Start Allgemein Apple vs. Qualcomm – Urteil des Landgerichts München

Apple vs. Qualcomm – Urteil des Landgerichts München

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Vor dem Landgericht München unterlag der Technologiekonzern Apple im Patentstreit mit dem Chipspezialisten Qualcomm.  Das LG stellte die Verletzung eines Qualcomm-Patents durch Apple fest und erließ ein gegen Sicherheitsleistung sofort durchsetzbares Verkaufsverbot für diverse Apple-„iPphones“ in Deutschland. 

Das Landgericht München I hat heute in 2 Verfahren die Apple Inc. (US-amerikanische Gesellschaft mit Sitz in Kalifornien und Mutterunternehmen der Apple-Gruppe), nebst einem Tochterunternehmen (Apple Distribution International ULC mit Sitz in Irland) und der Betreiberin der physischen Retail Stores in Deutschland (Apple Retail Germany B.V. & Co. KG) wegen der Verletzung des Europäischen Patents 2 724 461 („Stromversorgung für elektrische Verstärker“) der Qualcomm Inc. verurteilt (7 O 10495/17 und 7 O 10496/17).

Durch die Urteile ist faktisch u.a. das Anbieten und Inverkehrbringen von nicht lizenzierten Ausführungsformen in der BRD verboten, also auch der Verkauf. Davon sind jedenfalls die iPhones 7plus, 7, 8, 8plus und X betroffen. Die Klägerin darf aus den Urteilen nach Leistung einer Sicherheit in Höhe von jeweils 668,4 Mio. € auch vor Rechtskraft der Urteile gegen die Beklagtenseite vorgehen („vorläufige Vollstreckbarkeit“). Ob die Klägerin diese Sicherheiten leistet und vorläufig vollstreckt, entscheidet die Klägerin ohne weitere Mitwirkung des Landgerichts München I.

Maßgeblich für die Patentverletzung ist ein Chip eines Zulieferers der Beklagtenseite, der in den vorgenannten iPhone-Modellen verbaut ist. Wie der Chip tatsächlich funktioniert, war zwischen den Parteien streitig, nach Auffassung der 7. Zivilkammer aus zivilprozessualen Gründen gleichwohl nicht aufzuklären. Die Kammer hatte ihrer Entscheidung vielmehr aus prozessualen Gründen zugrunde zu legen, dass der Chip so funktioniert, wie die Klägerin es behauptet (siehe hierzu die Ziff. II „Zum Hintergrund“ in dieser Pressemitteilung). Daher durften nach Auffassung der Kammer weder Zeugen gehört werden, die zum letzten Termin – ohne Ladung des Gerichts – von der Beklagtenseite mitgebracht worden waren, noch durfte die Kammer die Schaltpläne des angegriffenen Chips näher untersuchen lassen.

Bei Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Funktionsweise ist das Klagepatent verletzt, insbesondere die drei Voraussetzungen („Merkmale“) des Klagepatents, die zwischen den Parteien streitig waren. Weil der Sachvortrag der Parteien technisch sehr komplex war, hat sich das Gericht im letzten Termin, am 8.11.2018, von Herrn Prof. Dr. van Waasen als gerichtlich bestellten Sachverständigen unterstützen lassen. Er hat die Kammer in ihrem technischen Verständnis bestätigt.
Die Kammer hat in den Klagen keine Kartellrechtsverletzung erkannt, insb. keinen Verstoß gegen die Entscheidung der EU-Kommission Case AT.40220 (PM vom 24.01.2018 hier). Auch die Berufung der Beklagtenseite auf bestehende Lizenzierungen ihrer Zulieferer hatte keinen Erfolg. Ebenso wenig folgte die Kammer der Beklagtenseite in ihren Aussetzungsanträgen wegen u.a. eines Einspruchsverfahrens gegen das Patent.

Die Sicherheitsleistung fiel in beiden Verfahren relativ hoch aus, weil die Beklagtenseite dargelegt hat, wegen der Rückruf- und Vernichtungsansprüche sowie des Verkaufsverbots hohe Einbußen an (vergangenem und künftigem) Umsatz zu erleiden.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Beklagtenseite kann Berufung zum OLG München einlegen.

Zum Hintergrund:

I. Im Einzelnen hat das Gericht gegen die Beklagtenseite ein Unterlassungsgebot ausgesprochen, nicht lizenzierte Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Wegen derartiger bereits erfolgter Handlungen muss die Beklagtenseite Auskunft erteilen und Rechnung legen. Sie muss verletzende Ausführungsformen in ihrem Besitz vernichten, und von Dritten zurückrufen und vernichten. Ausgesprochen wurde auch, dass die Beklagtenseite der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz leisten muss, wobei noch nicht feststeht, in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch besteht. Der Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses dienen Auskunft und Rechnungslegung.

II. Anders als beispielsweise im Strafrecht, wo der Untersuchungsgrundsatz gilt und das Gericht von sich aus Tatsachen zu ermitteln hat (Amtsermittlung), gilt im Zivilprozess der Beibringungs- oder Verhandlungsgrundsatz. Er besagt, dass die Parteien dem Gericht die Tatsachen vortragen müssen, auf die das Gericht seine Entscheidung stützen soll. Sind diese Tatsachen streitig, muss das Gericht hierzu Beweis erheben. Sind die Tatsachen unstreitig oder nicht hinreichend bestritten, darf das Gericht keinen Beweis erheben. In der Praxis bedeutet dieser Grundsatz, dass Tatsachen, die beispielsweise von Klägerseite mit hinreichender Detailtiefe („substantiiert“) vorgetragen wurden, ebenso substantiiert von der Beklagtenseite bestritten werden müssen. Das ist Standard im Zivilpro-zess, im hiesigen Fall bestanden indes einige Besonderheiten: Die Klägerin konnte in Ermangelung der ursprünglichen Schaltpläne des Chip-Herstellers zu der Funktionsweise des Chips nur anhand eines Teardown-Reports vortragen, den sie anhand eines reverse engineering-Prozesses hatte er-stellen lassen. Ein Teardown-Report kann Ungenauigkeiten aufweisen. Die Kammer ging aber aus prozessualen Gründen davon aus, dass der Klägerin mehr nicht abverlangt werden konnte, weil die Schaltpläne des Zulieferers nicht öffentlich zugänglich sind. Die Beklagtenseite bestritt zwar, dass der Chip so funktioniere, wie es die Klägerin behauptete, sah sich aber wegen Geheimhaltungsinteressen ihres Zulieferers außerstande vorzutragen, wie der Chip denn stattdessen funktioniere. Das aber wäre nach Auffassung der Kammer für ein ausreichendes Bestreiten erforderlich gewesen.
Weil es an diesem substantiierten Vortrag fehlte, musste die Kammer die Ausführungen der Klägerin zur Funktionsweise des Chips unterstellen und durfte diese nicht näher aufklären. Eine Beweiserhebung auf der Grundlage eines nicht ausreichenden Vortrags ist eine sogenannte Ausforschung und kann die gegnerische Seite (hier die Klägerin) in ihren Rechten verletzen. Daher ist bei der Prüfung, ob Beweise zu erheben sind, der Vortrag beider Seiten genau zu untersuchen. Bei dieser Prüfung unterstützte Prof. Dr. van Waasen als gerichtlich bestellter Sachverständiger das Gericht.

III. Vor dem Landgericht München I werden im März 2019 zwei weitere Verfahren der Klägerin gegen die Beklagtenseite wegen der behaupteten Verletzung des Europäischen Patents EP 1 988 602 „monopolähnliche Antenne“ verhandelt (führendes Aktenzeichen 7 O 7358/18).
In 2 Verfahren betreffend das Europäische Patent 1 199 750 B1 („Postpassivierungsstruktur“) zwischen denselben Parteien ergingen unter dem 11.10.2018 klageabweisende Urteile. Diese sind noch nicht rechtskräftig (führendes Aktenzeichen 7 O 14453/17).
Verkündungstermine in 8 weiteren Verfahren, ebenfalls zwischen den hiesigen Parteien, betreffend die Europäischen Patente 1 955 529, 3 094 067, 1 956 806 und 3 054 658 wurden mit heutigem Beschluss auf den 31.01.2019 verschoben (führendes Aktenzeichen 7 O 14454/17).

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