die geringe Liquidität und die Abhängigkeit von zukünftigen Erträgen aus den forstwirtschaftlichen Projekten machen die Genossenschaft zu einer riskanten Anlage. Wer in die Genossenschaft investieren möchte, sollte sicherstellen, dass er über einen langen Anlagehorizont verfügt und bereit ist, auf mögliche Rückflüsse viele Jahre zu warten. Eine eingehende Prüfung der finanziellen Situation und der langfristigen Planung der Genossenschaft ist unbedingt erforderlich.
Interviewer: Vielen Dank, Frau Bontschev, für diese kritischen Einblicke.
Kerstin Bontschev: Gern geschehen.