Start Justiz Musterklage gegen CONTI und NSB

Musterklage gegen CONTI und NSB

538

Oberlandesgericht München

Az.: 5 Kap 1/18

In Sachen
Dr. Roth Peter, Paul-Hösch-Straße 24, 81243 München
– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG Rechtsanwälte, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3 a, 28217 Bremen, Gz.: 0044/17

gegen

1)

CONTI REEDEREI Management GmbH & Co. KG Konzeptions-KG, vertreten durch d. Komplementärin CONTI REEDEREI Management GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München
– Musterbeklagte –

2)

CONTI CORONA Anlageberatungsges. mbH & Co. Vertriebs KG, vertreten durch d. Komplementärin CONTI CORONA Anlageberatungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Bleichenbrücke 10, 20345 Hamburg
– Musterbeklagte –

3)

NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaf mbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft mbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Hamburger Straße 47-51, 21614 Buxtehude
– Musterbeklagte –

4)

CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München
– Musterbeklagte –

5)

CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München
– Musterbeklagte –

6)

CONTI 53. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München
– Musterbeklagte –

7)

CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München
– Musterbeklagte –

8)

CONTI Beteiligungsverwaltungs GmbH & Co. KG, vertreten durch die Conti Beteiligungsverwaltungs Geschäftsführungs GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg,
– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 0016/17/06

Prozessbevollmächtigte zu 4 – 7:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 0016/17/17

Prozessbevollmächtigte zu 8:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 16/17/04

wegen Forderung

erlässt das Oberlandesgericht München – Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren (5. Senat) – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Stackmann, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Godulla und die Richterin am Oberlandesgericht Schroeder am 10.01.2019

folgenden

Beschluss

Mit Zurückweisung bzw. Verwerfung der Musteranträge zu 1. im Termin muss nach derzeitigem Sachstand dringend gerechnet werden. Die Anträge zu 2. sind daher für gegenstandslos zu erklären bzw. zu verwerfen.

1.

Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass auf die hinreichend bestimmte Abfassung der Feststellungsziele größte Sorgfalt zu verwenden ist. Unpräzise ist es etwa, die Feststellung zu beantragen, der Prospekt erwähnte „Besonderheiten aus Basel II“ nicht.

2.

Der Musterkläger kann nicht erwarten, dass der Senat auf Punkte hinweist, in denen bereits die Lektüre des Schriftsatzes der Musterbeklagten vom 19.12.2018 bzw. des Prospekts bzw. des Gesetzestexts (etwa § 39 Abs.1 Nr.5 InsO) ergibt, dass die behaupteten Prospektfehler nicht vorliegen (können). Der Senat wird auch kein Gutachten zu erkennbar spekulativen Behauptungen des Musterklägers einholen, die jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Prospektangaben vermissen lassen. So ist beispielsweise entgegen den Behauptungen des Musterklägers zu Feststellungsziel 1.3 die Kalkulation der Zinsen auf S.49 und 52 des Prospekts nachzulesen. Insofern fehlt es an Anknüpfungstatsachen für die ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung „es konnte daher nicht unterstellt werden, dass aus einem etwaigen Verkaufserlös der Schiffe noch Kapitalmittel zur Rückführung von Kommanditkapital an die Anleger vorhanden sein würden“. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, dass Prognosen deshalb unvertretbar wären, weil einzelne vom Musterkläger heute angeführte Tatsachen im Prospekt nicht ausdrücklich erwähnt worden sind, zumal der Prospekt jederzeit klarstellt, dass es sich jeweils um Prognosen handele, die naturgemäß je länger der Prognosezeitraum ist, desto unsicherer werden. Das ist allerdings dem Durchschnittsrezipienten eines Prospekts klar. Vor diesem Hintergrund sind die prospektierten Prognosen nicht zu beanstanden. Das gilt etwa auch für die Aufhebung der Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen zum 18.10.2008, weil einerseits die beiden 2.122 TEU Schiffe nach ihrem Einsatzgebiet lt. Prospekt S.19 hiervon nicht betroffen waren und andererseits für die beiden größeren Schiffe langfristige Charterverträge bestanden.

3.

Zum Feststellungsziel 1.12 (Übertonnage und Charterratenprognose) gilt folgendes:

Der Musterkläger kann sich nicht drauf berufen, dass aufgrund einer konkret absehbaren Übertonnage klar gewesen sei, dass das Charterratenniveau erheblich unter der Größendimension der Erstcharter liegen musste. Insoweit ist daran zu erinnern, dass für die beiden großen Schiffe des Fonds langfristige Charterverträge mit fester Charter geschlossen worden sind und für den durchschnittlichen Prospektleser anhand der Prospektlektüre ohnehin ersichtlich war, dass sich die Höhe der Charter nach Ablauf der langfristigen Verträge und der Optionen nicht zuverlässig vorhersehen ließ.

Soweit sich der Musterkläger hinsichtlich der kleineren Schiffe darauf beruft, Drewry habe wegen der Übertonnage bereits ab 2006 sinkende Charterraten prognostiziert, ist es richtig, dass Drewry im Table 7.5 des Forecasts von September 2004 (Anlage K 5) für das Jahr 2006 von rückläufigen Charterraten ausgegangen ist. Diese Konsolidierung der Charterraten 2006 nach den hohen Charterraten 2005 ist im Prospekt auf S.18 angesprochen. Für 2006 ging Drewry nach der Tabelle im Schriftsatz Musterkläger vom 20.09.2018, S.79, für Schiffe von 2.500 TEU von einer Frachtrate von 28.575 US $ p.d. aus. Die prognostizierten Raten für 2007 – 2009 lagen mit 24.225 – 23.600 US $ deutlich über der Erwartung des Prospekts (19.950 US $, S.51).

Im Übrigen ist der Grafik zu den Charterraten der Containerschiffe zwischen 350 TEU und 4.400 TEU (Schriftsatz vom 20.09.2018, S.36) zu entnehmen, dass die Charterraten in 2007 anstiegen und erst 2008 einbrachen. Zudem prognostizierte Prof. Dr. Manfred Zachcial vom ISL noch im Juni 2008 für den Markt der Containerschifffahrt noch einen Anstieg von ca. 10 % (vgl. Anlage B 6). In der ISL Marktstudie vom 22.03.2010 (vorgelegt als Anlage B 12) wird zudem ausgeführt, dass erstmals 2009 in der Geschichte der Containerschifffahrt über den Zeitraum eines Kalenderjahres ein Umschlagrückgang zu verzeichnen war. Dem Howe Robinson Container Index (vorgelegt als Anlage B 11) ist ein eklatanter Rückgang ebenfalls erst Ende 2008 zu entnehmen.

Dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bei den Schiffen in Größe von 2.000 – 2500 TEU mit keiner Übertonnage zu rechnen war, trägt der Musterkläger selbst vor. Denn das Orderbuch sah nach der Tabelle S.81 des Schriftsatzes vom 20.09.2018 für diese Größenklasse nur ein Wachstum von 6,8 % bei keinen bekannten Bestellungen für die Jahre 2008 und 2009 voraus. Dementsprechend heißt es auf S.84 des zitierten Schriftsatzes, dass es in BRS – Der Containerschiffsmarkt 2005 – heiße, dass bei Schiffen unter 4.000 TEU nur ein Wachstum von 9 % zu erwarten sei. Dazu heißt es in dem als Anlage B 2 vorgelegten Marktbericht des Fondshauses Hamburg für das erste Halbjahr 2007, dass auf absehbare Zeit gute Voraussetzungen bestünden, zumindest in den kleineren Größenklassen in Containerschiffe zu investieren. Die Behauptung des Musterklägers, eine relevante Übertonnage sei bereits bei Prospekterstellung absehbar gewesen, mag für die kürzere Zukunft nach Prospektherausgabe für größere Schiffe zutreffen, aber nicht für die beiden kleineren Schiffe des Fonds.

In diesem Zusammenhang ist auch die Behauptung, dass das Charterniveau 2008 deutlich vor der Lehman-Pleite, die die Finanzkrise und die anschließende Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat, vollständig eingebrochen sei, nicht relevant. Denn der Prospekt wurde deutlich früher, nämlich im Dezember 2006 aufgelegt. Zudem ergibt sich aus dem Howe Robinson Containerindex (vorgelegt als Anlage B 11), dass die Containerraten nicht im Frühjahr 2008, sondern erst Ende 2008 deutlich eingebrochen sind. Anknüpfungstatsachen zu der Behauptung, dass das Überangebot an Tonnage die Charterraten lange vor dem 15.09.2008 niedergewalzt habe, hat der Kläger nicht vorgetragen, so dass das dazu angebotene Sachverständigengutachten nicht zu erholen ist. Dass die Prognose zu den erzielenden Charterraten nicht vertretbar gewesen wäre, ist vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen nicht ersichtlich, zumal der Musterkläger selbst auf S.35 seines Schriftsatzes vom 20.09.2018 zugesteht, dass sich die Charterraten kurzfristig „sinnvoll“ prognostizieren ließen und deren Höhe unter den vom Musterkläger selbst mitgeteilten Werten lag.

4.

Zu Feststellungsziel 1.16 (105 %-, loan-to-value-Klausel, Basel II) geht der Senat davon aus, dass mit „105 %-Klausel“, deren Existenz die Musterbeklagten zugestanden haben, gemeint ist, dass die jeweilige Finanzierungsbank bei einer wechselkursbedingten Überschreitung des Kreditlimits um mehr als 5% die Rückführung des Kredits auf das Limit verlangen kann (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 20.07.2017, 333 O 210/16, juris Rn.105). Auf die Bedenken auf die hinreichende Bestimmtheit – auch – dieses Antrags ist bereits oben unter Ziffer 1. hingewiesen.

5.

Zu Feststellungsziel 1.18 (Schiffsbetriebskostensteigerung) wird auf S.110 des Schriftsatzes vom 20.09.2018 eine Schiffsbetriebskostenstudie aus dem Jahre 2005 angesprochen, die jedoch nicht vorgelegt wird. Soweit sich der Musterkläger auf den folgenden Seiten auf Betriebskostenstudien bezieht, stammen diese allesamt aus der Zeit nach Prospektveröffentlichung.

6.

Die Feststellungsziele 2. sind im KapMuG-Verfahren weitgehend unzulässig, weil die Haftung der Musterbeklagten zu 1 – 3) als Gründungsgesellschafter (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 24.07.2018, II ZR 305/16 Rn.7-9 nur individuell von Fall zu Fall festgestellt werden kann (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17.7.2018, II ZR 13/17 Rn.11 ff).

Bei der Anordnung, etwa gewünschte Ausführungen nach der Reihenfolge der Feststellungsziele aufsteigend zu ordnen, hat es sein Bewenden. Sollen also zu diesem Beschluss Erklärungen abgegeben werden, hat dies in der vorgegebenen Reihenfolge neben ansonsten für erforderlich gehaltenen Äußerungen in dieser Reihenfolge unter Hervorhebung des jeweiligen Feststellungsziels in einer Unterüberschrift zu geschehen. Allgemeine Stellungnahmen sind im KapMuG-Verfahren weder sinnvoll, noch verfahrensfördernd.

gez.

Dr. Stackmann
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Dr. Godulla
Richterin
am Oberlandesgericht
Schroeder
Richterin
am Oberlandesgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift
Oberlandesgericht München, den 14.01.2019

Schauer, JSekr‘in
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt
– ohne Unterschrift gültig-

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