Im September 2019 hatten die deutsche Thomas Cook GmbH und ihre angeschlossenen Gesellschaften im Rahmen der Pleite des Mutterunternehmens ebenfalls Insolvenz angemeldet. Weil aber die Insolvenzabsicherung nicht ausreicht, will nun die Bundesregierung bei der Entschädigung von Pauschalurlaubern einspringen. Die „Stiftung Warentest“ hat nun einen Bericht veröffentlicht, der sich mit dem Fall beschäftigt und beleuchtet, wie es für Betroffene nun weiter geht.
Die Faktenlage
Deutsche Thomas Cook ist insolvent
Die Insolvenz der britischen Muttergesellschaft Thomas Cook Group plc hat die deutschen Ableger, die Thomas Cook GmbH, die Thomas Cook Touristik GmbH und die Bucher Reisen & Öger Tours GmbH, mit in den Pleite-Sog gerissen. Die deutschen Unternehmen mussten Ende September 2019 bei Gericht Insolvenzanträge einreichen. Dieser Schritt sei unausweichlich gewesen, sagte die Vorsitzende Geschäftsführerin der Thomas Cook GmbH, Stefanie Berk. Man sei laut Berk dazu „gezwungen“ worden, um sich aus den „finanziellen Verflechtungen und Haftungsverhältnissen“ mit dem insolventen Mutterkonzern lösen zu können. Auch die Thomas Cook-Marken Neckermann Reisen, Thomas Cook Signature und Air Marin sind von der Insolvenz betroffen. Ziel des Insolvenzantrages war es, das Unternehmen sanieren zu können. Knapp drei Monate nach der Insolvenzanmeldung sieht es allerdings nicht so aus, als wäre der Reisekonzern noch zu retten. Nachdem bereits im Oktober 2019 alle Reisen bis Ende des Jahres und im November alle Buchungen für 2020 abgesagt wurden, ist nun auch das Insolvenzverfahrne für die Thomas-Cook-Gesellschaften eröffnet worden. Wie die Unternehmensleitung mitteilte, sei Hintergrund dafür, dass im laufenden Investorenprozess für die deutsche Thomas Cook-Gruppe bislang kein belastbares Angebot für die Fortführung von Thomas Cook als Ganzes oder für das Veranstaltergeschäft der Thomas Cook Touristik GmbH vorliege. Infolge dessen stellen Unternehmen ihren Betrieb ein.
Tochtergesellschaft Condor fliegt weiter
Auch die Fluglinie Condor gehört zu Thomas Cook. Sie versichert jedoch, dass der Flugbetrieb weitergehe. Um Liquiditätsengpässe zu verhindern, erhält das Unternehmen einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit.
Pauschalreisende sind abgesichert
Für die deutschen Thomas Cook-Touristen muss die Zurich Versicherung aufkommen. Für die Abwicklung von Ansprüchen hat Zurich die Kaera AG beauftragt. Die Zusage der Zurich bedeutet, dass sich aktuell kein Urlauber Sorgen machen muss, nicht abgesichert zu sein. Gleichwohl bleibt die Gefahr, dass der Sicherungsfonds irgendwann einmal ausgeschöpft ist (siehe Abschnitt „Absicherung nur bis 110 Millionen Euro“).
Rechtlicher Hintergrund. Meldet ein Reiseveranstalter in Deutschland Insolvenz an, gilt folgendes: Veranstalter von Pauschalreisen sind gesetzlich verpflichtet, erhaltene Kundengelder für den Fall einer Insolvenz zu versichern sowie – wenn der Vertrag auch die Beförderung des Reisenden umfasst – die vereinbarte Rückbeförderung und die Beherbergung sicherzustellen. Das gilt übrigens auch für die verbundene Reiseleistung. Um eine solche handelt es sich, wenn Urlauber für dieselbe Reise mindestens zwei verschiedene Leistungen, etwa Hotel und Flug, über das gleiche Onlineportal oder im selben Reisebüro kurz nacheinander separat buchen.
Nicht versichert. Wer hingegen etwa eine Städtereise mit Eigenanreise oder eine reine Flugleistung gebucht hat, ist nicht gegen Insolvenz abgesichert und geht leer aus. Kunden können ihre Erstattungsansprüche wegen nicht erbrachter Reiseleistung gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen. Dafür gibt es eine Internetseite, die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche nutzen können. Haben sie per Visa oder Mastercard bezahlt, können sie das Chargeback-Verfahren nutzen und sich ihr Geld von der kartenausgebenden Bank erstatten lassen. Wer per Lastschrift bezahlt hat, kann seine Bank beauftragen, das Geld zurückzubuchen.
Wichtige Unterlage: Sicherungsschein
Beleg für die Insolvenzversicherung ist der sogenannte Sicherungsschein, der mit der Buchungsbestätigung an Reisekunden ausgegeben werden muss. Die Versicherungen müssen gewährleisten, dass begonnene Reisen bis zum Ende durchgeführt werden können, entgangene Leistungen erstatten oder für nicht begonnene Reisen schon geleistete Zahlungen erstatten. Kunden sollten sich bei Insolvenz ihres Veranstalters mit dem Absicherer der Reise in Verbindung setzen. Kontaktdaten finden sie auf ihrem Sicherungsschein.
Absicherung nur bis 110 Millionen Euro
Die gesetzliche Haftung für Pauschalreisen ist allerdings auf 110 Millionen Euro im Jahr beschränkt. Der Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) hat vor hohen Geldausfällen für Kunden des Konzerns gewarnt. Der Verband habe wegen der sich ankündigenden Pleite bereits im August Hochrechnungen gemacht, wie viel Geld nötig wäre, um die Ansprüche der Kunden zu tilgen. Nach diesen Hochrechnungen seien vermutlich 300 bis 400 Millionen Euro nötig, um geplatzte Pauschalreisen zu ersetzen und die von der Insolvenz betroffenen deutschen Urlauber zurückzuholen. Eine Insolvenz in dieser Größenordnung ist ein Präzedenzfall“, sagt die Verbandsvorsitzende Marija Linnhoff. „Für Kunden, die ihr Geld wiederhaben wollen, wird es schwierig werden. Sollte die Haftungsgrenze von 110 Millionen nicht ausreichen, bleiben Kunden auf einem Teil ihrer Kosten sitzen.“
Versicherer zahlt nur 17,5 Prozent
Der Insolvenzversicherer bestätigte die Befürchtungen in der Branche. Die Kunden der insolventen Reiseveranstalter bekommen von der Versicherung nur 17,5 Prozent ihrer Ansprüche erstattet. Der Gesamtschaden betrage 287,4 Millionen Euro – die Zurich Gruppe Deutschland könne aber nur 50,4 Millionen Euro erstatten, teilte das Unternehmen Mitte Dezember 2019 mit. Knapp 60 Millionen Euro flossen demnach für den Rücktransport der Thomas-Cook-Urlauber.
Bundesregierung will Pauschalurlaubern finanziell helfen
Weil die Zurich-Versicherung signalisiert hat, dass sie die Reisezahlungen der betroffenen Kunden nur zu einem geringen Teil erstatten wird, hat die Bundesregierung Mitte Dezember entschieden, Restbeträge auszugleichen. Schäden, die nicht von anderer Seite ausgeglichen werden, werde der Bund ersetzen, heißt es in einer Presseerklärung. Dies geschehe „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Vermeidung unzähliger Rechtsstreitigkeiten. Im Gegenzug sollen die Ansprüche der Betroffenen an den Bund abgetreten werden, der diese Ansprüche aus einer Hand verfolgen wird.“ Der Fall werfe „eine Vielzahl von schwierigen Rechtsfragen auf“, die bislang ungeklärt seien. Den Kunden sei es aber „nicht zumutbar, dass sie jeweils auf sich gestellt für die Klärung der komplexen offenen Rechtsfragen sorgen müssen“. Tausende von Klageverfahren müssten geführt werden, langjährige Rechtsstreitigkeiten wären die Folge. Die Regierung will eine „erhebliche Prozesslawine“ verhindern und „am Ende den möglichen Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich“ halten.
Ab 2020 Erstattungen durch den Bund möglich
Für die Entschädigungszahlungen durch den Bund wird ein digitales Erfassungstool entwickelt, über das die Betroffenen ihre Ansprüche anmelden können. Aktuell müssen Kunden nicht selbst aktiv werden, um ihre Rechte zu wahren. Die Bundesregierung werde sie Anfang 2020 über die weiteren Schritte zur Abwicklung, heißt es in ihrer Pressemitteilung. Ziel sei es, das Geld „möglichst einfach und kostenfrei“ auszuzahlen.