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Rechtsstreit wegen des Fünfundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG

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AJEL / Pixabay

Landgericht Stuttgart

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Dr. Dieter Zetsche, Rosengartenstraße 48, 70184 Stuttgart
– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Bender Pfitzmann, Kaiserstraße 50, 40479 Düsseldorf, Gz.: 216-18-CJ-KL

gegen

Baden-Württembergische Bank, als unselbstständige Anstalt der Landesbank Baden-Württemberg, Kleiner Schlossplatz 11, 70173 Stuttgart
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Seibert Link, Rotebühlplatz 19, 70178 Stuttgart, Gz.: 361/18 HS02 MV

wegen Schadensersatzes

hat das Landgericht Stuttgart – 21. Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Praast-Dieterich als Einzelrichterin am 02.07.2019 beschlossen:

I.

1. Im elektronischen Bundesanzeiger wird unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ Folgendes bekannt gemacht:

1) Bezeichnung der Beklagten:
Baden-Württembergische Bank, als unselbstständige Anstalt der Landesbank Baden-Württemberg

2) Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten:
Fünfundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co.KG

3) Prozessgericht:
Landgericht Stuttgart

4) Aktenzeichen des Prozessgerichts:
21 O 313/18

5) Feststellungsziele

Es wird festgestellt, dass der Emissionsprospekt über die Beteiligung am 65. IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG in der Fassung vom 28.08.2008 (nachfolgend „Emissionsprospekt“) in wesentlichen Teilen unrichtig und damit insgesamt irreführend und unvollständig ist, nämlich

a)

dass der Emissionsprospekt auf S. 11 die Aussage trifft, dass der vereinbarte Kaufpreis durch ein unabhängiges Gutachten für marktgerecht erklärt wurde, obgleich

aa)

aus diesem Gutachten hervorgeht, dass die zugrunde gelegte Miete 11 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag (»Overrented (approximatly 11%“)),

bb)

der Substanzwert des Objektes mit nur 42 Mio. EUR festgestellt wurde, mithin bei nur 55 % des Kaufpreises lag,

und die Anleger dadurch unrichtig über den Wert und Wiederverkaufswert des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Gutachten

Der vereinbarte Kaufpreis der Immobilie wurde laut unabhängigen Gutachten CB Richard Ellis (s. „Vertragspartner“, S. 120 ff zum Zeitpunkt der Bewertung (01.07.2008) für marktgerecht erklärt.“

b)

dass der Emissionsprospekt auf S. 11 des Emissionsprospektes die Aussage trifft, dass weitere Bewertungsgutachten nicht existieren, obgleich

aa)

die objektfinanzierende HSH Nordbank für die Ausgabe eines Darlehens über 46,8 Mio. EUR verpflichtet war, selbst ein Bewertungsgutachten einzuholen,

bb)

die objektfinanzierende HSH Nordbank dies auch im Hinblick auf die im Darlehensvertrag vereinbarte Loan to Value Klausel (LTV) laufend tun muss,

cc)

sich aus dem Gutachten von CB Richard Ellis auf S. 15 ein Hinweis auf ein Altlastengutachten vom 03.11.1992 mit Altlastenverdacht findet und die Anleger dadurch unrichtig über das Vorliegen weiterer Bewertungsgutachten informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Gutachten […]

. weitere Bewertungsgutachten existieren nicht“

c)

dass der Emissionsprospekt auf S. 15 und S. 43 nicht erkennen lässt, in welchem Umfang die von dem Anleger eingezahlten Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden, obwohl der so zu berechnende Anteil der Weichkosten 42,95 % beträgt und die Anleger dadurch nicht richtig über die Rentabilität des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

S. 15: „Fondsbezogene Vorkosten in % des Eigenkapitals … 17,78 %“

und

S. 43

„Kosten in der lnvestitionsphase – Prognose

Nachstehende Übersicht fasst die Kosten der lnvestitionsphase in komprimierter Form zusammen.“

d)

dass der Emissionsprospekt auf S. 18 und S. 78 einen konkreten Altlastenverdacht aufgrund von Hafenaktivitäten verschweigt, der in dem Bewertungsgutachten von CB Richard Ellis auf S. 15 konkret aufgeführt war mit der Formulierung „We have seen a copy of a historical soil survey, dated 3 November 1992, for the location Provincialeweg/Korte Hogendijk. and understood that from an environmental point of view this location could be labelled as suspicious due to various activities in the past (e.g. harbor activities)“ und die Anleger dadurch nicht über den konkreten Altlastenverdacht hinsichtlich des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

S. 18

„Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass während der Fondslaufzeit Altlasten im Erdreich oder im Grundwasser entdeckt werden, deren Beseitigungskosten zu einer Reduzierung der Auszahlungen führen. Außerdem könnten solche Altlasten zu einer erheblichen Verminderung der Veräußerungsmöglichkeiten bzw. des Veräußerungserlöses führen.“

und

S. 78

“Der Verkäufer hat keinerlei Haftung für Bodenverunreinigungen oder Altlasten etc. übernommen. Zwar sind dergleichen Verunreinigungen des Grundstücks oder des Grundwassers nicht bekannt, jedoch hat eine darauf gerichtete Untersuchung nicht stattgefunden.“

e)

dass der Emissionsprospekt auf S. 48 Liquidationserlöse für das Jahr 2019 prognostiziert auf Basis eines Mietvervielfältigers mit dem Faktor 14,62 als Mittelwert, welcher dem Faktor bei Ankauf entspricht, obwohl das Gutachten von CB Richard Ellis auf S. 7 für den Ansatz dieses Mietvervielfältigers die Tatsache voraussetzt, dass der Mietvertrag noch 15,5 Jahre läuft, was im Jahr der Liquidation nicht mehr der Fall sein wird und die Anleger dadurch unrichtig über den möglichen Verkaufswert des Fondsobjekts informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Verkaufspreis

Die Liquidationsprognose zeigt mögliche Verkaufspreise bei Mietvervielfältigern von 13,62 bis 15,62. Basis ist die für Anfang 2020 angenommene Jahresmiete.“

f)

dass der Emissionsprospekt auf S. 49 Liquidationserlöse für das Jahr 2019 prognostiziert auf Basis eines Mietvervielfältigers mit einem Faktor, welcher im schlechtesten Fall (,‚worst case“) mit 13,62 und im besten Fall (“best case“) mit 15,62 angegeben wird, obwohl das Gutachten von CB Richard Ellis auf S. 7 für die Annahme des Faktors 14,62 die Tatsache voraussetzt, dass der Mietvertrag noch 15,5 Jahre läuft, was im Jahr der Liquidation nicht mehr der Fall sein wird und die Anleger dadurch unrichtig über den Verkaufswert des Fondsobjektes informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Liquidationsprognose und Abweichungen von der Prognose in T€ vor Steuern

Verkaufsfaktor 13,62 14,12 14,62 15,12 15,62“

g)

dass der Emissionsprospekt auf S. 78 bei der Darstellung des Objektdarlehens mit der HSH Nordbank die zusätzliche Verpflichtung einer Loan-to-Value-Klausel unerwähnt lässt, die der Darlehensgeberin ein Recht auf Sicherheitenaufstockung, Einbehalt der Mieten oder Fälligstellung des gesamten Darlehens einräumt, wenn das Darlehen höher als 62 % des Immobilienwertes des Fondsobjektes valutiert und die Anleger dadurch unrichtig über die Kündbarkeit des Objektdarlehens informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Das Ende der Zinsbindung entspricht dem Ende der Darlehenslaufzeit. Die Tilgung des Darlehens beginnt ab 01.10.2009 und erfolgt mit 0,75 % und ab 01.01.2014 mit 1,00 % jährlich zzgl. ersparter Zinsen“

h)

dass der Emissionsprospekt auf S. 78 bei der Darstellung des Objektdarlehens mit der HSH Nordbank die zusätzliche Verpflichtung einer Loan-to-Value-Klausel unerwähnt lässt, die der Darlehensgeberin ein Recht auf Sicherheitenaufstockung, Einbehalt der Mieten oder Fälligstellung des gesamten Darlehens einräumt, wenn das Darlehen höher als 62 % des Immobilienwertes des Fondsobjektes valutiert, obwohl bereits bei Prospektaufstellung durch das Gutachten von CB Richard Ellis bekannt war, dass eine Overrent-Situation (vereinbarte Miete über aktueller Marktmiete) von 11 % vorlag, womit bereits in der Platzierungsphase eine Verletzung der LTV-Klausel vorlag und die Anleger dadurch unrichtig über die Kündbarkeit des Objektdarlehens informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

„Das Ende der Zinsbindung entspricht dem Ende der Darlehenslaufzeit. Die Tilgung des Darlehens beginnt ab 01.10.2009 und erfolgt mit 0,75 % und ab 01.01.2014 mit 1,00 % jährlich zzgl. ersparter Zinsen“

i)

dass der Emissionsprospekt auf S. 92 und S. 93 dem Fonds ein geringes Risiko bescheinigt und für Stiftungen als geeignet ansieht und dadurch die Anleger unrichtig über das Risiko der Anlage informiert und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

durch folgende Formulierung:

S. 92

„2. Erhalt des Stiftungskapitals: […] Nach herrschender Meinung ist das Stiftungsvermögen in seinem wirtschaftlichen Wert mit seiner Ertrags- und Kaufkraft – also real – zu erhalten. Der Stiftungsvorstand hat die Aufgabe, finanzielle Risiken weitgehend zu vermeiden

und

S. 93

„Der hier beschriebene Fonds zeichnet sich durch ein geringes Risiko und Ertragsstärke aus“.

6) Lebenssachverhalt

Der Kläger beteiligte sich am 22.01.2009 mit einer Beteiligungssumme von EUR 100.000,00 zzgl. 5 % Agio an der Fünfundsechzigste geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co.KG. Der Kläger trägt vor, dass die Beratung auf Grundlage des die Beteiligung betreffenden Emissionsprospekts geführt wurde. Er habe den Prospekt am Tage der Zeichnung erhalten. Die Beratung habe durch einen Mitarbeiter der Beklagten stattgefunden. Inhalt und genauer Hergang des Beratungsgesprächs sind zwischen den Parteien streitig.

7) Eingang des Musterverfahrensantrags beim Prozessgericht:
09.10.2018

2. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Der Sachverhalt ergibt sich aus Ziff. 1. 6. des Beschlusstenors.

II.

Der Musterverfahrensantrag ist zulässig.

1.
Das Landgericht Stuttgart ist gemäß § 29 ZPO zuständig, da die Beratung (telefonisch) durch einen Mitarbeiter der Beklagten in Stuttgart stattgefunden hat. Ein ausschließlicher Gerichtsstand am Sitz des Emittenten gemäß § 32b ZPO ist nicht gegeben, da die Klage ausschließlich gegen die beklagte Beraterin, nicht jedoch zusätzlich gegen den Emittenten bzw. Gründungsgesellschafter erhoben wurde.

2.
Der Antrag ist in Ansehung der aufgeführten Feststellungsziele statthaft, da auch Ansprüche aus Beratungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem Prospekt Gegenstand eines Musterverfahrens sein können (BGH, Beschluss v. 02.12.2014 – XI ZB 17/13 -, Rn. 10, zitiert nach juris).

Praast-Dieterich
Vorsitzende Richterin am Landgericht

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