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Sollten Gespräche über Beratung und Verkauf von Kapitalanlagen getrennt werden?

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Behauptungen stehen im Raum, nach denen die Qualität der Finanzberatung durch Trennung von Beratung und Verkauf zu verbessern ist. Soll dies ein „Aufruhr“ sein, der Banken und freie Vermittler veranlasst, mehr Gewinn aus weniger fachkundigen Anlegern zu ziehen? Wer mit einem sechsstelligen Betrag in eine Bank geht, muss sich auf drei Dinge einstellen:

Anleger mit dieser ansehnlichen Größenordnung sind für private und staatliche Finanzinstitute kleine Fische. Gespräche über Wünsche und Ziele der Kunden werden, wenn es lange dauert, eine halbe Stunde geführt. Dann wird der Berater, pardon, Verkäufer des Finanzinstituts zur groben Vorstellung von für „sein Haus“ ertragreicher Finanzprodukte übergehen. Danach sind solche Gespräche meist zu Ende. Privatleute sind dann meist verwirrter als zuvor – auf höherem Niveau.Das hat handfeste Gründe: Mit einem der hier dargestellten Gespräche ist „ordentliche“ Anlageberatung nicht möglich. Die Höhe des Anlagebetrags ist dabei unerheblich. Normalerweise wären aus Sichtweise der Psychologie zwei bis drei Gespräche notwendig. Qualifizierte Arbeit kostet Zeit. Weder Bank noch Kunde sind zu diesem Zeitaufwand bereit. Deshalb ist die Anlageberatung so, wie sie heute in Instituten und bei freien Vermittlern ist. Beipackzettel, Beratungsprotokolle und Informationsblätter haben nichts verändert. Qualifizierte Berater meinen, dass es schlimmer geworden ist. Jedes Unternehmen hat Angst, für ein falsches oder fehlendes Kreuz auf dem Arbeitsformular zur Rechenschaft gezogen zu werden (vgl. Looman, V.; FAZ 2018-07-17).

Qualifizierte Anwendungen im Widerstreit der Gespräche

Das Wertpapierhandelsgesetz schreibt vor, dass Banken die finanziellen Verhältnisse ihrer Kunden analysieren müssen. Im Umkehrschluss müssen sich Kunden offenbaren und über ihr Vermögen berichten. Dazu gehört die Offenlegung ihrer Schulden und Einkünfte. Ausgaben müssen aufgelistet werden. Wollen Anleger das wirklich? Wenn sie trotz für einen Wohlstand ausreichender Einkünfte kein Vermögen aufgebaut haben, erscheint dies bedenklich. Die dem Finanzinstitut präsentierten 75.000 Euro könnten das Erbe der verstorbenen Tante sein.

Dieses Beispiel zeigt, dass Gespräche über Geld heikel sind. Theoretisch sind sie notwendig. In der Praxis werden sie selten geführt; sie sind ein Tabu. Schuldnerberater und Verbraucherschützer haben meist Probleme Licht in das Dunkel privater Finanzen zu bringen. Wer wirtschaftlich belastet ist, wird die Protokollierung seiner Zahlen hinnehmen. Anleger, denen es gutgeht, könnten die Idee haben, die gerade und eventuell zufällig verfügbaren 100.000 Euro anzulegen. Sie werden nicht bereit sein, einer Bank ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Der Berater der Bank, den sie jede Woche bei Veranstaltungen treffen, sollte nicht alles im Detail wissen (vgl. Looman, V.; FAZ 2018-07-17).

Die Qualifikation der Beratung

Die Analyse der finanziellen Verhältnisse gehört nicht primär zu den wahren Wünschen und Zielen der an Finanzberatung interessierten Kunden. Selten wissen die Leute, was sie möchten. Sie wollen sich nicht auf fixierte Wünsche festlegen. Eine Erklärung, Geld mittelfristig anlegen und dabei keine Risiken eingehen zu wollen, gewährt nicht viel Hintergrund für eine qualifizierte Beratung. Anleger sollten erwarten, dass die Qualität der Finanzberatung auf dem heutigen Niveau verbleiben wird. Das ist nur zum Teil die Schuld der Gespräche mit Banken, Bausparkassen und Versicherungen.

Die Trennung von Beratung und Verkauf kann viele Menschen vor sich selbst schützen. Wenn ein junger Unternehmer, gut ausgebildet und ledig, einen Kredit von 30.000 Euro aufnehmen will, um ein Auto zu erwerben, ist das kein Problem. Jede „Autobank“ gewährt diesem das erforderliche Geld, ohne dass längere Gespräche erforderlich sind. Ein qualifizierter Angestellter eines Finanzinstituts könnte solchen Menschen klarmachen, dass der gewünschte Kredit „zu viel des Guten“ ist. Er muss den Mut haben, anzumerken, dass 10.000 Euro für den Kauf eines gebrauchten Autos vorteilhafter eingesetzt werden sollten.

Die gleichen Vorgaben sollten beachtet werden, wenn ein Zwanzigjähriger von seinen Eltern 20.000 Euro geschenkt bekommen hat. Die Motivation für den Einsatz kann sein, mit dem Geld seine junge Familie zu unterstützen. Was können Frau oder Mann von ihrer Bank erwarten, wenn sie am Schalter um Rat bitten? Dort können sie damit rechnen, dass ihnen nach einer halben Stunde ein Vorschlag unterbreitet wird: Diese „Jungkunden“ sollen die Gespräche mit dem Finanzinstitut nutzen und das Geld in den Investmentfonds oder die Kapitalversicherung des Hauses stecken. Was nützt diesen unerfahrenen Kunden ein Informationsblatt, das die Produkte mit marktüblichen Chancen und Risiken aufzeigt? Sicher ist der Ertrag für den Anbieter:

Die Provision beträgt bis zu vier Prozent des angelegten Kapitalbetrags.

Selten wird berücksichtigt, dass die Absicherung der Familie bei Berufsunfähigkeit und Tod Vorrang haben sollte. Den Anlegern könnte bewusst gemacht werden, dass eine Rücklage von 10.000 Euro für private Probleme, eine weitere von 20.000 Euro für den Kauf eines Autos in einem Jahr und ein Sparbrief von 20.000 Euro für den Erwerb einer Wohnung in zwei Jahren „besser“ sind als der Traum von hohen Zinsen (vgl. Looman, V.; FAZ 2018-07-17).

Bau oder Kauf selbstgenutzter Immobilien sind für viele Menschen eine entscheidende Investition. Oft wird in Finanzinstituten die Dummheit der Kunden, teils aus Gier der „Berater“ ausgenutzt. Dazu gehören überhöhte Hypotheken mit überdurchschnittlichen Zinssätzen, geringe Tilgungsraten und parallel fragwürdige Geldanlagen ohne ausreichende Absicherungen. Damit werden unbedarfte Menschen auf „Pulverfässer gesetzt“. Es ist ein Wunder, dass bei diesem laxen Umgang auf Basis der Gespräche über Geld nicht mehr Menschen in die Luft gehen!

Fazit

In der Altersvorsorge kann dies ähnlich sein. Der Staat könnte anlagewillige Bürger zwingen, zum „Finanzarzt“ zu gehen. Diesen Gang könnte er mit einem „Bildungsgutschein“ von 99 Euro belohnen. Sinn und Zweck der „Verführung“ ist die Aufklärung, dass das Leben im Alter nicht auf Rosen gebettet sein muss. Die Folgen solcher Vorträge sind mit Chancen und Risiken verbunden. Es wird Leute geben, die jeden Gedanken an die Vorsorge über Bord werfen. Andere Menschen werden ihre Rente selbst in die Hand nehmen. Dabei mag der Wunsch aufkommen, die erstgenannte Gruppe zur Vernunft zu zwingen. Das wird nicht klappen. Besser wäre es die zweite Gruppe für ihre Selbstverantwortung zu belohnen.

Berater, die kein Interesse an Provisionen haben, sondern ihren Mandanten verpflichtet sind, erhalten vom Erfolg unabhängige Honorare – wie Ärzte, die ihren Patienten verpflichtet sind. Qualifizierte Finanzberater werden Ratsuchenden die Vorzüge und Nachteile der Altersvorsorge erläutern. „Passende“ Rezepte werden als Ergebnis der Gespräche dem Patienten bei der Kapitalanlage die besten Investitionen in Geldwerte oder Unternehmen vorstellen. Damit wird ein Mindestmaß an „bedarfsgerechter“ Versorgung mit Geldanlagen, Krediten und Versicherungen erreicht. Neutrale Experten bleiben Bedingung.

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