Start Allgemein Rechtsanwalt Markus Mingers zum Policen & Antragsmodell bei Lebensversicherungen

Rechtsanwalt Markus Mingers zum Policen & Antragsmodell bei Lebensversicherungen

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Wird ein Versicherungsnehmer inhaltlich und formal nicht ordnungsgemäß über die Widerrufsmöglichkeiten informiert, kann er seine Kapitallebens- und Rentenversicherung widerrufen. Das ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die sowohl für Lebens- und Rentenversicherungen gilt, die auf dem Policenmodell basieren, als auch für Versicherungsverträge, die auf der Grundlage des Antragsmodells geschlossen wurden.

Verfahrensvarianten beim Abschluss eines Versicherungsvertrags: das Policenmodell und das Antragsmodell

Das Policenmodell ist eine Verfahrensvariante beim Abschluss eines Versicherungsvertrags, die im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) unzulässig und durch das Antragsmodell ersetzt wurde.

(1) Das Policenmodell

Nach dem Policenmodell übermittelt der Versicherungsgeber dem Versicherungsnehmer die Informationen über die das Versicherungsverhältnis betreffenden Rechte und Pflichte einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) erst zusammen mit dem Versicherungsschein. Im Zeitpunkt der zeitgleichen Übergabe der genannten Unterlagen gilt der Versicherungsvertrag als wirksam zustande gekommen mit der Option, dass der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen Widerspruch einlegen kann. Charakteristisch am Policenmodell ist, dass der Versicherer den rechtsverbindlichen Antrag des Versicherungsnehmers auf Versicherungsschutz durch Aushändigung der Police angenommen hat. Der Versicherungsvertrag ist dadurch zustande gekommen, auch wenn er wegen der 14 Tage dauernden Widerspruchsfrist zunächst schwebend unwirksam ist.

(2) Das Antragsmodell ersetzt das Policenmodell

Mit dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) am 1. Januar 2008 findet unter anderem eine Abkehr vom Policenmodell zugunsten des Antragsmodells statt. Danach verpflichtet sich der Versicherungsgeber, dem Versicherungsnehmer bereits vor seiner „Vertragserklärung“ alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass er gemäß § 7 VVG dem Versicherungsnehmer die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die wesentlichen Informationen, die nach der Informationspflichtenverordnung der VVG verlangt werden, in Textform übermitteln muss. Die Unterlagen müssen nicht zwingend in Papierform zur Verfügung gestellt werden. Ausreichend ist auch die Übergabe einer CD, eines USB-Sticks oder die Zusendung per E-Mail. Allerdings muss dem Kunden ausreichend Gelegenheit gegeben werden, die Unterlagen zu sichten.

Erst nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen wird der Kunde den Antrag unterschreiben, der wiederum vom Versicherungsgeber geprüft wird. In einem letzten Schritt nimmt der Versicherer den Antrag durch Ausfertigung und Versand des Versicherungsscheins an. Dann ist der Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen. Allerdings trifft der Gesetzgeber keine Aussage darüber, wie lange vorher die Unterlagen dem Kunden zur Prüfung überlassen werden müssen.

Warum auf dem Policenmodell basierende Lebensversicherungen widerrufen werden können

In den Jahren zwischen 1994 und bis Ende 2007 werde Lebensversicherungen nach dem Policenmodell abgeschlossen. Die Versicherungsverträge enthalten die Klausel, dass der Versicherungspolice spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nicht mehr widersprochen werden kann. Diese Klausel soll auch dann Gültigkeit haben, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über seine Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen, belehrt worden ist. Mit seinem Urteil vom 7. Mai 2014 – Az.: IV ZR 76/11 – hat der BGH diese Klausel gekippt und sie für unzulässig erklärt.

Für Versicherungsnehmer bedeutet das, dass sie einen zwischen 1994 und 2008 geschlossenen Vertrag über eine Lebensversicherung bezüglich der Rechtmäßigkeit der Widerrufsklausel überprüfen lassen und nahezu vollständig rückabwickeln können. Nach Auffassung des höchsten Gerichts hat der Versicherungsnehmer ein unbefristetes Widerspruchsrecht, sofern eine Belehrung über die Widerrufs- und Vertragsbedingungen nicht erfolgt ist.

Warum auf dem Antragsmodell basierende Lebensversicherungen widerrufen werden können

Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 – Az.: IV ZR 260/11 – hat der BGH die Möglichkeiten für einen erfolgreichen Widerruf einer Kapitallebens- oder Rentenversicherung noch einmal entscheidend ausgeweitet. Danach können auch Versicherungsverträge, die nach dem Antragsmodell geschlossen wurden, unter der Voraussetzung widerrufen werden, dass die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erfolgte.

Das höchste Gericht bemängelte im vorliegenden Fall, dass die Widerrufsbelehrung drucktechnisch nicht ausreichend kenntlich gemacht worden sei. Genügt die Widerrufsbelehrung jedoch den inhaltlichen und – wie in diesem Fall – den formalen Anforderungen nicht, wird die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt – sie besteht insoweit bis zum heutigen Tag fort. Durch dieses Urteil hat der BGH die Möglichkeiten für einen erfolgreichen Widerruf auch auf das Antragsmodell ausgeweitet.

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