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Das Ende des Qualitätsjournalismus?

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Die Enthüllung zahlreicher manipulierter oder sogar erfundener Reportagen beim Magazin „Spiegel“ zieht weitere Kreise. Der mit zahlreichen Auszeichnungen für seine Texte dekorierte Claas Relotius, der seine Verfehlungen eingestanden hat, schrieb als freier Journalist zuvor noch für weitere Medien, darunter das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“, der „taz“, der „Zeit online“ und der „Financial Times Deutschland“.

Derzeit befindet man sich beim „Spiegel“ auf der Suche nach den Löchern im System, durch die derartige schwerwiegende Manipulationen unbemerkt durchschlüpfen konnten. Zugute halten muss man dem „Spiegel“ immerhin, der viel Wert auf seine Qualitätssicherung legt (was man von „Spiegel online“ nicht  so richtig behaupten kann, wenn man dort häufiger Texte liest), dass sie diesen Skandal publik gemacht haben und nun recht umfassend und transparent darüber berichten.

Ob sich Claas Relotius bewusst ist, was er mit seiner egoistischen Tour dem Journalismus angetan hat? Wir können es nur hoffen, es ändert allerdings nichts daran, dass er mit diesen bewussten und mit fast krimineller Energie getarnten Manipulationen Öl ins Feuer derjenigen gießt, die sich so gern über die „Lügenpresse“ mokieren.

Die Aufarbeitung dieses Skandals wird sich noch lange hinziehen und den (freien) Journalismus, der ohne Frage wichtig ist in unserem Informationssystem, in ein Glaubwürdigkeitsproblem stürzen, aus dem dieser sich schwer wieder herausarbeiten kann. Schließlich kann man (und will natürlich) auch nicht, jedem Reporter hinterherspionieren, ob er seine Sache auch korrekt macht.

Es ist traurig, dass es immer wieder Einzelne gibt (hoffen wir jedenfalls), die ein Vertrauenssystem so schändlich missbrauchen und damit die ganze Branche in Verruf bringen. Hinterfragen muss die „Spiegel“-Redaktion, aber natürlich nicht nur diese, auch, inwieweit sie eine Mitschuld tragen. Immerhin setzte das System Herrn Relotius derart unter Druck, dass er unter „Lieferzwang“ zu derartigen Mitteln griff. Dies ist in vergleichbar mit Walter Moers, der sich in seinen Zamonien-Romanen darüber beklagt, dass ihn der Verlag unter Druck setzt, was Auswirkungen auf die Qualität seiner Bücher zeigte.

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