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„Das Aktienbuch ist kein offenes Telefonbuch“ – Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow

Mohamed_hassan (CC0), Pixabay

Frage: Herr Iwanow, wer darf eigentlich in das Aktienbuch einer Aktiengesellschaft Einsicht nehmen?

Michael Iwanow: Das ist in § 67 des Aktiengesetzes (AktG) klar geregelt. Grundsätzlich haben der Vorstand der AG und der Aufsichtsrat vollen Zugriff auf das Aktienbuch, da sie die Gesellschaft leiten und überwachen müssen. Namensaktionäre dürfen ebenfalls Einsicht nehmen – allerdings nur in einem begrenzten Rahmen.

Frage: Was bedeutet „begrenzter Rahmen“ genau?

Michael Iwanow: Aktionäre dürfen das Aktienbuch nur einsehen, soweit es ihre eigenen Rechte betrifft. Das bedeutet: Sie können Informationen abrufen, die für die Ausübung ihrer Rechte als Aktionär notwendig sind, z. B. um sich auf eine Hauptversammlung vorzubereiten. Wer hingegen das Aktienbuch nutzen möchte, um andere Aktionäre für eigene Zwecke zu kontaktieren, etwa für Werbung oder Unternehmensübernahmen, handelt rechtswidrig.

Frage: Können auch Dritte – also z. B. Journalisten oder Investoren – in das Aktienbuch schauen?

Michael Iwanow: Nein, grundsätzlich nicht. Dritte haben kein generelles Einsichtsrecht. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn es eine gesetzliche Grundlage gibt, z. B. für Finanzbehörden bei steuerlichen Prüfungen oder für Gerichte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten. Auch Ermittlungsbehörden können unter bestimmten Umständen Zugriff erhalten.

Frage: Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Immerhin stehen im Aktienbuch persönliche Daten der Aktionäre.

Michael Iwanow: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) greift hier voll. Das heißt: Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass die Daten der Aktionäre geschützt bleiben und nicht missbräuchlich verwendet werden. Unbefugte Weitergabe oder Nutzung von Daten aus dem Aktienbuch kann zu empfindlichen Strafen führen.

Frage: Gibt es Fälle, in denen Unternehmen Einsicht verweigern können?

Michael Iwanow: Ja, wenn ein Aktionär das Einsichtsrecht missbrauchen will – etwa, um andere Aktionäre unter Druck zu setzen oder um Konkurrenten an sensible Informationen heranzuführen. In solchen Fällen kann sich die Gesellschaft auf den Datenschutz und auf den Schutz ihrer Aktionäre berufen.

Frage: Was raten Sie Aktionären, die Einsicht nehmen möchten?

Michael Iwanow: Erstens: Sie sollten genau begründen können, warum die Einsicht notwendig ist. Zweitens: Sie sollten sich bewusst sein, dass der Zugang beschränkt ist und nicht zur Kontaktaufnahme oder Werbung genutzt werden darf. Drittens: Falls eine Gesellschaft Einsicht unrechtmäßig verweigert, kann ein Anwalt helfen, die Rechte durchzusetzen.

Frage: Abschließend: Gibt es Schlupflöcher, um an das Aktienbuch zu kommen?

Michael Iwanow: Nein – und das ist auch gut so. Das Aktienbuch ist kein offenes Telefonbuch für Investoren oder Interessengruppen. Wer unberechtigt versucht, Informationen daraus zu beschaffen oder zu nutzen, kann schnell in eine rechtliche Grauzone geraten. Deshalb: Rechte kennen, aber auch Grenzen respektieren.

Frage: Herr Iwanow, vielen Dank für das Gespräch!

Michael Iwanow: Sehr gerne!

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