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Hanseatisches Oberlandesgericht: Erweiterungsbeschluss 13 Kap 1/18 HCI Capital AG

Daniel_B_photos (CC0), Pixabay

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 1/​18

Beschluss

In der Sache

Marc Schwarz, Leitenberg 6, 86923 Finning

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte APS Rechtsanwalts GmbH, Alt-Moabit 62-63, 10555 Berlin, Gz.: 000632-13/​NA/​nr

gegen

1)

HCI Hanseatische Capitalberatung GmbH & Co. KG (vormals HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH), vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Matthias Bruns und Frank Martens, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Musterbeklagte –
2)

Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Musterbeklagte –
3)

HCI Treuhand SERVICE GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagte –
4)

…….

5)

Hellespont Ship Management GmbH & Co. KG (vormals Hellespont Hammonia GmbH & Co. KG), vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafter, Beim Strohhause 27, 20097 Hamburg

– Musterbeklagte –
6)

DVB Bank SE, vertreten durch d. Vorstand, Platz der Republik 6, 60325 Frankfurt

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen

Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 10416/​17/​A – JBo/​vka

Prozessbevollmächtigte zu 3 und 4:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 11164/​14QA-JBo/​vkqa

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Neuer Wall 63, 20354 Hamburg, Gz.: TW/​ys-21809-15

Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte CMS Hasche Sigle, Stadthausbrücke 1-3, 20355 Hamburg, Gz.: EG-ast-2018/​18968

Nebenintervenientin zu 3 – 5:
RTC Revision Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatergesellschaft, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld

Nebenintervenientin zu 1, 2 und 4:
RTC Revision Treuhand Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Rahlstedter Straße 32a, 22149 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000188-17/​AK/​AT

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 20.01.2021:

Das Musterverfahren wird gem. § 15 KapMuG auf Antrag der Beigeladenen Netta um das folgende Feststellungsziel erweitert:
Feststellungsziel IX.1.) lit. h
Der Verkaufsprospekt mit seiner positiven Leistungsbilanz verschweigt, dass diese ausgerechnet für im Prospekt beworbene Tankschiffe im Gegensatz zur dargestellten Gesamtbilanz deutlich negativ verlaufen war und Plattformversorger von HCI bisher gar nicht emittiert worden waren. Die Darstellung vermittelt irreführend den Eindruck, Vorerfahrungen der HCI-Grupoe unterstützten die Prognosequalität auch für die streitgegenständlichen Schiffe.

Es besteht Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme zu diesem mit Schriftsatz der Beigeladenen Netta vom 09.03.2020 (dort S. 8 – 10) bereits begründeten Feststellungsziel binnen zwei Monaten.

Gründe:

Die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen vor.

a) Das neu formulierte Feststellungsziel ist entscheidungserheblich, wofür es genügt, dass es als plausibel erscheint, dass die Entscheidung über die beantragte Erweiterung sich im Ausgangsverfahren auswirken kann (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).

Der Senat folgt nicht der Auffassung von Vorwerk/​Wolf-Kotschy, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 6), wonach eine Erweiterung nur vorzunehmen wäre, wenn die fragliche Erweiterung tatsächlich im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich wäre, was voraussetze, dass die fragliche Rüge zum Prospektinhalt dort erhoben und auch zu ihrer Relevanz für die Anlageentscheidung vorgetragen worden wäre.

Ein Bestreiten des entsprechenden Vortrages eines die Erweiterung begehrenden Beteiligten des KapMuG-Verfahrens durch andere Beteiligte würde den Senat in eine ihm nicht obliegende Prüfung des (jeweiligen) Ausgangsverfahrens im Einzelnen hineinzwingen, eine Prüfung, die ihm – anders als etwa bei der Beschwerde gegen die Aussetzung oder Nichtaussetzung eines Verfahrens nach § 8 KapMuG – nicht obliegt (Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 15, Rn. 14). So würden in das KapMuG-Verfahren Fragen hineingetragen, die nach seiner Struktur dort nicht zu klären sind: Je nach Vorbringen der Parteien wäre ggf. der Frage nachzugehen, ob der Vortrag zu einem bestimmten, vom Erweiterungsantrag betroffenen Sachverhalt hinreichend substantiiert ist, ob er rechtzeitig vorgebracht wurde, ob er zu Recht präkludiert wurde oder aber zu präkludieren wäre, u. U. auch, ob er ohne Verstoß gegen Verspätungsregeln noch angebracht werden könnte. Hierbei wäre auch nicht etwa nur auf das Ausgangsverfahren des Musterklägers abzustellen: Da – wie vorliegend – auch Beigeladene Erweiterungsanträge anbringen können, würde es konsequenter Weise auf das Vorbingen in deren jeweiligen Verfahren ankommen; ganz unklar wäre schließlich, wie insoweit mit erweiternden Feststellungsanträgen der Beklagtenseite umzugehen wäre – offenkundig kann es insoweit nicht nur auf das Verfahren des Musterklägers ankommen, vielmehr wäre wohl darauf abzustellen, ob die Beklagtenseite den entsprechenden Einwand bislang in irgendeinem Ausgangsverfahren vorgebracht hat. Damit aber würde das KapMuG-Verfahren mit der Klärung von Fragen belastet, die – besonders augenfällig bei Fragen der Präklusion – in die alleinige Entscheidungskompetenz des Ausgangsgerichts gestellt sind.

Insoweit folgt nichts anderes aus der Entscheidung BGH XI ZB 13/​18, Beschluss vom 30.04.2019: Dass eine Aussetzung nach § 8 KapMuG nur erfolgen kann, wenn „es nach der Überzeugung des Prozessgerichts auf … geltend gemachte Feststellungsziele für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird“ (Leitsatz 2), ist für die Frage der Anforderungen im Rahmen des § 15 KapMuG ohne Belang. Denn – wie oben ausgeführt – ist die Prüfung dieser Frage dem Prozessgericht ohne Weiteres, insbesondere ohne Beiziehung bislang nicht verfahrensgegenständlicher Akten, möglich und auch zugewiesen.

Soweit das Kriterium der konkreten Entscheidungserheblichkeit offenbar herangezogen werden soll, um ein Ausufern des KapMuG-Verfahrens durch Anträge nach § 15 KapMuG zu verhindern, erscheint es hierfür nicht geeignet. Vielmehr ist die Abhandlung weiterer Feststellungsziele, die plausibler Weise in Ausgangsverfahren eine Rolle spielen können, nach dem Telos des KapMuG sachgerecht, um in einem Verfahren eine möglichst umfassende Klärung der behaupteten Fehlerhaftigkeit einer Kapitalmarktinformation herbeizuführen. Eine mit dem Anspruch der Parteien – auch der Parteien der ausgesetzten Verfahren – auf hinreichend raschen Rechtsschutz nicht vereinbare Überfrachtung und insbesondere Verzögerung des KapMuG-Verfahrens kann dadurch gesteuert werden, dass im Einzelfall die Sachdienlichkeit von Erweiterungsanträgen verneint wird. So sind nach Auffassung des Senats Erweiterungsanträge insbesondere dann nicht sachdienlich, wenn sie – wie nach der Erfahrung in zahlreichen KapMuG-Verfahren nicht selten – erst Monate nach Anbringung des Begründungsschriftsatzes und Erwiderung der Beklagten bzw. erst sehr kurz vor oder gar erst nach der mündlichen Verhandlung gestellt werden, wenn ihre Zulassung zu einer deutlichen Verzögerung der Entscheidung und damit auch zu einer unangemessenen Verzögerung der Ausgangsverfahren führen würde.

b) Die zugelassene Erweiterung betrifft den Inhalt des streitgegenständlichen Fondsprospektes und damit den gleichen Lebensachverhalt wie die schon rechtshängigen Anträge.

c) Schließlich ist die Zulassung auch sachdienlich, insbesondere führt sie voraussichtlich nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens, kann aber zu einer umfassenden Klärung der sich bezogen auf den Anlageprospekt stellenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen beitragen (vgl. dazu Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., § 15, Rnrn. 20, 21).

Panten Löffler Dr. Tonner
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht

 

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