Interviewer: Frau Bontschev, Sie haben das Investmentangebot für das „Immobilien-Online-Paket“ geprüft. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben aus rechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive?
Kerstin Bontschev: Grundsätzlich klingt das Konzept interessant, da es sich auf eine bewährte Kombination aus SEO, Lead-Generierung und Domainhandel stützt. Allerdings gibt es mehrere kritische Punkte, die ein Investor sorgfältig prüfen sollte, bevor er sich beteiligt.
Rechtliche Aspekte der atypisch stillen Beteiligung
Interviewer: Die Beteiligung wird als atypisch stille Gesellschaft angeboten. Welche Konsequenzen hat das für Investoren?
Kerstin Bontschev: Eine atypisch stille Beteiligung bedeutet, dass der Investor Mitunternehmer wird und nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust beteiligt sein kann. Das birgt einige rechtliche und finanzielle Risiken:
- Keine direkte Kontrolle: Der Investor hat kein Mitspracherecht in der Geschäftsführung und ist vollständig auf die Betreiber angewiesen.
- Kapitalrisiko: Falls das Projekt scheitert oder die Einnahmen nicht wie geplant generiert werden, könnte das investierte Kapital komplett verloren gehen.
- Steuerliche Auswirkungen: Da der Investor unternehmerisch beteiligt ist, muss er möglicherweise eigene steuerliche Verpflichtungen erfüllen, etwa hinsichtlich der Versteuerung von Gewinnen oder der steuerlichen Behandlung von Verlusten.
Interviewer: Der Anbieter betont, dass ein notariell beglaubigter Vertrag vorliegt. Bedeutet das mehr Sicherheit für den Investor?
Kerstin Bontschev: Nein, nicht zwangsläufig. Eine notarielle Beglaubigung bestätigt lediglich, dass der Vertrag formell korrekt abgeschlossen wurde – sie garantiert aber nicht die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projekts oder die Sicherheit des Investments. Wichtig wäre, dass der Vertrag transparente Klauseln zur Gewinnverteilung, zu Ausstiegsmöglichkeiten und zur Haftungsbeschränkung enthält.
Wirtschaftliche Tragfähigkeit des Geschäftsmodells
Interviewer: Schauen wir uns das Geschäftsmodell genauer an. Das Angebot sieht drei Haupteinnahmequellen vor: Werbeplätze für Makler, Verkauf von Kundenanfragen und Domainverkäufe. Wie bewerten Sie diese Ansätze?
Kerstin Bontschev:
- Werbeplätze für Makler: Die Idee, Immobilienmaklern Promobuttons auf SEO-starken Landingpages anzubieten, ist nachvollziehbar – aber nur dann erfolgreich, wenn die Seiten tatsächlich hochrangig bei Google gelistet werden und genug Traffic generieren. Gibt es hierfür belastbare Prognosen oder Referenzprojekte?
- Verkauf von Kundenanfragen: In der Immobilienbranche ist die Qualität von Leads entscheidend. Wie wird sichergestellt, dass die generierten Anfragen tatsächlich werthaltig sind? Makler zahlen oft nur für qualifizierte Kontakte – wenn die Anfragen nicht konvertieren, bleibt das Geschäftsmodell schwach.
- Domainverkäufe: Die Wertsteigerung von Domains hängt stark von deren SEO-Erfolg und Marktattraktivität ab. Gibt es konkrete Nachweise für frühere erfolgreiche Domainverkäufe durch dieses Unternehmen?
Interviewer: Der Anbieter verspricht, dass alle Landingpages innerhalb von fünf Monaten online sind. Ist das realistisch?
Kerstin Bontschev: Die technische Umsetzung ist sicherlich machbar, aber relevanter ist die tatsächliche Ranking-Performance. SEO ist kein sofortiger Prozess – selbst mit optimierten Inhalten kann es Monate oder Jahre dauern, bis eine Webseite dauerhaft in den Top-3 bei Google landet. Wie wird sichergestellt, dass die versprochenen Rankings auch erreicht werden?
Renditeversprechen und Risiken
Interviewer: Die Investition beträgt 25.000 € für 50 % Beteiligung. Der Anbieter verspricht attraktive Renditen. Halten Sie das für realistisch?
Kerstin Bontschev:
- Die Rendite ist direkt von der SEO-Performance abhängig. Wenn die Seiten nicht wie geplant ranken oder die Konkurrenz stärker ist als erwartet, können die Einnahmen deutlich niedriger ausfallen.
- Makler sind wählerisch, wenn es um Online-Werbung geht. Viele setzen auf etablierte Plattformen wie Immowelt, ImmoScout24 oder eigene Netzwerke. Ob sie bereit sind, auf einer neuen Plattform Werbeplätze zu kaufen oder Leads zu erwerben, ist ungewiss.
- Der Domainverkauf ist spekulativ – es gibt keine Garantie, dass eine Domain tatsächlich für 2.900 € oder mehr verkauft wird.
Interviewer: Welche Risiken sehen Sie insgesamt für Investoren?
Kerstin Bontschev:
- Unklare Marktchancen: Es ist ungewiss, ob Immobilienmakler tatsächlich bereit sind, für Promobuttons oder Leads zu zahlen.
- Starke Konkurrenz: Bestehende große Plattformen könnten es schwer machen, sich in diesem Bereich zu etablieren.
- SEO-Risiko: Falls die Seiten nicht wie versprochen in den Google-Rankings auftauchen, bleibt das Geschäftsmodell wirtschaftlich fragwürdig.
- Fehlende Kontrolle: Investoren haben keine aktive Mitbestimmung, tragen aber 50 % des Risikos.
- Spekulative Einnahmeprognosen: Gibt es belastbare Zahlen oder Erfolgsnachweise? Oder basiert alles auf theoretischen Annahmen?
Empfehlung für potenzielle Investoren
Interviewer: Was raten Sie Interessenten, die sich für dieses Investment interessieren?
Kerstin Bontschev:
- Nicht vorschnell investieren, sondern eine detaillierte Marktanalyse anfordern, die zeigt, wie realistisch die Einkommensströme sind.
- Den Beteiligungsvertrag von einem unabhängigen Fachanwalt prüfen lassen, um mögliche Haftungsrisiken und fehlende Kontrollmöglichkeiten zu identifizieren.
- Nach konkreten Referenzen fragen: Hat das Unternehmen bereits erfolgreiche Immobilien-SEO-Projekte oder profitable Domainverkäufe realisiert?
- Exit-Strategien klären: Falls das Projekt nicht erfolgreich ist, gibt es eine Möglichkeit, das investierte Kapital zurückzubekommen?
Interviewer: Halten Sie dieses Angebot für eine empfehlenswerte Investition?
Kerstin Bontschev: Ich wäre sehr vorsichtig. Das Geschäftsmodell klingt auf den ersten Blick interessant, aber es gibt keine belastbaren Belege für die versprochenen Renditen. Die Kombination aus hoher Konkurrenz, SEO-Unsicherheiten und fehlenden Kontrollrechten für den Investor macht das Investment riskant.
Wer sich dennoch interessiert, sollte eine professionelle Wirtschafts- und Rechtsprüfung durchführen lassen, bevor er 25.000 € investiert.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Frau Bontschev.
Kerstin Bontschev: Sehr gern.