Start Allgemein Mein Bild für die Krankenkasse?

Mein Bild für die Krankenkasse?

176

Die Krankenkassen müssen bis Ende dieses Jahres 70 Prozent ihrer Versicherten mit der neuen elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ausstatten, andernfalls drohen ihnen finanzielle Einbußen. Deshalb werden viele gesetzlich Krankenversicherte jetzt aufgefordert, ihrer Krankenkasse ein Foto einzuschicken – auch wenn ihre alte Krankenversichertenkarte noch Jahre gültig ist. 

Warum eine neue Karte? Muss ich die Aufforderung befolgen? Was passiert, wenn ich mich weigere? 

Wozu eine neue Karte?

Die elektronische Gesundheitskarte löst die Krankenversichertenkarte ab, die gesetzlich Krankenversicherte seit Mitte der 90er Jahre zum Arzt mitnehmen müssen. Sie hat am Anfang nur die gleichen Funktionen wie die alte Karte, soll aber schrittweise ausgebaut werden. In der letzten Stufe soll sie als Zugang und Schlüssel zur elektronischen Patientenakte dienen, das ist eine Sammlung aller Dokumente, die bei Ärzten, Krankenhäusern und anderen Therapeuten über einen Patienten angelegt werden.

Solche Sammlungen von Dokumenten auf zentralen Servern abzulegen, birgt erhebliche Risiken.

Während in Deutschland die Regierung zur Einführung der neuen Karte erheblichen Druck auf die Krankenkassen ausübt, werden anderswo vergleichbare Projekte bereits wegen Undurchführbarkeit beerdigt. So berichtete am 23. September 2011 die britische Zeitung The Guardian vom »Stopp eines Mega-Projekts des Nationalen Gesundheitsdienstes zur technischen Aufrüstung des Gesundheitswesens und zum Aufbau eines Systems elektronischer Patientenakten, in das bereits 14,5 Milliarden Euro geflossen sein sollen« – das ist etwa ebenso viel wie in Deutschland als pessimistische Annahme zu den Kosten der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur geschätzt werden (zitiert nach heise online).

Wozu ein Foto?

Das Bild soll die Karte vor Missbrauch durch Fremde schützen. Das ist prinzipiell sehr sinnvoll. Allerdings wird dagegen auch ein stichhaltiger Einwand vorgebracht: Soll das Foto jeden Missbrauch verhindern, müsste sichergestellt werden, dass das abgelieferte Bild wirklich zu der Person gehört, in deren Namen die Karte ausgestellt wird. Eine solche Prüfung ist aber nicht vorgesehen.

Muss ich ein Foto einschicken?

Die elektronische Gesundheitskarte sollte schon zum 1. Januar 2006 eingeführt sein. Bis zum selben Datum – also vor mehr als sechs Jahren – hätten auch alle bisherigen Krankenversichertenkarten um ein Foto des Versicherten angereichert bzw. in eine elektronische Gesundheitskarte umgewandelt werden müssen (§§ 291 und 291a SGB V). Die Verzögerung sieht das Gesetz nicht vor.

Im Gesetz sind jedoch Ausnahmen von der Foto-Pflicht vorgesehen:

»Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild« (§ 291 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Demnach wäre es möglich, dass Foto-Verweigerer eine Karte ohne Lichtbild erhalten. Jedenfalls ist nirgends geregelt, dass die Verweigerung eines Fotos irgendwelche Nachteile mit sich bringen darf. Im schlimmsten Fall erhält man einfach keine elektronische Gesundheitskarte und muss sein Versicherungsverhältnis auf anderem Wege nachweisen. Sogar das Bundesgesundheitsministerium soll Presseberichte dementiert haben, die angenommen hatten, man verliere den Versicherungsschutz, wenn man kein Foto einsende.

Am besten sind die dran, deren alte Krankenversichertenkarte noch gilt. Solange nicht alle Versicherten die neue Karte haben, müssen die Ärzte sowieso die alte noch einlesen können. Bisher haben auch noch nicht alle Ärzte die Lesegeräte für die neue Karte – und die Krankenkassen empfehlen ausdrücklich, die alte Karte in diesen Fällen weiter zu verwenden und keinesfalls zu vernichten.

Soll ich ein Foto einschicken?

Das müssen Sie natürlich selbst entscheiden. Informieren Sie sich bei allen Seiten:

  • Die optimistische Sichtweise finden Sie beim Bundesgesundheitsministerium. Dort wird davon ausgegangen, dass jeder gesetzestreue Bürger ein Foto einschickt.
  • Das gleiche gilt für die Krankenkassen – sie müssen, wie gesagt, bis Ende 2012 für 70 Prozent ihrer Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte ausstellen, andernfalls werden ihre Verwaltungsausgaben gekürzt.
  • Skepsis vermitteln und erhärten die Stellungnahmen der »Aktion Stoppt die e-Card« und des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD). Dort sind auch Hinweise und ein Musterbrief abgedruckt, was man seine Krankenkasse zunächst fragen kann, um seine Entscheidung zu fundieren.
  • Der Chaos Computer Club (CCC) hat schon 2008 vom Einschicken eines Fotos abgeraten, weil er gravierende Sicherheitsprobleme sah. Untermauert wird das durch einen ebenfalls schon älteren Beitrag des Internet-Portals »Krankenkassen direkt«.
  • Auch in der Ärzteschaft sind die skeptischen und ablehnenden Stimmen noch immer laut und kräftig zu vernehmen: »Der 115. Deutsche Ärztetag hat gefordert, das politische Projekt ‚Elektro­nische Gesundheitskarte‘ aufzugeben. Er fordert einen Stopp des Projektes und die Förderung längst existierender kostengünstiger dezentraler Kommunikationswege und Speichermedien in der Medizin. Die elektronische Gesundheitskarte sei gescheitert, heißt es in der von der Mehrheit der Delegierten getragenen Entschließung,« (so die Ärztezeitung am 25. Mai 2012).
  • Die FDP-Bundestagsfraktion hatte noch Ende 2008 als Oppositionspartei im Bundestag einen Stopp der eGK gefordert: »Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte muss zurückgestellt werden, bis sichergestellt ist, dass die Voraussetzungen der Datensicherheit erfüllt sind. Das muss durch unabhängige Sicherheitsexperten überprüft sein. Die Zeit der Aussetzung ist zudem zu nutzen, um noch einmal gründlich zu prüfen, ob technische Alternativen zur Speicherung von Daten gegenüber zentralen Serverlösungen nicht der bessere Weg sind, mit solch sensiblen Daten umzugehen. Regelungsbedürftig ist auch die Frage, wie das ganze Verfahren so praktikabel gemacht werden kann, dass keine Verzögerungen z.B. in den Arztpraxen entstehen. Es müssen datenschutzrechtlich unangreifbare Lösungen auch für die Fälle vorgesehen werden, in denen Menschen mit den Anforderungen durch die Eingabe einer PIN-Nummer nicht zurechtkommen oder aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage sind.«
  • Wie die Bundesregierung das jetzt, gut zwei Jahre später, sieht, offenbart ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag vom 16. Mai 2011. Von Zweifeln an Sinn, Sicherheit und Beherrschbarkeit ist hier nichts mehr zu spüren.

 

Stand vom Mittwoch, 20. Juni 2012

Quelle:VBZ Hamburg

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein