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Bayerisches Oberstes Landesgericht – Teil-Musterentscheid 101 Kap 1/22 Wirecard AG

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Bayerisches Oberstes Landesgericht

Az.: 101 Kap 1/​22

In dem Kapitalanleger-Musterverfahren

Dipl.-Kfm. Ebert Kurt, Kelkheimer Straße 21, 65812 Bad Soden am Taunus
– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Mattil & Kollegen, Thierschplatz 3, 80538 München, Gz.: 27/​23KU/​al/​au

Rechtsanwalt Dr. Vitt Elmar, Am Fuhrenkamp 16, 21376 Salzhausen

gegen

1)

Dr. Braun Markus, Gloriettegasse 20, A-1130 Wien, Österreich
– Musterbeklagter –

2)

EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, vertreten durch die TS Verwaltungs-GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, diese gesetzlich vertreten durch d. Geschäftsführer, Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
– Musterbeklagte –

3)

Dahmen Martin, c/​o EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
– Musterbeklagter –

4)

Budde Andreas, c/​o EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
– Musterbeklagter –

5)

von Knoop Alexander
– ehemaliger Musterbeklagter, ausgeschieden –

6)

Marsalek Jan
– früher fälschlich als Musterbeklagter geführt –

7)

Koch Carsten als Insolvenzverwalter des Vermögens der MB Beteiligungsgesellschaft mbH, Frankfurter Straße 13, 35781 Weilburg
– Musterbeklagter, derzeit infolge Unterbrechung nicht am Verfahren beteiligt –

8)

Dr. Jaffé Michael als Insolvenzverwalter des Vermögens der Wirecard AG, Franz-Joseph-Straße 8, 80801 München
– Musterbeklagter –

9)

Broschulat Ralf, c/​o EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
– Musterbeklagter –

10)

Bellenhaus Oliver, c/​o MELCHERS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Im Breitspiel 21, 69126 Heidelberg
– Musterbeklagter –

11)

Loetscher Andreas, c/​o EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
– Musterbeklagter –

12)

Freiherr von Erffa Stephan Egilmar Hartmann, Geschwister-Scholl-Straße 15, 06712 Zeitz
– Musterbeklagter –

13)

Ley Burkhard, Jagenberg 11, 42659 Solingen
– Musterbeklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1:

Rechtsanwältin Kalweit Katrin, Faustgäßchen 4, 99084 Erfurt, Gz.: 127/​24

Rechtsanwältin Kraußlach Theres, c/​o Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater
PartmbB, Hefengasse 3, 99084 Erfurt, Gz.: 01293/​24 TK /​ tk

Prozessbevollmächtigte zu 2 bis 4, 9 und 11:

LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB, Brienner Straße 29, 80333 München, Gz.: 00003E20 MZ/​cobu; weiteres Gz.: 742023 NP/​juni

Prozessbevollmächtigte zu 8:

SZA SCHILLING, ZUTT & ANSCHÜTZ Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Otto-Beck-Straße 11, 68165 Mannheim, Gz.: 677/​23

Prozessbevollmächtigte zu 10:

MELCHERS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Im Breitspiel 21, 69126 Heidelberg, Gz.: 2277/​23

Prozessbevollmächtigte zu 12:

Rechtsanwalt Freiherr von Erffa Hubertus, Reichsstraße 15, 04109 Leipzig, Gz.: HUE/​hgm

Prozessbevollmächtigte zu 13:

Rechtsanwälte Berner Fleck Wettich, Cecilienallee 17, 40474 Düsseldorf

erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht – 1. Zivilsenat – durch die Präsidentin des Bayerischen Obersten Landesgerichts Dr. Schmidt, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Muthig, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Schwegler, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht von Geldern-Crispendorf und den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Niklaus aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2024 folgenden

Teil-Musterentscheid:

I.

Die folgenden Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts München I vom 14. März 2022 (Az. 3 OH 2767/​22 KapMuG) werden als im Musterverfahren nicht statthaft zurückgewiesen:
A II 4 a, soweit die Feststellung begehrt wird, dass § 400 Abs. 1 Nr. 2 und § 400 Abs. 2 AktG (a. F.) Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sind,
B I 1 a bis e,
B II 1 a bis e,
B III 1 einschließlich der Unterfeststellungsziele a und b,
das Feststellungsziel C, soweit die begehrte Feststellung sich auf Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2 bezieht,
sowie
D 1.

II.

Die folgenden Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts München I vom 14. März 2022 (Az. 3 OH 2767/​22 KapMuG) werden als unzulässig zurückgewiesen:
A I 1 a bis e, 2 a bis e, 3 a bis e, 4 a bis e, 5 a bis e, 6 und 7,
A II 1 a bis f, 2 c und d,
das im Obersatz zu A II 3 enthaltene Feststellungsziel, soweit § 331 Nr. 2 HGB (a. F.) in Bezug genommen wird,
A II 3 a bis c,
das im Obersatz zu A II 4 enthaltene Feststellungsziel,
A II 4 a, soweit die Feststellung begehrt wird, dass § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG (a. F.) Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist,
A II 4 b, 5, 6, 7, 8 und 9
sowie
D 2.

Gründe:

A.

In dem vorliegenden Kapitalanleger-Musterverfahren streiten die Parteien darüber, ob die Wirecard AG im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 Pflichten im Rahmen der Kapitalmarktkommunikation verletzt hat, sowie darüber, ob die Musterbeklagte zu 2) als Abschlussprüferin bei der Überprüfung der Konzern-Rechnungslegung der Wirecard AG gegen Prüfpflichten verstoßen und sich durch die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten für die vorgenannten Geschäftsjahre an fehlerhaften Kapitalmarktinformationen der Wirecard AG beteiligt bzw. selbst fehlerhafte Kapitalmarktinformationen getätigt hat.

Die im Jahr 1999 gegründete Wirecard AG mit Sitz in 85609 Aschheim, Bayern, stand als Konzernmutter an der Spitze des Wirecard-Konzerns mit mehreren inländischen und ausländischen Tochterunternehmen. Ihr Unternehmensgegenstand bestand laut Handelsregistereintrag (Amtsgericht München, HRB 169227) unter anderem in der Entwicklung, Konzipierung und Realisierung von technischen Anwendungen, Dienstleistungen und Projektvorhaben im Bereich Zahlungssysteme sowie allen damit im Zusammenhang stehenden Geschäften, einschließlich des Erwerbs und der Vergabe von Lizenzen im Finanzdienstleistungsbereich. Von September 2018 bis August 2020 war die Gesellschaft im Deutschen Aktienindex (DAX) gelistet.

Für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 veröffentlichte die Wirecard AG Geschäftsberichte, die jeweils unter anderem den Konzernlagebericht, den Konzernabschluss, den – für jedes der genannten Geschäftsjahre erteilten – uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Konzernabschlussprüfers sowie die Versicherung der gesetzlichen Vertreter (Konzern-Bilanz- und Konzern-Lageberichtseid) enthalten; hinsichtlich des Inhalts der Geschäftsberichte wird auf die Anlagen K 25a bis K 25e und die auf der Homepage der Wirecard AG jeweils eingestellten Dokumente verwiesen.

In Reaktion auf Vorwürfe der Bilanzfälschung, die im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft („Third Party Acquiring“, im Folgenden auch „TPA-Geschäft“) gegen den Wirecard-Konzern erhoben worden waren, beauftragte die Wirecard AG Ende Oktober 2019 die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einer unabhängigen Sonderprüfung. Am 27. April 2020 erstellte diese ihren Prüfungsbericht. Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 22. Juni 2020 informierte die Wirecard AG darüber, dass der Vorstand derzeit davon ausgehe, dass die bisher zu Gunsten von Wirecard ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestünden und die bisherigen Beschreibungen des Drittpartnergeschäfts durch die Gesellschaft unzutreffend seien. Drei Tage später, am 25. Juni 2020, stellte sie beim Amtsgericht München Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom 25. August 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wirecard AG eröffnet.

Der Musterbeklagte zu 1) war bis zu seinem Ausscheiden im Juni 2020 Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG.

Die Musterbeklagte zu 2) ist eine Wirtschaftsprüfergesellschaft, welche bis zu ihrer Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft als Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft firmierte. Diese war für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 von der Wirecard AG mit der Jahres- und Konzernabschlussprüfung beauftragt. Sie testierte die Konzernabschlüsse sowie Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Wegen des Wortlauts des Vermerks über die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2014 vom 7. April 2015, des Vermerks für das Geschäftsjahr 2015 vom 6. April 2016, des Vermerks für das Geschäftsjahr 2016 vom 5. April 2017, des Vermerks für das Geschäftsjahr 2017 vom 11. April 2018 und des Vermerks für das Geschäftsjahr 2018 vom 24. April 2019 wird auf die Geschäftsberichte der Wirecard AG (vorgelegt als Anlagen K 25a bis K 25e sowie veröffentlicht auf der Website der Gesellschaft) Bezug genommen.

Die Musterbeklagten zu 3), 4), 9) und 11) waren im Rahmen der Abschlussprüfungen für unterschiedliche Berichtsjahre des Zeitraums 2014 bis 2018 als Wirtschaftsprüfer für die Musterbeklagte zu 2) tätig.

Die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7), die MB Beteiligungsgesellschaft mbH, hatte die Verwaltung eigenen Vermögens zum Gegenstand; ihr Geschäftsführer war – mit kurzzeitiger Unterbrechung – der Musterbeklagte zu 1). Mit Beschluss des Amtsgerichts Limburg a.d. Lahn vom 21. Februar 2024 (Az. 9 IN 20/​24) wurden die vorläufige Verwaltung ihres Vermögens durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter angeordnet und der Gesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 InsO). Das gegen den (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger der ursprünglichen Musterbeklagten zu 7) gerichtete Kapitalanleger-Musterverfahren ist seither gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO in Verbindung mit § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen und bislang nicht aufgenommen worden. Durch Beschluss des Amtsgerichts Limburg a.d. Lahn vom 18. Juni 2024 ist über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Der Musterbeklagte zu 8) ist Insolvenzverwalter des Vermögens der Wirecard AG.

Der Musterbeklagte zu 10) verfügte in der Wirecard AG und der Wirecard Bank AG zeitweise über Gesamtprokura gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied oder einem anderen Prokuristen. Er leitete vormals eine Tochtergesellschaft der Wirecard AG in Dubai.

Der Musterbeklagte zu 12) war Head of Accounting der Wirecard AG und verfügte über Gesamtprokura gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied oder einem anderen Prokuristen. Das Erlöschen der Prokura wurde am 1. Juli 2020 im Handelsregister eingetragen.

Der Musterbeklagte zu 13) war unter anderem Mitglied des Vorstands der Wirecard AG. Sein Ausscheiden wurde am 1. März 2018 im Handelsregister eingetragen.

Der frühere Musterbeklagte zu 5) ist dadurch aus dem Musterverfahren ausgeschieden, dass in sämtlichen gegen ihn geführten Ausgangsverfahren, zu denen dem Bayerischen Obersten Landesgericht die Verfahrensaussetzung mitgeteilt worden war, nachträglich die Aussetzungsbeschlüsse aufgehoben worden sind.

Das ursprünglich fälschlich als Musterbeklagter zu 6) geführte ehemalige Vorstandsmitglied der Wirecard AG ist nicht Partei des vorliegenden Musterverfahrens, da die Rechtsstreite, soweit sie gegen diese Person gerichtet waren, nicht ausgesetzt wurden, § 9 Abs. 5 KapMuG (in der bis zum 19. Juli 2024 geltenden Fassung, künftig: a. F.).

In den ausgesetzten Ausgangsverfahren werden einzelne oder alle Musterbeklagten, zum Teil im Wege der Tabellenfeststellungsklage, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Wirecard AG werden Pflichtverletzungen im Rahmen der Kapitalmarktinformation zur Last gelegt. Der Abschlussprüferin wird die Erstellung falscher Bestätigungsvermerke vorgeworfen.

Mit Vorlagebeschluss vom 14. März 2022 (Az.: 3 OH 2767/​22 KapMuG, im Klageregister veröffentlicht am 16. März 2022), hat das Landgericht München I dem Bayerischen Obersten Landesgericht gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG a. F. zahlreiche Feststellungsziele zur Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Der Vorlagebeschluss ist am 15. März 2022 bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 13. März 2023 gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. den Musterkläger bestimmt und dessen Bezeichnung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. durch Veröffentlichung im Klageregister am 16. März 2023 bekannt gemacht. Zu den dort genannten Musterbeklagten sind infolge Aussetzung der gegen sie gerichteten Ausgangsverfahren die Musterbeklagten zu 9) und 10) (bekannt gemacht mit Beschluss vom 16. Oktober 2023, im Klageregister veröffentlicht am 19. Oktober 2023), der Musterbeklagte zu 11) (bekannt gemacht mit Beschluss vom 18. März 2024, im Klageregister veröffentlicht am 21. März 2024) und die Musterbeklagten zu 12) und 13) (bekannt gemacht mit Beschluss vom 14. August 2024, im Klageregister veröffentlicht am 19. August 2024) hinzugetreten. Mit Beschluss vom 22. Mai 2024 (im Klageregister veröffentlicht am 27. Mai 2024) hat der Senat das Ausscheiden des früheren Musterbeklagten zu 5) bekannt gemacht.

Mit den Feststellungszielen unter Teil „A. (Haupttat)“ sollen Klärungen herbeigeführt werden, welche die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 sowie die Verantwortlichkeit des Musterbeklagten zu 1) hierfür und daraus abgeleitete Verletzungen von Publizitätspflichten der Wirecard AG betreffen. Mit den Feststellungszielen unter Teil „B. Zur Frage von Teilnahme“ sollen Fragen in Bezug auf eine Teilnahme der Musterbeklagten zu 2) an Publizitätspflichtverletzungen der Wirecard AG im Rahmen der Ad-hoc- und Regelpublizität durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 geklärt werden. Die Teile „C. (Schaden und Kausalität)“ und „D. (Zur Zulässigkeit)“ betreffen damit im Zusammenhang stehende Fragen materiell-rechtlicher und prozessualer Art.

Im Musterverfahren haben verschiedene Beteiligte beantragt, das Verfahren um zahlreiche weitere Feststellungsziele zu erweitern. Über die Zulassung dieser Erweiterungsanträge hat der Senat noch nicht entschieden.

Gegenstand des Musterverfahrens sind derzeit allein die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses mit folgendem Wortlaut:

A.

(Haupttat)

I.

(Zur Frage der Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der Wirecard AG)

1.

Der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2014, veröffentlicht am 07.04.2015, gibt die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wieder, als er

a.

falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthält,

b.

falsche Umsatzerlöse enthält,

c.

die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellt,

d.

die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht und

e.

das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstellt.

2.

Der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2015, veröffentlicht am 08.04.2016, gibt die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wieder, als er

a.

falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthält,

b.

falsche Umsatzerlöse enthält,

c.

die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellt,

d.

die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht und

e.

das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstellt.

3.

Der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2016, veröffentlicht am 05.04.2017, gibt die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wieder, als er

a.

falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthält,

b.

falsche Umsatzerlöse enthält,

c.

die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellt,

d.

die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht und

e.

das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstellt.

4.

Der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2017 veröffentlicht am 11.04.2018, gibt die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wieder, als er

a.

falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthält,

b.

falsche Umsatzerlöse enthält,

c.

die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellt,

d.

die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht und

e.

das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstellt.

5.

Der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2018, veröffentlicht am 24.04.2019, gibt die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wieder, als er

a.

falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthält,

b.

falsche Umsatzerlöse enthält,

c.

die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellt,

d.

die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht und

e.

das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstellt.

6.

Die Wirecard AG und der Beklagte Dr. Markus Braun kannten die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Veröffentlichung.

7.

Die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Wirecard AG und des Beklagten Dr. Markus Braun.

II.

(Zu weiteren Anspruchsvoraussetzungen und zur Klärung der Rechtsfragen)

1.

Der Wirecard AG war spätestens am 07.04.2015 bewusst, dass die Treuhandkonten im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft (Third Party Acquiring) nicht die in den veröffentlichten Konzernbilanzen der Wirecard AG ausgewiesenen Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente Bankguthaben aufwiesen.

a.

Dieser Umstand stellt eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG a.F. dar.

b.

Diese Insiderinformation betraf die Wirecard AG unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG und § 37c Abs. 1 WpHG.

c.

Die Wirecard AG hat es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 1 WpHG a.F. zu veröffentlichen.

d.

Die Unterlassung der Wirecard AG beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

e.

Indem die Wirecard AG die unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt.

f.

Die Unterlassung der Wirecard AG war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne von § 826 BGB.

2.

Die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 stellen Jahresfinanzberichte i. S. d. § 37v WpHG a.F. dar.

a.

§ 37v WpHG a. F. ist Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.

b.

Die Wirecard AG war verpflichtet, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht im Sinne des § 37y WpHG a.F. aufzustellen.

c.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung der Wirecard AG aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v WpHG a.F. liegen sämtlich vor;

d.

die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Beklagten Dr. Markus Braun aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v WpHG a.F. liegen sämtlich vor.

3.

Die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 stellen Jahresabschlüsse i. S. d. § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB dar.

a.

§ 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB sind Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.

b.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung der Wirecard AG aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 331 HGB liegen sämtlich vor.

c.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Beklagten Dr. Markus Braun aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 331 HGB liegen sämtlich vor.

4.

Die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 stellen Gesellschaftsverhältnisse im Sinne des § 400 AktG dar.

a.

§ 400 AktG ist Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.

b.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Beklagten Dr. Markus Braun aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG liegen sämtlich vor.

5.

Der Beklagte Dr. Markus Braun hat als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs der Wirecard AG die Verhältnisse der Wirecard AG im Sinne des § 331 Abs. 2 HGB in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 unrichtig wiedergegeben oder verschleiert.

6.

Der Beklagte Dr. Markus Braun hat als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs der Wirecard AG die Gesellschaftsverhältnisse der Wirecard AG im Sinne des § 400 AktG in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 unrichtig wiedergegeben oder verschleiert.

7.

Der Beklagte Dr. Markus Braun hat als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs der Wirecard AG in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 eine Versicherung entgegen § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB und/​oder § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB nicht richtig abgegeben.

8.

Indem die Wirecard AG die Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 veröffentlicht hat, hat sie sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt. Die Veröffentlichung der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter war auch vorsätzlich im Sinne von § 826 BGB.

9.

Indem der Beklagte Dr. Markus Braun die Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 unterzeichnet und zur Veröffentlichung freigegeben hat, hat er sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt.

Die Veröffentlichung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB.

B.

Zur Frage von Teilnahme

I.

(Zur Frage der Schadensersatzpflicht der Beklagten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach §§ 37b, 37c WpHG a.F. i. V. m. § 830 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 Alt. 2 BGB)

1.

Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat die Verletzung der in den §§ 37b, 37c WpHG a.F. geregelten Publizitätspflichten durch die Wirecard AG objektiv gefördert, indem sie

a.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2014 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2014 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

b.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2015 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2015 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

c.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2016 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2016 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

d.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2017 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2017 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

e.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2018 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2018 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat.

II.

(Zur Frage der Schadensersatzpflicht der Beklagten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Alt. 2 BGB i. V. m. § 37v WpHG a.F.)

1.

Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat die Verletzung der in den §§ 37v WpHG a.F. geregelten Publizitätspflichten durch die Wirecard AG objektiv gefördert, indem sie

a.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2014 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2014 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

b.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2015 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2015 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

c.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2016 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2016 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

d.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2017 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2017 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat,

e.

über die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2018 und des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2018 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat.

III.

(Zur Frage von Vorsatz der Beklagten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)

1.

Indem die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft uneingeschränkten Bestätigungsvermerk über die Prüfung der in Ziff. I.1 und II.1 genannten Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 nach IAS/​IFRS der Wirecard AG erteilt hat, ohne

a.

sich Originalkontoauszüge und Banksaldenbestätigungen zu den Treuhandkonten zeigen zu lassen und/​oder

b.

die Zahlungseingänge auf den Treuhandkonten zu prüfen,

hat sie jeweils billigend in Kauf genommen, dass der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk unrichtig ist.

C.

(Schaden und Kausalität)

Der Kursdifferenzschaden ist ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig.

D.

(Zur Zulässigkeit)

1.

Das Landgericht ist für Klagen gegen die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich zuständig für Ansprüche im Sinne des § 71 Abs. 2 Ziff. 3 GVG.

2.

Schadensersatzansprüche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KapMuG sind Ansprüche im Sinne des § 71 Abs. 2 Ziff. 3 GVG.

Im Vorlageschluss, auf den ergänzend verwiesen wird, wird hinsichtlich des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts und der darauf gestützten Vorwürfe ausgeführt:

Die Wirecard AG habe in Ländern, in denen sie keine Lizenz als Zahlungsdienstleister gehabt habe, mit Partnerunternehmen zusammengearbeitet, um Zahlungen abzuwickeln. Die zugrunde liegenden Verträge hätten vorgesehen, dass die Partnerunternehmen Kreditkartentransaktionen für Kunden abwickelten, die durch die Wirecard AG vermittelt worden seien. Diese habe sich vertraglich gegenüber den Partnerunternehmen dazu verpflichtet, letztere von Vermögensverlusten, insbesondere solchen aus der Rückabwicklung von Zahlungsvorgängen aus Kreditkartentransaktionen, schadlos zu halten. Die Besicherung habe über treuhänderisch verwaltete „Barsicherheiten“ auf Treuhandkonten erfolgen sollen. Das „Third Party Acquiring“ (TPA) sei über die Wirecard UK & Ireland Ltd. mit Sitz in Dublin, die Wirecard Technologies GmbH mit Sitz in Aschheim sowie die Cardsystems Middle East FZ LLC mit Sitz in Dubai abgewickelt worden. Diese Gesellschaften hätten das TPA-Geschäft mit den Partnern Al Alam Solution Provider FZ-LLC mit Sitz in Dubai, Senjo Payments Asia Pte. Ltd. mit Sitz in Singapur sowie PayEasy Solutions Inc. mit Sitz in Metro Manila betrieben.

Im Rahmen des TPA-Geschäfts seien Umsatzerlöse von Wirecard fingiert worden. Im Geschäftsjahr 2015 hätten sich fingierte Gelder in Höhe von 113,5 Mio. Euro auf Treuhandkonten befunden; darüber hinaus seien 250 Mio. Euro an Forderungen fingiert gewesen. Damit sei der Geschäftsbericht des Jahres 2015 grob unrichtig gewesen. Fingierte Umsatzerlöse und fingierte Forderungen hätten in den Folgejahren zugenommen. Für das Geschäftsjahr 2016 seien „Anlage-(Brutto-)Umsatzerlöse“ in Höhe von ca. 541 Mio. Euro gegenüber den drei genannten TPA-Partnern fingiert gebucht worden, für das Geschäftsjahr 2017 917,63 Mio. Euro sowie für das Geschäftsjahr 2018 1.302,221 Mio. Euro. Im Jahr 2020 hätten sich schließlich allein auf den Treuhandkonten fingierte 1,9 Mio. (recte: Mrd.) Euro befunden.

Für betrügerische Handlungen der Wirecard AG sei der Musterbeklagte zu 1) als deren Vorstandsvorsitzender verantwortlich.

Die Musterbeklagte zu 2) habe ihre Aufgabe als Abschlussprüferin unter Verletzung der Prüfungsstandards nicht ausreichend wahrgenommen. Die hohen Gewinne von „Wirecard“ mit dem TPA-Geschäft seien unplausibel gewesen. In Singapur sei eine Treuhänderin namens Citadelle Corporate Services Pte. Ltd. eingesetzt gewesen, deren Inhaber in Singapur eine Tanzbar betrieben habe. Die Musterbeklagte zu 2) habe die Verlässlichkeit des Treuhänders nicht hinterfragt. Sie habe im Jahr 2015 selbst gegenüber der Wirecard AG angeregt, „das Problem nicht bezahlter Forderungen“ mithilfe von Treuhandkonten zu lösen, und gleichzeitig „diese Gelder auf den Treuhandkonten“ als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente akzeptiert. Dadurch sei für bilanzkundige Leser der unzutreffende Eindruck entstanden, dass Wirecard über eine große Menge „an Bargeld“ verfüge. Zudem seien die Treuhandkonten falsch bilanziert gewesen. Von 2016 bis 2018 habe die Wirecard AG keine Saldenbestätigungen für Treuhandkonten über rund 1 Mrd. Euro vorlegen können. Die Musterbeklagte zu 2) habe öffentlich geäußerte Vorwürfe ignoriert. Sie habe nicht einmal die Echtheit und Existenz von Kontoauszügen von Treuhandkonten bzw. Banksaldenbestätigungen geprüft. Risiken sowie das unangemessene Risikomanagementsystem für das TPA-Geschäft habe sie niemals hinterfragt.

In Bezug auf das „Indien-Geschäft von Wirecard“ habe ein Informant im Jahr 2016 die Musterbeklagte zu 2) über massive Unregelmäßigkeiten in Kenntnis gesetzt, insbesondere davon, dass leitende Mitarbeiter von „Wirecard“ möglicherweise Betrug begangen haben könnten. Unter dem Codenamen „Projektring“ habe die Musterbeklagte zu 2) eine Untersuchung durch ihr „EY Fraud Team“ durchgeführt; die Feststellungen des Fraud Teams seien vom Prüfungsteam der Musterbeklagten zu 2) für das Jahr 2017 nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Dem Verdacht hätte die Musterbeklagte zu 2) weiter nachgehen müssen, insbesondere hätte sie über diese Angelegenheit im Bestätigungsvermerk Angaben machen und aufklären müssen. Auch hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es „Wirecard“ an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe. Die Musterbeklagte zu 2) habe der Wirecard AG vorsätzlich für die Jahre 2015 bis 2018 falsche Bestätigungsvermerke erteilt.

Verwiesen werde klägerseits unter anderem auf den „Abschlussbericht des dritten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags vom 22.06.2021“ einschließlich des von den Ermittlungsbeauftragten erstellten sogenannten „Wambach-Berichts“ und auf den im Auftrag der Wirecard AG erstellten sogenannten KPMG-Bericht.

In rechtlicher Hinsicht wird in der Begründung des Vorlagebeschlusses in Bezug auf die Zulässigkeit der zugrunde liegenden Musterfeststellungsanträge ausgeführt, der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes sei eröffnet, weil es sich bei den Geschäftsberichten 2014 bis 2018 und den Bestätigungsvermerken um öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne von § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 KapMuG (a. F.) handele.

Der Senat hat mit Beschluss vom 13. März 2023 darauf hingewiesen, dass die in den Vorlagebeschluss aufgenommenen Feststellungsziele – auch in der gebotenen Gesamtschau mit der Darstellung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts – jedenfalls zum Teil nicht hinreichend bestimmt sein dürften.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2024 hat der Senat angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts München I vom 14. März 2022 (Az.: 3 OH 2767/​22 KapMuG) abgesondert verhandelt wird, und dies durch Veröffentlichung im Klageregister am 10. Juni 2024 bekannt gemacht. Der Termin zur abgesonderten Verhandlung wurde am 10. Juni 2024, der Ort der Verhandlung am 10. September 2024 festgelegt und durch Veröffentlichung im Klageregister am 10. Juni 2024 bzw. 16. September 2024 bekannt gemacht.

Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2024 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

B.

Der Senat weist die unstatthaften oder aus anderen Gründen unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses durch einen Teil-Musterentscheid zurück. Der Teil-Musterentscheid ergeht nicht gegenüber dem Musterbeklagten zu 7), gegen den das Musterverfahren aufgrund des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ursprünglichen Musterbeklagten zu 7) unterbrochen ist (§ 3 Abs. 1 EGZPO i. V. m. § 240 ZPO), und entfaltet keine Bindungswirkung für die gegen die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7) eingeleiteten und nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Ausgangsverfahren.

Die im Tenor unter Ziffer I aufgeführten Feststellungsziele sind unstatthaft. Die Feststellungsziele in Abschnitt B des Vorlagebeschlusses sind jeweils auf die Feststellung anspruchsbegründender Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen gegen die Musterbeklagte zu 2) im Zusammenhang mit der im Rahmen von Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB erfolgten Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 gerichtet, welche nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen. Entsprechendes gilt für das Feststellungsziel C, soweit die begehrte Feststellung sich auf Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) bezieht. Unstatthaft ist auch das Feststellungsziel A II 4 a, soweit es auf die Feststellung gerichtet ist, dass § 400 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AktG a. F. Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen, denn die zugrunde liegenden Schadensersatzansprüche fallen nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes.

Die unter Ziffer II des Tenors genannten Feststellungsziele sind unzulässig. Sie genügen entweder nicht den Bestimmtheitsanforderungen oder für die begehrte Feststellung fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis oder es handelt sich nicht um taugliche Feststellungsziele im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F.

I.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für das vorliegende Kapitalanleger-Musterverfahren, auf das das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in seiner bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung anwendbar ist, zuständig.

1.

Auf das Musterverfahren ist gemäß § 30 Abs. 2 KapMuG das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in seiner bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung anzuwenden. Denn der zugrunde liegende Musterverfahrensantrag ist nach der in der Begründung des Vorlagebeschlusses mitgeteilten Verfahrensgeschichte am 13. Juli 2021 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag 20. Juli 2024 beim Landgericht München I eingegangen. Entsprechendes gilt für den Antrag vom 11. August 2021, mit dem der Musterverfahrensantrag um weitere Feststellungsziele erweitert worden ist.

2.

Hinsichtlich des in Österreich ansässigen Musterbeklagten zu 1) ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Februar 2024, XI ZB 33/​21, NZG 2024, 837 Rn. 25), aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO. Soweit der Musterkläger und die Beigeladenen in den gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Ausgangsverfahren Schadensersatzansprüche gegen den Musterbeklagten zu 1) geltend machen, handelt es sich dabei um Ansprüche aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Zuständigkeitsregel des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO autonom und eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 12. Mai 2021, C-709/​19, NZG 2021, 842 Rn. 24 – Vereniging van Effectenbezitters). Erfasst wird jede Klage, mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen „Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO anknüpft (vgl. EuGH, Urt. v. 12. September 2018, C-304/​17, juris Rn. 19 – Löber; BGH NZG 2024, 837 Rn. 27 jeweils m. w. N.).

Der besondere Gerichtsstand gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO knüpft an den Ort an, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Damit ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, weshalb ein Beklagter nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (EuGH NZG 2021, 842 Rn. 26 – Vereniging van Effectenbezitters). Der Handlungsort, der „Ort des ursächlichen Geschehens“, liegt dort, wo die Handlung ganz oder teilweise ausgeführt wurde oder deren Ausführung unmittelbar bevorsteht (BGH NZG 2024, Rn. 29; Thode in BeckOK ZPO, 55. Ed. Stand: 1. Dezember 2024, Art. 7 Brüssel Ia-VO Rn. 84). Im Fall von Unterlassungsdelikten liegt der Handlungsort an dem Ort, an dem die Handlung hätte vorgenommen werden müssen (Thode a. a. O.).

b)

Im vorliegenden Fall liegt der Handlungsort, an dem der Musterbeklagte zu 1) die ihm nach den Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses zur Last gelegten Handlungen vorgenommen oder gebotene Handlungen pflichtwidrig unterlassen haben soll, in Deutschland. Der Musterbeklagte zu 1) hat als damaliger Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG die Konzernabschlüsse der Gesellschaft für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 sowie die Konzernlageberichte für diese Geschäftsjahre jeweils am Sitz der Gesellschaft in Aschheim, Bayern, unterzeichnet und zur Veröffentlichung freigegeben. Dort hat er auch die gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen abgegeben, der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht vermittelten jeweils ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild des Konzerns (vgl. Anlagen K 25a S. 236 und 239; K 25b S. 259 und 262; K 25c S. 271 und 274; K 25d S. 288 und 300; K 25e S. 217 und 227). Eine Ad-hoc-Mitteilung hätte ebenfalls am Sitz der Gesellschaft veranlasst werden müssen. Auf den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (vgl. EuGH NZG 2021, 842 Rn. 30 ff. – Vereniging van Effectenbezitter; vgl. auch Stadler/​Krüger in Musielak/​Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, EuGVVO Art. 7 Rn. 19c) kommt es somit nicht an.

3.

Die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts ergibt sich aus § 30 Abs. 2 KapMuG in Verbindung mit § 6 Abs. 6 Satz 1 und 2 KapMuG a. F., § 3 Nr. 23 der Verordnung über die Zuständigkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen (Delegationsverordnung – DelV) in der vom 1. Mai 2019 bis 30. April 2021 geltenden Fassung sowie § 8 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz (Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz – GZVJu) in der durch Änderungsverordnung vom 6. April 2020 (GVBl. S. 205) geänderten Fassung. Auf den Senatsbeschluss vom 28. Februar 2025 wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Entgegen der von der Musterbeklagten zu 2) im Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 vertretenen Ansicht ist das Musterverfahren nicht deshalb insgesamt unzulässig, weil keine zehn gleichgerichteten Musterverfahrensanträge gegen den Musterbeklagten zu 1) vorgelegen hätten oder die Klage in dem Ausgangsrechtsstreit vor dem Landgericht München I mit dem Aktenzeichen 3 O 5875/​20, in dem der Musterverfahrensantrag gestellt worden ist, unschlüssig und der Ausgangsrechtsstreit damit entscheidungsreif gewesen wäre. Die Überprüfung der damit als fehlend gerügten Vorlagevoraussetzungen ist dem für das Musterverfahren zuständigen Gericht aufgrund seiner Bindung an den Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F.) entzogen.

Nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers soll das mit einem Musterverfahren befasste Gericht nicht dazu berufen sein, die Vorlagevoraussetzungen zu prüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 9. März 2017, III ZB 135/​15, WM 2017, 706 Rn. 9 unter Verweis auf BT-Drs. 15/​5091, S. 23 zu § 4 Abs. 1 Satz 2 KapMuG in der bis 1. November 2012 gültigen Erstfassung; Reuschle in Wieczorek/​Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 6 KapMuG Rn. 25). Für die am 1. November 2012 in Kraft getretene Neufassung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ist ein geänderter Wille des Gesetzgebers nicht zu erkennen (BGH a. a. O. unter Verweis auf BT-Drs. 17/​8799, S. 19 f.).

III.

Die mit Senatsbeschluss vom 5. Juni 2024 getroffene Anordnung, dass über die Zulässigkeit der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts München I vom 14. März 2022 (Az.: 3 OH 2767/​22 KapMuG) abgesondert verhandelt wird, findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. in Verbindung mit § 280 Abs. 1 ZPO analog. Auf das Musterverfahren sind die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 253 ff. ZPO) entsprechend anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 280 ZPO wird in § 11 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. nicht von der Anwendbarkeit ausgenommen.

IV.

Die im Musterverfahren nicht statthaften oder aus anderen Gründen unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses können durch Teil-Musterentscheid zurückgewiesen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass Verfahrensbeteiligte die Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele beantragt haben und der Senat über diese Erweiterungsanträge noch nicht durch Beschluss nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. entschieden hat. Die weiteren Feststellungsziele, um die das Musterverfahren nach den Anträgen mehrerer Verfahrensbeteiligter erweitert werden soll, sind derzeit nicht Gegenstand des Musterverfahrens.

1.

Im Musterverfahren ist ein Teil-Musterentscheid gemäß § 11 Abs. 1 KapMuG a. F. in Verbindung mit § 301 Abs. 1 ZPO grundsätzlich zulässig (BGH, Beschl. v. 21. Juli 2020, II ZB 19/​19, ZIP 2020, 1879 Rn. 17 ff.; Kruis in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 11 KapMuG Rn. 63; Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 133). Die Anwendung von § 301 ZPO ist nicht gemäß § 11 Abs. 1 KapMuG a. F. von dem allgemeinen Verweis auf die für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung ausgenommen (BGH ZIP 2020, 1879 Rn. 18 m. w. N.).

2.

Der Erlass einer Teilentscheidung im Sinne von § 301 ZPO setzt voraus, dass der Streitgegenstand teilbar ist. Die Frage der Teilbarkeit des Streitgegenstands stellt sich bei einer Entscheidung über einzelne Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses deshalb nicht, weil jedes Feststellungsziel im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. einen eigenen Streitgegenstand des Musterverfahrens bildet (vgl. BGH ZIP 2020, 1879 Rn. 19; Beschl. v. 19. September 2017, XI ZB 17/​15, BGHZ 216, 37 Rn. 32; Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 5).

Seit der Neufassung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom 19. Oktober 2012 wird der Streitgegenstand eines Musterverfahrens durch das in § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. legaldefinierte Feststellungsziel bestimmt, das der Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 KapMuG a. F.) formuliert hat oder das durch einen Erweiterungsbeschluss (§ 15 Abs. 1 KapMuG a. F.) zum Gegenstand des Musterverfahrens geworden ist (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 32 m. w. N.). Der Gesetzgeber hielt zwar unter Verweis auf unterschiedliche Ansichten in der damaligen Literatur die Frage, was der Gegenstand des Musterverfahrens sei, für noch nicht abschließend geklärt (vgl. BT-Drs. 17/​8799 S. 23). Diese Klärung ist aber nunmehr durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgt. Entsprechend dem Zweck des Musterverfahrens, die in den einzelnen Feststellungszielen unterbreiteten Fragen mit Bindungswirkung für die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Verfahren zu klären (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KapMuG a. F.), bildet jedes Feststellungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F., also jede gesondert begehrte Feststellung zum Vorliegen oder Nichtvorliegen einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung oder zur Klärung einer Rechtsfrage, ein gesondertes Rechtsschutzbegehren und mithin einen eigenständigen Streitgegenstand des Musterverfahrens (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 32).

3.

Soweit die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses unstatthaft oder aus anderen Gründen unzulässig sind, ist das vorliegende Musterverfahren entscheidungsreif.

Entgegen der Ansicht des Musterbeklagten zu 8) ist das Musterverfahren nicht insgesamt entscheidungsreif; denn die mit dem Teil-Musterentscheid nicht zurückgewiesenen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sind zulässig (dazu IX.). Einer Entscheidung über die zulässigen Feststellungsziele in der Sache steht der Verfahrensstand entgegen (dazu b]).

a)

Der Senat ist nicht verpflichtet, durch einen Zwischenentscheid über die Zulässigkeit der nicht durch den Teil-Musterentscheid zurückgewiesenen Feststellungsziele zu entscheiden. Da das für das Musterverfahren zuständige Gericht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. an den Vorlagebeschluss gebunden ist, besteht für einen die Zulässigkeit von Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses bestätigenden Zwischenentscheid kein Bedürfnis (Kruis in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 11 KapMuG Rn. 50).

b)

Eine Entscheidung über die zulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses in der Sache ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht möglich, weil gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. ein Musterentscheid nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen kann (vgl. Reuschle in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 16 KapMuG Rn. 11; Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 16 Rn. 7). Gegenstand der mündlichen Verhandlung war aber lediglich die Zulässigkeit der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. i. V. m. § 280 Abs. 1 ZPO analog). Im weiteren Verfahren geht es im Übrigen nicht nur um die vom Senat als zulässig beurteilten Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, sondern insbesondere um die Entscheidung über die gestellten Erweiterungsanträge.

4.

Die Zurückweisung der unstatthaften oder aus anderen Gründen unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses durch einen Teil-Musterentscheid ist auch nicht im Hinblick auf die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im weiteren Verlauf des vorliegenden Musterverfahrens unzulässig (vgl. hierzu BGH ZIP 2020, 1879 Rn. 19; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12. August 2019, 3 Kap 1/​16, ZIP 2019, 1829 [juris Rn. 37]; Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 11 Rn. 135).

a)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn der betroffene Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 27. März 2024, VI ZB 50/​22, NJW-RR 2024, 799 Rn. 10). Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (vgl. BGH, Urt. v. 25. September 2024, IV ZR 350/​22, WM 2024, 2009 Rn. 11; Urt. v. 20. Dezember 2022, VI ZR 375/​21, BGHZ 236, 42 Rn. 11 m. w. N.; Elzer in BeckOK ZPO, § 301 Rn. 17). Ein Teilurteil ist demnach grundsätzlich nur zulässig, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie der Streit über den Rest ausgeht; in dem zu erwartenden Schlussurteil darf deshalb nicht dieselbe konkrete Vorfrage wie in dem durch Teilurteil erledigten Verfahrensteil von Bedeutung sein (vgl. Musielak/​Hüntemann in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 301 Rn. 17; Althammer in Stein/​Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 301 Rn. 14).

Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche etwa dann, wenn sie prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt oder materiell-rechtlich miteinander verzahnt sind (vgl. BGH, Urt. v. 1. Juli 2020, VIII ZR 232/​18, NJW-RR 2020, 956 Rn. 19; Urt. v. 11. Mai 2011, VIII, ZR 42/​10, BGHZ 189, 356 Rn. 14; Urt. v. 7. November 2006, X ZR 149/​04, NJW 2007, 156 Rn. 12; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 123/​03, BGHZ 157, 133 [juris Rn. 20]). Eine materiell-rechtliche Verzahnung hindert allerdings nicht in jedem Fall den Erlass eines Teilentscheids. Ist beispielsweise eine Klage gegen mehrere einfache Streitgenossen erhoben worden und fehlt es bezüglich eines von ihnen an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, kann dieser Streitgenosse durch Teilurteil aus dem Prozess entlassen werden (BGH, Urt. v. 24. Februar 2015, VI ZR 279/​14, ZIP 2015, 1090 Leitsatz 1).

b)

Hinsichtlich der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, die der Senat durch den Teil-Musterentscheid als unstatthaft oder unzulässig zurückweist, besteht zwar insoweit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im weiteren Verlauf des Musterverfahrens, als der Teilentscheid nicht gegen den Musterbeklagten zu 7) ergeht. Bei einer etwaigen Aufnahme des derzeit gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO i. V. m. § 240 ZPO unterbrochenen Musterverfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) durch Wiederaufnahme von mindestens einem der ausgesetzten Ausgangsverfahren gegen die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7) nach den Vorschriften der Insolvenzordnung hat der Senat in diesem Prozessrechtsverhältnis erneut über die zurückgewiesenen Feststellungsziele zu entscheiden. In dem vorliegenden Fall einer Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenz eines einfachen Streitgenossen ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber eine Teilentscheidung gegen die übrigen Streitgenossen ohne Rücksicht auf die Gefahr eines Widerspruchs zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 2011, VIII ZR 42/​10, BGHZ 189, 356 Rn. 17 m. w. N.).

c)

In Bezug auf diejenigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, über die der Senat im Rahmen des Teil-Musterentscheids nicht entscheidet, kann die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im weiteren Verlauf des Musterverfahrens ausgeschlossen werden.

aa) Mit dem Teil-Musterentscheid weist der Senat sämtliche Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, mit denen anspruchsbegründende Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden sollen, als unstatthaft zurück, weil Schadensersatzansprüche gegen diese Musterbeklagte wegen Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 KapMuG a. F. fallen (dazu V.).

(1) Alle Feststellungsziele, deren Zulässigkeit von der Beantwortung der identischen Vorfrage abhängt, sind Gegenstand der abweisenden Teil-Entscheidung. Diejenigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, über deren Zulässigkeit der Senat mit dem Teil-Musterentscheid nicht entscheidet, werden von diesem Unzulässigkeitsgrund nicht erfasst; denn diese Feststellungsziele betreffen nicht die Musterbeklagte zu 2).

(2) Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht insoweit auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit, dass das Rechtsmittelgericht die Statthaftigkeit der gegen die Musterbeklagte zu 2) gerichteten Feststellungsziele bejahen könnte. Sollte der Bundesgerichtshof auf die Rechtsbeschwerde eines Verfahrensbeteiligten den Ausspruch unter Ziffer I des Teil-Musterentscheids aus diesem Grund aufheben, hätte dies zur Folge, dass im vorliegenden Musterverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs erneut über sämtliche die Musterbeklagte zu 2) betreffenden Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses zu entscheiden wäre.

(3) Mit der Zurückweisung sämtlicher Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, mit denen anspruchsbegründende Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden sollen, durch einen Teil-Musterentscheid setzt der Senat sich auch nicht in Widerspruch zu den tragenden Erwägungen seines Beschlusses vom 13. Mai 2024, mit dem er die Anträge mehrerer Verfahrensbeteiligter auf Abtrennung des Verfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2) nach § 145 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen hatte. Dort hatte der Senat ausgeführt, dass das Interesse an einer beschleunigten Entscheidung abtrennbarer Teile eines Rechtsstreits grundsätzlich als sachlicher Grund für eine Prozess-trennung anzuerkennen sei, jedoch im Fall einer Abtrennung des Musterverfahrens, soweit es sich gegen die Musterbeklagte zu 2) richtet, die Feststellungsziele des Abschnitts A und B des Vorlagebeschlusses in beiden Musterverfahren zu prüfen wären, weil die Feststellungsziele des Abschnitts A anspruchsbegründende Voraussetzungen sowohl für eine Haftung des Musterbeklagten zu 1) als auch für eine Haftung der Musterbeklagten zu 2) darstellten und Feststellungen aus den Feststellungszielen des Abschnitts A inzident in den Feststellungszielen des Abschnitts B enthalten seien. Um eine Teilentscheidung lediglich in Richtung gegen einzelne Musterbeklagten geht es jedoch – den Musterbeklagten zu 7) ausgenommen – vorliegend nicht. Anders als im Fall der Abtrennung entsteht infolge des Erlasses des Teil-Musterentscheids kein der Sperrwirkung des § 7 KapMuG a. F. widersprechendes konkurrierendes erstinstanzliches Musterverfahren; vielmehr ergeht über sämtliche Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, die sich gegen die Musterbeklagte zu 2) richten, eine die erste Instanz abschließende Entscheidung gegenüber allen Musterbeklagten, soweit das Verfahren nicht infolge Insolvenz einzelner von ihnen unterbrochen ist. Zwar trennt ein Teilurteil einen Prozess in zwei selbstständige Verfahren (BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997, VII ZR 299/​95, NJW 1998, 686 [juris Rn. 12]; Feskorn in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 301 Rn. 22). Sollte der Bundesgerichtshof auf die Rechtsbeschwerde eines Verfahrensbeteiligten hin die Statthaftigkeit der gegen die Musterbeklagte zu 2) gerichteten Feststellungsziele bejahen, hätte dies aber lediglich zur Folge, dass diese wieder Gegenstand des vorliegenden Musterverfahrens werden. Auch soweit der Senat mit dem Teil-Musterentscheid das Feststellungsziel C des Vorlagebeschlusses, mit dem anspruchsbegründende Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen mehrere Musterbeklagte festgestellt werden sollen, nur insoweit zurückweist, als anspruchsbegründende Voraussetzungen für gegen die Musterbeklagte zu 2) gerichtete Schadensersatzansprüche festgestellt werden sollen, begründet dies deshalb nicht die Gefahr divergierender Entscheidungen.

bb) Bei der Entscheidung über die Zurückweisung eines Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses mangels hinreichender Bestimmtheit (dazu VII.) stellen sich keine Vorfragen, die erneut bei der Beurteilung der Zulässigkeit oder gar Begründetheit derjenigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses zu beantworten wären, über die im Rahmen des Teil-Musterentscheids keine Entscheidung ergeht.

(1) Für jedes Feststellungsziel ist gesondert zu prüfen, ob es den Bestimmtheitsanforderungen (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, II ZB 31/​14, WM 2021, 285 Rn. 66; BGHZ 216, 37 Rn. 64) genügt. Dabei ist zwar ein einheitlicher Maßstab anzulegen; der einheitliche Prüfungsmaßstab verbindet die Feststellungsziele aber nicht im Sinne einer gemeinsamen, einheitlich zu beantwortenden Vorfrage, die einem Teilentscheid entgegenstünde. Der Umstand, dass sich bei der Entscheidung über mehrere prozessuale Ansprüche jeweils dieselbe abstrakte Rechtsfrage stellt, steht für sich genommen einem Teilurteil nicht entgegen, solange die Entscheidung über einen Anspruch nicht davon abhängig ist, wie über einen anderen Anspruch entschieden wird (vgl. BGHZ 157, 133 [juris Rn. 20]; Althammer in Stein/​Jonas, ZPO, § 301 Rn. 18).

Die Bestimmtheit eines Feststellungsziels hängt im Regelfall nicht davon ab, ob ein anderes Feststellungsziel den Bestimmtheitsanforderungen genügt. Soweit der Senat die Bestimmtheit einzelner Feststellungsziele deshalb verneint, weil diese inhaltlich auf andere, ihrerseits zu unbestimmte Feststellungsziele Bezug nehmen, besteht keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, weil mit dem Teil-Musterentscheid alle von demselben Mangel betroffenen Feststellungsziele als unzulässig zurückgewiesen werden.

(2) Auch die Möglichkeit, dass das Rechtsmittelgericht ein vom Senat als unzulässig zurückgewiesenes Feststellungsziel für hinreichend bestimmt halten könnte, begründet nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im weiteren Verlauf des Musterverfahrens. Eine Aufhebung der zurückweisenden Entscheidung des Senats hätte lediglich zur Folge, dass über die hiervon betroffenen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses in der Sache zu befinden ist.

cc) Die Frage, ob trotz der Bindung des für das Musterverfahren zuständigen Gerichts an den Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz KapMuG a. F.) für ein darin enthaltenes Feststellungsziel das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist ebenfalls für jedes Feststellungsziel eigenständig zu beantworten. Auch insoweit verbindet der gebotene einheitliche Prüfungsmaßstab die verschiedenen Feststellungsziele nicht im Sinne einer einheitlich zu beantwortenden Vorfrage, weshalb die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vorliegend nicht besteht. Eine identische Vorfrage, die sich in diesem Zusammenhang für mehrere Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses stellen würde, gibt es nicht.

dd) Mit dem Teil-Musterentscheid weist der Senat das Feststellungsziel A II 4 a des Vorlagebeschlusses als unstatthaft zurück, soweit die Schutzgesetzeigenschaft von § 400 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AktG a. F. geklärt werden soll (dazu VI.). Denn insoweit wird mit dem Feststellungsziel die Klärung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen gegen den Musterbeklagten zu 1) begehrt, die an Falschangaben gegenüber Prüfern anknüpfen und mangels eines unmittelbaren Bezugs zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen. Diejenigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses, die mit dem Teil-Musterentscheid nicht zurückgewiesen werden, sind von diesem Unzulässigkeitsgrund nicht betroffen.

ee) Entsprechendes gilt, soweit der Senat einzelne Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses deshalb als unzulässig zurückweist, weil diese der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs als solchen gleichkommen und daher kein taugliches Feststellungsziel im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. darstellen (dazu VII. 3. b] aa], d] und f]).

d)

Die von den Verfahrensbeteiligten bereits beantragten weiteren Feststellungsziele stehen dem Erlass eines Teil-Musterentscheids, durch den die unstatthaften oder aus anderen Gründen unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses zurückgewiesen werden, nicht entgegen.

aa) Die Frage, ob bei der Prüfung der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im weiteren Verlauf des Musterverfahrens auch die weiteren Feststellungsziele in den Blick zu nehmen sind, um die das Musterverfahren auf Antrag eines Beteiligten erst noch durch Beschluss gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. erweitert werden soll, ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden; sie wird auch in der Kommentarliteratur nicht problematisiert.

Weitere Feststellungsziele werden erst mit Erlass des Erweiterungsbeschlusses gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. Gegenstand des Musterverfahrens (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2021, XI ZB 27/​19, BGHZ 230, 240 Rn. 22; BGHZ 216, 37 Rn. 32; a. A. Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 15 Rn. 26: erst mit der öffentlichen Bekanntmachung des weiteren Feststellungsziels). Im Verhältnis zu bereits beantragten, aber nicht verfahrensgegenständlichen weiteren Feststellungszielen trägt ein Teil-Musterentscheid über einzelne Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses deshalb nicht den Charakter einer Teilentscheidung. Der Vorschrift des § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. lässt sich auch nicht entnehmen, dass das Gericht verpflichtet wäre, vor einer Entscheidung über Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses zunächst über sämtliche von den Verfahrensbeteiligten gestellten Erweiterungsanträge zu befinden.

Andererseits ist das Musterverfahren um ein beantragtes weiteres Feststellungsziel als weiteren Streitgegenstand zu erweitern, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. vorliegen. Mit Eingang des Erweiterungsantrags steht fest, dass das Gericht über diesen zu entscheiden hat. Soll das Musterverfahren um ein weiteres Feststellungsziel erweitert werden, das von derselben Vorfrage abhängt wie ein bereits verfahrensgegenständliches Feststellungsziel, das Gegenstand eines Teil-Musterentscheids sein soll, könnte im weiteren Verlauf des Musterverfahrens die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen entstehen.

bb) Ob bei der Prüfung der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auch nicht verfahrensgegenständliche, aber bereits beantragte weitere Feststellungsziele in den Blick zu nehmen sind, kann im vorliegenden Fall allerdings dahinstehen. Denn die beantragten weiteren Feststellungsziele stehen im Streitfall einem Teil-Musterentscheid nicht entgegen, durch den Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses als unstatthaft oder aus anderen Gründen unzulässig zurückgewiesen werden.

Unzutreffend ist die Rechtsansicht, ein Teil-Musterentscheid über Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sei unzulässig, weil diese sich inhaltlich mit bereits beantragten weiteren Feststellungszielen überlappten und die Entscheidung über derart miteinander verzahnte Feststellungsziele nicht formal aufgespalten werden dürfe; dies gelte insbesondere für Erweiterungsanträge, welche die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses konkretisierten.

(1) Mit der materiell-rechtlichen Verzahnung zwischen einem mangels inhaltlicher Bestimmtheit unzulässigen Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses und einem zu dessen Konkretisierung beantragten weiteren Feststellungsziel lässt sich eine Verpflichtung des Gerichts zur gleichzeitigen Entscheidung über diese beiden Feststellungsziele nicht begründen. Denn mit der Zurückweisung des zu unbestimmt gefassten Feststellungsziels als unzulässig ergeht über dieses keine Sachentscheidung, weshalb die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in der Sache von vornherein nicht besteht.

(a) Lässt sich der durch ein Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses umschriebene Streitgegenstand nicht im Wege der Auslegung ermitteln, so hat das für das Musterverfahren zuständige Gericht entsprechend § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf diesen Umstand hinzuweisen. Konkretisiert ein Verfahrensbeteiligter auf diesen Hinweis hin das Feststellungsziel, so macht das Gericht auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. ein nunmehr bestimmt gefasstes weiteres Feststellungsziel zum Gegenstand des Musterverfahrens, wenn die weiteren Voraussetzungen nach dieser Vorschrift erfüllt sind. Eines Beschlusses nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. bedarf es in diesem Fall, weil die im Kapitalanleger-Musterverfahren angelegte Begrenzung des Musterverfahrens auf die für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Fragen unterlaufen würde, wenn die Beteiligten des Musterverfahrens ein nicht hinreichend bestimmtes Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses allein durch ihren Vortrag im Musterverfahren näher ausformen könnten (vgl. BGHZ 230, 240 Rn. 22). Das zu unbestimmt formulierte Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses ist dagegen ohne Sachentscheidung als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Mai 2023, XI ZB 30/​20, ZIP 2023, 1683 Rn. 51; BGHZ 230, 240 Rn. 26; BGHZ 216, 37 Rn. 66; Beschl. v. 10. Juli 2018, II ZB 24/​14, ZIP 2018, 2307 Rn. 121; Beschl. v. 9. Januar 2018, II ZB 14/​16, ZIP 2018, 578 Rn. 56).

In seinem Beschluss vom 19. September 2017 (BGHZ 216, 37) führt der Bundesgerichtshof zwar aus, dass ein zu unbestimmt formuliertes Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses „nach erfolglos erteiltem Hinweis (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechend)“ ohne Sachentscheidung als unzulässig zurückzuweisen ist (BGH a. a. O. Rn. 66). Das heißt aber nur, dass eine Zurückweisung des Feststellungsziels nicht vor der Erteilung eines entsprechenden Hinweises erfolgen darf, um den Verfahrensbeteiligten eine Konkretisierung des unbestimmt formulierten Feststellungsziels zu ermöglichen. Der erforderliche Hinweis ist mit Beschluss vom 13. März 2023 sowie durch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung erfolgt. Dagegen sind die Ausführungen des Bundesgerichtshofs nicht dahin zu verstehen, dass eine Zurückweisung des zu unbestimmt formulierten Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses als unzulässig ausgeschlossen ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter auf den erteilten Hinweis hin das Feststellungsziel konkretisiert. Denn auch die nachträgliche Präzisierung eines Feststellungsziels kann nur im Wege einer Erweiterung des Musterverfahrens nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. um ein weiteres nunmehr hinreichend bestimmt formuliertes Feststellungsziel erfolgen (vgl. BGH WM 2021, 285 Rn. 68 m. w. N.).

(b) Nach diesen Grundsätzen hindert eine materiell-rechtliche Verzahnung zwischen einem zu unbestimmt gefassten Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses und einem der Konkretisierung dieses Feststellungsziels dienenden weiteren Feststellungsziel im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. die Zurückweisung des unzulässigen Feststellungsziels durch einen Teil-Musterentscheid nicht. Denn die materiell-rechtliche Verzahnung zwischen den beiden Feststellungszielen kann nur im Rahmen einer Entscheidung in der Sache von Bedeutung sein. Mit der Konkretisierung wird das im Vorlagebeschluss enthaltene zu unbestimmte Feststellungsziel – im Sinne des damit verfolgten Rechtsschutzbegehrens – zwar nicht geändert, sondern lediglich präzisiert (vgl. BGH ZIP 2018, 2307 Rn. 153). Auch die nachträgliche Präzisierung eines Feststellungsziels geschieht aber dadurch, dass anstelle des zu unbestimmt formulierten Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses gemäß § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. ein nunmehr bestimmt gefasstes weiteres Feststellungsziel zum Gegenstand des Musterverfahrens gemacht wird (BGH WM 2021, 285 Rn. 68 m. w. N.). Dagegen kann das zu unbestimmt formulierte Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses nicht dadurch präzisiert werden, dass es um einzelne Satzteile oder Wörter aus den Erweiterungsanträgen ergänzt wird; eine solche Vorgehensweise wäre mit der Bindung des für das Musterverfahren zuständigen Gerichts an den Vorlagebeschluss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. nicht vereinbar (vgl. BGHZ 230, 240 Rn. 23 ff.). Eine Sachentscheidung kann somit nur über das zum Gegenstand des Musterverfahrens gewordene weitere Feststellungsziel ergehen, weshalb die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in der Sache von vornherein ausgeschlossen ist.

(c) Die Gefahr einander widersprechender Sachentscheidungen im weiteren Verlauf des Musterverfahrens besteht auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht. Sollte der Bundesgerichtshof die hinreichende Bestimmtheit eines vom Senat als unzulässig zurückgewiesenen Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses bejahen, würde dieses wieder Gegenstand des vorliegenden Musterverfahrens werden. In diesem Fall wäre die materiell-rechtliche Verzahnung der beiden Feststellungsziele bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

Ebenso wenig besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Senat in Bezug auf ein beantragtes weiteres Feststellungsziel, das ähnlich formuliert ist wie ein durch den Teil-Musterentscheid als unzulässig zurückgewiesenes Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses, die hinreichende Bestimmtheit bejahen könnte. Wie unter c) bb) dargelegt, begründet der gebotene einheitliche Maßstab für die Prüfung der Frage, ob ein Feststellungsziel den Bestimmtheitsanforderungen genügt, keine Verbindung zwischen den Feststellungszielen, die einem Teilentscheid entgegenstünde.

(2) Eine prozessuale Verzahnung zwischen den Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses und beantragten weiteren Feststellungszielen besteht nicht. Dies gilt auch insoweit, als ein beantragtes weiteres Feststellungsziel ausdrücklich der Konkretisierung eines vom Senat als nicht hinreichend bestimmt angesehenen Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses dienen soll. Die Erweiterungsanträge sind unbedingt und nicht nur für den Fall der Unbestimmtheit einzelner Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses gestellt. Die Frage der hinreichenden Bestimmtheit eines im Vorlagebeschluss formulierten Feststellungsziels stellt sich deshalb bei der Entscheidung über die Zulassung eines weiteren, abweichend formulierten Feststellungsziels nicht erneut.

(3) Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Senat in Bezug auf ein beantragtes weiteres Feststellungsziel das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung bejahen könnte, während er ein vergleichbares Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses durch den Teil-Musterentscheid mangels Klärungsbedürftigkeit als unzulässig zurückgewiesen hat. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen unter c) cc) Bezug genommen.

(4) Soweit der Senat mit dem Teil-Musterentscheid sämtliche die Musterbeklagte zu 2) betreffenden Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses als unstatthaft zurückweist, weil Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 nicht dem Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. unterfallen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sich dieselbe verfahrensrechtliche Vorfrage bei der Entscheidung über die bereits beantragte Erweiterung des Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. erneut stellen wird. Eine solche Verzahnung steht dem Erlass eines Teil-Musterentscheids aber nicht entgegen, weil ein rechtliches Interesse daran besteht, die im Musterverfahren unstatthaften Feststellungsziele durch einen Teil-Musterentscheid frühzeitig aus dem Verfahren auszuscheiden.

(a) Für den Fall, dass eine Klage gegen mehrere einfache Streitgenossen erhoben worden ist und es bezüglich eines von ihnen an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehlt, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass selbst eine materiell-rechtliche Verzahnung der gegen die Streitgenossen geltend gemachten Ansprüche den Erlass eines Teilurteils nicht hindert (vgl. BGH ZIP 2015, 1090 Leitsatz 1). Denn in einem solchen Fall besteht in aller Regel ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis, den Streitgenossen, bezüglich dessen die Klage bereits unzulässig ist, durch Teilurteil aus dem Prozess zu entlassen (BGH ZIP 2015, 1090 Rn. 8 m. w. N.).

(b) Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall, dass Feststellungsziele auf die Klärung der Voraussetzungen von Ansprüchen gerichtet sind, die nicht dem Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes unterfallen, übertragen werden. Der Teil-Musterentscheid, durch den sämtliche Feststellungsziele, mit denen anspruchsbegründende Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden sollen, als unstatthaft zurückgewiesen werden, führt zwar nicht unmittelbar zum Ausscheiden einzelner Musterbeklagten aus dem Musterverfahren, weil die Stellung als Musterbeklagter gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG a. F. an die Aussetzung eines gegen den Musterbeklagten geführten Ausgangsrechtsstreits gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. geknüpft ist. Der Teil-Entscheid führt mit Eintritt der Rechtskraft aber dazu, dass die betroffenen Feststellungsziele aus dem Musterverfahren ausscheiden, über die – mangels Statthaftigkeit – ohnehin keine Sachentscheidung ergehen darf. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Prozessgerichte der ausgesetzten Ausgangsverfahren die rechtlichen Konsequenzen aus einer solchen Entscheidung umsetzen, gegebenenfalls auf Parteiantrag gemäß § 150 ZPO.

Sollte das Rechtsmittelgericht dagegen den Teil-Musterentscheid aufheben, soweit die die Musterbeklagte zu 2) betreffenden Feststellungsziele als unstatthaft zurückgewiesen worden sind, bestünde selbst dann keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im Musterverfahren, wenn der Senat zu diesem Zeitpunkt diejenigen Anträge auf Erweiterung des Musterverfahrens, welche auf die Feststellung anspruchsbegründender Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) abzielen, bereits durch Beschluss nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. als unstatthaft zurückgewiesen haben sollte. In diesem Fall könnten die Erweiterungsanträge erneut gestellt werden, ohne dass dem die Bindungswirkung nach § 3 EGZPO in Verbindung mit § 318 ZPO entgegenstünde (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation: BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, II ZB 31/​14, ZIP 2021, 346 Rn. 298). Der Schluss-Musterentscheid erginge sodann – ohne die Gefahr eines Widerspruchs – auf der Grundlage der im Rechtsmittelzug geklärten Frage der Statthaftigkeit.

(5) Soweit der Senat das Feststellungsziel A II 4 a des Vorlagebeschlusses teilweise als unstatthaft zurückweist (dazu VI.), weil damit die Klärung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Musterbeklagten zu 1) aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 400 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 AktG a. F. begehrt wird, die mangels eines unmittelbaren Bezugs zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen, besteht hinsichtlich beantragter weiterer Feststellungsziele, mit denen anspruchsbegründende Voraussetzungen für andere Schadensersatzansprüche festgestellt werden sollen, mangels einer gemeinsamen Vorfrage nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen. Auch insoweit hätte eine abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht lediglich zur Folge, dass das als unstatthaft zurückgewiesene Feststellungsziel wieder Gegenstand des vorliegenden Musterverfahrens wird.

(6) Entsprechendes gilt, soweit der Senat einzelne Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses deshalb als unzulässig zurückweist, weil diese der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs als solchem gleichkommen und damit kein taugliches Feststellungsziel im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. bilden (dazu VII. 3. b] aa], d] und f]). Selbst wenn bereits beantragte weitere Feststellungsziele von dem gleichen Zulässigkeitsmangel betroffen sein sollten, würde dies keine gemeinsame Vorfrage darstellen. Im Übrigen könnten die Verfahrensbeteiligten den Mangel auf richterlichen Hinweis hin beheben, indem sie die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schadensersatzanspruchs und die zu ihrer Ausfüllung behaupteten Tatsachen zum Gegenstand gesonderter Feststellungsziele machen.

5.

Der Ansicht des Musterbeklagten zu 8), es seien sämtliche Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses in Bezug auf ihn als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei den gegen ihn geführten und nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Ausgangsverfahren um Tabellenfeststellungsklagen im Sinne von §§ 179 ff. InsO handele, welche nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes fielen, folgt der Senat nicht.

a)

Es kann offenbleiben, ob Tabellenfeststellungsklagen im Sinne von §§ 179 ff. InsO in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes fallen. Denn die Prüfung der Frage, ob die gegen den Musterbeklagten zu 8) geführten Ausgangsverfahren zu Unrecht ausgesetzt worden sind, ist dem Senat verwehrt.

Gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG a. F. sind Musterbeklagte alle Beklagten der nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Verfahren. Das Gesetz knüpft die Rechtsfolge der Verfahrensbeteiligung am Musterverfahren unmittelbar an die Aussetzungsentscheidung des Prozessgerichts (OLG Braunschweig, Beschl. v. 6. Oktober 2020, 3 Kap 1/​16, ZIP 2021, 31 [juris Rn. 30]). Ohne Bedeutung ist, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist; diese Frage hat das für die Führung des Musterverfahrens zuständige Gericht nicht zu prüfen (vgl. Kruis in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 9 KapMuG Rn. 35).

Für ein außergesetzliches Recht des für die Führung des Musterverfahrens zuständigen Gerichts zur Prüfung der Aussetzungsentscheidung besteht auch kein Bedürfnis (vgl. OLG Braunschweig ZIP 2021, 31 [juris Rn. 32]). Die Aussetzungsentscheidung des Prozessgerichts kann gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden. Diese kann auch darauf gestützt werden, dass das ausgesetzte Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes falle (BGH, Beschl. v. 30. April 2019, XI ZB 13/​18, BGHZ 222, 15 Rn. 14 und XI ZB 1/​17, BGHZ 222, 27 Rn. 15). Auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist oder nach Rechtskraft einer ablehnenden Beschwerdeentscheidung kann das Prozessgericht die Aussetzung aufheben und das ausgesetzte Verfahren gemäß § 150 ZPO fortsetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 6. November 2024, III ZB 107/​22, WM 2025, 24 Rn. 8). Im Übrigen kennt nur das Prozessgericht den Ausgangsrechtsstreit, dessen Akten dem für das Musterverfahren zuständigen Gericht nicht vorliegen (vgl. OLG Braunschweig a. a. O.).

b)

In Bezug auf den Musterbeklagten zu 8) fehlt es wegen der behaupteten fehlenden Musterverfahrensfähigkeit der gegen ihn geltend gemachten Ansprüche auch nicht an einer vom Senat von Amts wegen zu prüfenden „Sachentscheidungsvoraussetzung“.

aa) In der Sache macht der Musterbeklagte zu 8) mit diesem Einwand geltend, dass das Musterverfahren gegen ihn unstatthaft sei, weil die in den ausgesetzten Ausgangsverfahren gegen ihn geltend gemachten Ansprüche nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fielen. Der Einwand zielt somit auf eine Überprüfung der gegen den Musterbeklagten zu 8) ergangenen Aussetzungsbeschlüsse ab, die dem Senat entsprechend den Ausführungen unter a) verwehrt ist.

bb) Der Musterbeklagte zu 8) beruft sich für seine Ansicht zu Unrecht auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (II ZB 31/​14, ZIP 2021, 346 Rn. 284) und vom 22. November 2016 (XI ZB 9/​13, BGHZ 213, 65 Rn. 106), nach denen das für das Musterverfahren zuständige Gericht fortlaufend im Hinblick auf jeden einzelnen Musterbeklagten zu prüfen habe, ob für die Feststellungsziele oder einzelne von ihnen ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht. Darum geht es im vorliegenden Fall nicht.

Ein Sachentscheidungsinteresse besteht dann nicht mehr, wenn auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der vorangegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrunde liegende Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG a. F.) hinsichtlich dieses Feststellungsziels gegenstandslos geworden, was im Tenor und in den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck zu bringen ist. An einer erschöpfenden Erledigung des Vorlagebeschlusses besteht in diesen Fällen kein berechtigtes Interesse mehr. Das Musterverfahren dient nicht dazu, abstrakte Tatsachen- oder Rechtsfragen ohne Bezug zur Entscheidung in zumindest einem der ausgesetzten Ausgangsverfahren zu beantworten (BGH ZIP 2021, 346 Rn. 284; BGHZ 213, 65 Rn. 106).

Eine Verfahrenssituation, in der aufgrund einzelner Feststellungen im Musterfahren das Sachentscheidungsinteresse an einer Feststellung zu den übrigen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses entfallen sein könnte, nimmt der Musterbeklagte zu 8) selbst nicht an. Aus seiner Sicht fehlt es vielmehr unabhängig vom Ergebnis der Prüfung der einzelnen Feststellungsziele ihm gegenüber an einer notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzung deshalb, weil die gegen ihn gerichteten Verfahren nicht hätten ausgesetzt werden dürfen. An einer Überprüfung dieses Einwands ist der Senat entsprechend den Ausführungen unter a) gehindert.

cc) Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2024 (Az: XI ZB 8/​21, ZIP 2024, 2645) lässt sich entgegen der Ansicht des Musterbeklagten zu 8) nicht ableiten, dass das Sachentscheidungsinteresse für ein Feststellungsziel oder alle Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses im Verhältnis zu einem gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG a. F. hinzugetretenen Musterbeklagten dann zu verneinen sei, wenn die gegen diesen Musterbeklagten gerichteten Ausgangsverfahren zu Unrecht nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzt worden sind.

In dieser Entscheidung führt der Bundesgerichtshof zwar aus, dass das Hanseatische Oberlandesgericht bei der Tenorierung der von ihm getroffenen Feststellungen zum Vorliegen von Prospektfehlern nicht zwischen den beiden damaligen Musterbeklagten unterschieden habe, obwohl es in den Gründen davon ausgehe, dass die Feststellungsanträge gegen den damaligen Musterbeklagten zu 1) gegenstandslos und damit „unzulässig“ seien (BGH a. a. O. Rn. 23). Mit diesen Ausführungen begründet der Bundesgerichtshof aber nur die Beschwer des Rechtsmittelführers, des damaligen Musterbeklagten zu 1), durch den angefochtenen Musterentscheid. Für die erforderliche Beschwer reiche es aus, dass für den Rechtsbeschwerdeführer die begründete Besorgnis bestehe, dass die Prozessgerichte in einzelnen der ausgesetzten Verfahren in Bezug auf Feststellungen zu bestimmten Feststellungszielen zu seinen Lasten eine weitergehende Bindungswirkung annehme, als der Musterentscheid sie tatsächlich enthalte (BGH a. a. O. Rn. 21 f.).

Der Entscheidung kann jedoch nicht entnommen werden, dass das für das Musterverfahren zuständige Gericht im Hinblick auf einen kraft Gesetzes gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG a. F. hinzugetretenen Musterbeklagten – wie vorliegend den Musterbeklagten zu 8) – zu prüfen habe, ob die Aussetzung des Ausgangsverfahrens zu Recht oder deswegen zu Unrecht erfolgt ist, weil Gegenstand des ausgesetzten Rechtsstreits ein nicht musterverfahrensfähiger Anspruch sei. Entsprechendes gilt für die weiteren vom Musterbeklagten zu 8) in diesem Zusammenhang herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschl. 14. November 2023, XI ZB 2/​21, juris Rn. 45 bis 49; Beschl. v. 13. September 2022, XI ZB 13/​21, WM 2023, 1370 Rn. 20).

dd) Auch soweit der Musterbeklagte zu 8) geltend macht, das „Sachentscheidungsinteresse“ fehle, wenn keine Bindungswirkung nach § 22 KapMuG a. F. eintrete, was der Fall sei, wenn die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes fielen, berücksichtigt er nicht, dass dem Musterverfahrensgericht diese Prüfung verwehrt ist. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bindet der Musterentscheid die Prozessgerichte im Übrigen in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. ausgesetzten Verfahren. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. wirkt der Musterentscheid grundsätzlich für und gegen alle Beteiligten des Musterverfahrens, somit auch für und gegen die nach § 9 Abs. 5 KapMuG a. F. hinzugetretenen Musterbeklagten. Die Ansicht, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. keine Anwendung finde, wenn in dem ausgesetzten Rechtsstreit der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrens nicht eröffnet gewesen sei (Kruis in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 22 Rn. 14), teilt der Senat in dieser Pauschalität nicht. Die vom Musterbeklagten zu 8) zur Reichweite der Bindungswirkung ins Feld geführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 16. Juni 2020, II ZB 10/​19, ZIP 2020, 1457 Rn. 20) betrifft eine Konstellation, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist. Die weitere vom Musterbeklagten zu 8) genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 19. September 2017, XI ZB 17/​15, ZIP 2017, 2253 Rn. 54) betrifft die Prüfung des Sachentscheidungsinteresses, weil auf Grund vorausgegangenen Prüfungsergebnisses feststehe, dass durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden könne. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

ee) Es trifft schließlich auch nicht zu, dass die Ausgangsgerichte im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 KapMuG a. F. nicht zu prüfen hätten, ob der im Verfahren geltend gemachte Anspruch musterverfahrensfähig ist.

Wie unter a) ausgeführt, hat das Prozessgericht bei der Aussetzung auch zu prüfen, ob das ausgesetzte Verfahren in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes fällt (BGHZ 222, 15 Rn. 14 m. w. N.).

Das Prozessgericht setzt das Verfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den im Musterverfahren geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Der Erfolg einer nicht musterverfahrensfähigen Anspruchsbegründung kann bereits deshalb nicht vom Ausgang des Musterverfahrens abhängen, weil dieses zur Klärung der nicht musterverfahrensfähigen Anspruchsbegründung nichts beitragen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Juni 2020, II ZB 10/​19, ZIP 2020, 1457 Rn. 22; BGHZ 222, 15 Rn. 14 und 33).

6.

Die Zurückweisung der unstatthaften oder aus anderen Gründen unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses durch einen Teil-Musterentscheid erachtet der Senat für sachgerecht.

a)

Der Erlass einer Teilentscheidung steht bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (Elzer in BeckOK ZPO, § 301 Rn. 54; Musielak/​Wolff in Musielak/​Voit, ZPO, § 301 Rn. 24; Rensen in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 301 Rn. 51; Althammer in Stein/​Jonas, ZPO, § 301 Rn. 38; Feskorn in Zöller, ZPO, § 301 Rn. 20).

b)

Im vorliegenden Fall entspricht der Erlass eines Teil-Musterentscheids dem Gebot effektiver Verfahrensgestaltung.

aa) Soweit der Senat die Statthaftigkeit der allein gegen die Musterbeklagte zu 2) gerichteten Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses verneint, besteht ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis, diese Feststellungsziele aus dem Musterverfahren auszuscheiden. Der Teil-Musterentscheid ermöglicht es außerdem den Verfahrensbeteiligten, die für die weitere Führung des Musterverfahrens grundlegende Frage, ob Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 dem Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. unterfallen, einer zeitnahen höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

bb) Zu unbestimmt gefasste Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sind als unzulässig zurückzuweisen, ohne Rücksicht darauf, ob ein Verfahrensbeteiligter das zu unbestimmte Feststellungsziel durch einen Erweiterungsantrag nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. präzisiert. Entsprechendes gilt für Feststellungsziele, für die es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der Senat erachtet es deshalb für sachgerecht, diese unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses zeitnah aus dem Verfahren auszuscheiden.

Die seitens mehrerer Beigeladener geäußerte Befürchtung, der Erlass eines Teil-Musterentscheids werde zu einer erheblichen Verzögerung des Musterverfahrens führen, teilt der Senat nicht. Der Umstand, dass sich beantragte weitere Feststellungsziele inhaltlich mit den als unzulässig zurückgewiesenen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses überschneiden, hindert den Senat auch nach Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen deren Zurückweisung nicht daran, sich mit den Erweiterungsanträgen zu befassen. Zudem gebietet es die Prozessförderungspflicht, die Prüfung der Erweiterungsanträge fortzusetzen.

Die Gefahr, dass dadurch zwei teilweise identische Feststellungsziele zum Gegenstand des Musterverfahrens werden könnten, kann zwar im Hinblick auf die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung der Zulässigkeit eines Feststellungsziels durch das Rechtsmittelgericht nicht ausgeschlossen werden; dies wäre aber nicht mit einem Mehraufwand für den Senat verbunden, da über die Erweiterungsanträge nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. ohnehin zu entscheiden ist. Sollte der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit eines vom Senat mangels hinreichender Bestimmtheit oder wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesenen Feststellungsziels des Vorlagebeschlusses bejahen, würde dieses Feststellungsziel wieder Gegenstand des vorliegenden Musterverfahrens. Sollte zu diesem Zeitpunkt bereits ein teilweise identisches weiteres Feststellungsziel durch Erweiterungsbeschluss nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. zum Gegenstand des Musterverfahrens gemacht worden sein, wäre zu prüfen, ob die inhaltliche Überschneidung der beiden Feststellungsziele das Sachentscheidungsinteresse für eines von ihnen entfallen lässt.

cc) Eine Fallkonstellation, in der der Senat nicht mehr über die gestellten Erweiterungsanträge zu befinden hätte, liegt nicht vor. Anders als das Hanseatische Oberlandesgericht in dem Fall, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2021 (BGHZ 230, 240) zugrunde lag, sieht der Senat im vorliegenden Musterverfahren bereits nicht sämtliche Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses mangels hinreichender Bestimmtheit als unzulässig an; hinsichtlich der für zulässig erachteten Feststellungsziele wird auf die Ausführungen unter IX. verwiesen. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bestand außerdem die besondere Lage, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen über die seitens des damaligen Musterklägers formulierten Feststellungsziele nicht mehr zu entscheiden war (vgl. BGHZ 230, 240 Rn. 7, 8, 35 mit Anmerkungen von Toussaint, FD-ZVR 2021, 441942; Steinbrück, LMK 2022, 800926; Stackmann, WuB 2021, 517; Vollkommer, EWiR 2021, 681). Im vorliegenden Musterverfahren wird dagegen den Verfahrensbeteiligten mit der Zurückweisung der unzulässigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses durch den Teil-Musterentscheid nicht die Möglichkeit genommen, die zu unbestimmten Feststellungsziele durch entsprechende Erweiterungsanträge nach § 15 Abs. 1 KapMuG a. F. zu präzisieren.

V.

Die in Abschnitt B des Vorlagebeschlusses enthaltenen Feststellungsziele sowie das Feststellungsziel D 1 sind unstatthaft, weil damit das Vorliegen anspruchsbegründender Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) im Zusammenhang mit deren Tätigkeit als Abschlussprüferin für die Wirecard AG im Rahmen von Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB festgestellt werden soll, welche nicht in den Anwendungsbereich des – im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden – § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen. Entsprechendes gilt für das Feststellungsziel C, soweit dieses sich auf gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachte Schadensersatzansprüche bezieht.

Die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F.) verwehrt dem Senat nicht die Überprüfung, ob ein darin enthaltenes Feststellungsziel Gegenstand eines Kapitalanleger-Musterverfahrens sein kann (dazu 1.). Die Feststellungsziele des Abschnitts B sind dahin auszulegen, dass sie ausschließlich auf die Feststellung anspruchsbegründender Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG gerichtet sind (dazu 2. b]). Insoweit fehlt es an dem von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. vorausgesetzten unmittelbaren Bezug der geltend gemachten Schadensersatzpflicht der Musterbeklagten zu 2) zu der jeweils als falsch, irreführend oder unterblieben beanstandeten öffentlichen Kapitalmarktinformation der Wirecard AG (dazu 3. b]). Die Feststellungsziele C und D 1 beziehen sich nach dem Ergebnis der Auslegung (dazu 2. c] und d]) jeweils auch auf gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachte Schadensersatzansprüche wegen täterschaftlich begangener Delikte durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 im Rahmen einer Pflichtprüfung nach §§ 316 ff. HGB. Auch insoweit fehlt es an dem erforderlichen unmittelbaren Bezug der geltend gemachten Schadensersatzpflicht zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation, weil es sich bei dem Bestätigungsvermerk nicht um eine öffentliche Kapitalmarktinformation des Abschlussprüfers handelt (dazu 3. a]).

1.

Ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F.) ist das für die Führung des Musterverfahrens zuständige Gericht befugt, das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen zu prüfen. Der Gesetzgeber hat mit der Vorgabe der Bindungswirkung zwar das Risiko in Kauf genommen, dass rechtsfehlerhaft eingeleitete oder unzweckmäßige Musterverfahren durchgeführt werden. Er zwingt dem für das Musterverfahren zuständigen Gericht die Durchführung jedoch dann nicht auf, wenn notwendige allgemeine Verfahrensvoraussetzungen fehlen (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 2017, III ZB 62/​16, AG 2017, 543 Rn. 13; Beschl. v. 9. März 2017, WM 2017, 706 Rn. 13; BGHZ 216, 37 Rn. 66).

Das Gericht ist insbesondere nicht an der Überprüfung gehindert, ob ein Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses Gegenstand eines Kapitalanleger-Musterverfahrens sein kann. Vielmehr kann es prüfen, ob es sich bei dem zugrunde liegenden Anspruch um eine musterverfahrensfähige kapitalmarktrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KapMuG a. F. handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2021, XI ZB 31/​19, ZIP 2021, 2531 Rn. 44; BGH ZIP 2021, 346 Rn. 154; Beschl. v. 23. Oktober 2018, XI ZB 3/​16, BGHZ 220, 100 Rn. 70).

2.

Die Feststellungsziele bedürfen der Auslegung. Die in Abschnitt B des Vorlagebeschlusses enthaltenen Feststellungsziele sowie das Feststellungsziel D 1 haben sämtlich das Vorliegen anspruchsbegründender Voraussetzungen – auch prozessualer Natur – von Schadensersatzansprüchen gegen die Musterbeklagte zu 2) zum Gegenstand, wobei der Musterbeklagten zu 2) jeweils die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 im Rahmen einer Pflichtprüfung nach den §§ 316 ff. HGB vorgeworfen wird. Das weit gefasste Feststellungsziel C ist dahin auszulegen, dass damit auch eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die vorgenannten Ansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden soll.

a)

Ausgangspunkt für die Auslegung eines Feststellungsziels ist der Vorlagebeschluss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F., der die Feststellungsziele im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. und eine knappe Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zugrunde liegenden gleichen Lebenssachverhalts enthält (§ 6 Abs. 3 KapMuG a. F.). Entsprechend kann auch der im Vorlagebeschluss wiedergegebene Parteivortrag bei der Auslegung berücksichtigt werden. Dieser gibt die Rügen der Beteiligten wieder und ist geeignet, den Gegenstand des Musterverfahrens zu konkretisieren, wenn die in den Vorlagebeschluss aufgenommenen Feststellungsziele diesen für sich genommen nicht klar abgrenzen (BGH WM 2021, 285 Rn. 67).

b)

Mit den Feststellungszielen in Abschnitt B wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagte zu 2) durch die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 jeweils die Verletzung der in §§ 37b, 37c WpHG a. F. (Feststellungsziele B I 1) bzw. in § 37v WpHG a. F. (Feststellungsziele B II 1) geregelten Publizitätspflichten durch die Wirecard AG objektiv gefördert und dabei jeweils billigend in Kauf genommen habe, dass der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk unrichtig sei (Feststellungsziel B III 1), wobei die billigende Inkaufnahme aus behaupteten Unterlassungen der Musterbeklagten zu 2) abgeleitet wird, welche den Gegenstand der Unterfeststellungsziele B III 1 a und b bilden. Aus dem systematischen Aufbau des Vorlagebeschlusses und dem eindeutigen Wortlaut der unter B I 1 und B II 1 aufgeführten einzelnen Feststellungsziele ergibt sich, dass mit den Feststellungszielen des Abschnitts B ausschließlich das Vorliegen anspruchsbegründender Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG festgestellt werden soll.

aa) Der Abschnitt B des Vorlagebeschlusses steht unter der Überschrift „Zur Frage von Teilnahme“, was mit der Überschrift des vorausgehenden Abschnitts „A. (Haupttat)“ korrespondiert, dessen Feststellungsziele Veröffentlichungen, Handlungen oder Unterlassungen „der Wirecard AG“ oder ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden, des Musterbeklagten zu 1), betreffen.

bb) Die Feststellungsziele B I 1 a bis e und B II 1 a bis e sind jeweils ausdrücklich auf die Feststellung gerichtet, dass die Musterbeklagte zu 2) durch die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 jeweils einen objektiven Förderbeitrag zu den behaupteten Publizitätspflichtverletzungen der Wirecard AG – also einer fremden rechtswidrigen Tat – geleistet habe. Feststellungen zur tatbestandlichen Verwirklichung der jeweiligen Haupttat durch die Wirecard AG werden mit diesen Feststellungszielen nicht begehrt.

Das Feststellungsziel B III 1 nimmt auf die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke Bezug, die nach den Feststellungszielen B I 1 und B II 1 objektive Förderbeiträge der Musterbeklagten zu 2) zu Publizitätspflichtverletzungen der Wirecard AG darstellen sollen. Bei der begehrten Feststellung, dass die Musterbeklagte zu 2) aufgrund der ihr vorgeworfenen Unterlassungen, welche den Gegenstand der Unterfeststellungsziele a und b bilden, jeweils billigend in Kauf genommen habe, dass der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk unrichtig sei, handelt es sich somit um ein mit den unter B I 1 und B II 1 behaupteten objektiven Förderbeiträgen in Zusammenhang stehendes subjektives Element.

cc) Die in Abschnitt B enthaltenen Feststellungsziele sind nicht abweichend von Systematik und Wortlaut dahingehend erweiternd auszulegen, dass damit auch Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen eines durch Erteilung unrichtiger Bestätigungsvermerke täterschaftlich verwirklichten Haftungstatbestands festgestellt werden sollen.

In den Paragraphenketten der Überschriften zu den Unterabschnitten B I und B II wird zwar auch § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB genannt, der die Haftung von Mittätern regelt; die Angabe „§ 830 Abs. 2 S. 1 BGB“ in der Überschrift zu B I beruht ersichtlich auf einem Schreibversehen, da § 830 Abs. 2 BGB nur aus einem Satz besteht und im unmittelbaren Anschluss „(§ 830) Abs. 2 Alt. 2 BGB“ zitiert wird. Die Überschriften der beiden Unterabschnitte sind jedoch in Klammern gesetzt, was – wie auch ihr Wortlaut – erkennen lässt, dass sie selbst keine eigenständigen Feststellungsziele beinhalten.

In der Darstellung des Lebenssachverhalts (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG a. F.) im Vorlagebeschluss wird zwar ausgeführt, „die Klägerin“ – die Antragstellerin zu 1) des dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensantrags – sehe als Anspruchsgrundlage für eine Haftung der Musterbeklagten zu 2) „Delikt wegen der Erstellung falscher Bestätigungsvermerke sowie wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG“ (a. a. O. S. 10). Unter den dort zitierten Paragraphen werden auch die Vorschriften § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 332 Abs. 1 HGB aufgeführt, deren Anwendung eine durch den Abschlussprüfer täterschaftlich begangene Pflichtverletzung voraussetzt.

Die Feststellungsziele des Abschnitts B sind aber hinsichtlich der Frage, ob damit nur anspruchsbegründende Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen Beihilfe zu Taten der Wirecard AG oder auch solche wegen der täterschaftlichen Verwirklichung von Haftungstatbeständen festgestellt werden sollen, nach ihrem Wortlaut und der Systematik des Vorlagebeschlusses allein auf die Feststellung anspruchsbegründender Tatsachen für Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen Beihilfe zu Kapitalmarktinformationsdelikten der Wirecard AG gemäß § 830 Abs. 2 Alt. 2 BGB in Verbindung mit §§ 37b und 37c WpHG a. F. (Verletzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht) sowie § 37v WpHG a. F. (Verletzungen der Regelpublizität) gerichtet (vgl. zur Beschränkung eines Feststellungsziels auf die im Wortlaut des Antrags genannte Haftungsgrundlage BGH, Beschl. v. 4. Juni 2024, II ZB 17/​22, ZIP 2024, 2403 Rn. 38; Beschl. v. 22. Februar 2022, XI ZB 32/​20, BGHZ 233, 47 Rn. 14). Bei einer solchen Sachlage scheidet eine erweiternde Auslegung der Feststellungsziele unter Heranziehung des Lebenssachverhalts aus (vgl. BGH WM 2021, 285 Rn. 67).

c)

Mit dem Feststellungsziel C wird unter der Überschrift „(Schaden und Kausalität)“ die Feststellung begehrt, dass der Kursdifferenzschaden ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig sei. Nach seinem weit gefassten Wortlaut, seiner systematischen Stellung im Vorlagebeschluss nach den Abschnitten A und B sowie dem im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller ist dieses Feststellungsziel dahin auszulegen, dass die begehrte Feststellung auch für die im Lebenssachverhalt erwähnten Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) getroffen werden soll.

aa) Das Feststellungsziel C ist auslegungsbedürftig. Denn der Wortlaut des Feststellungsziels lässt nicht erkennen, für welche Schadensersatzansprüche mit der begehrten Feststellung eine anspruchsbegründende Voraussetzung festgestellt werden soll.

Ein Feststellungsziel ist vor dem Hintergrund der Norm zu beurteilen, aus der der Schadensersatzanspruch, für den eine anspruchsbegründende Voraussetzung festgestellt werden soll, abgeleitet wird; daraus ergibt sich auch, wie weit die Bindungswirkung des Musterentscheids reicht (BGHZ 233, 47 Rn. 14 m. w. N.). Das Musterverfahren dient nicht dazu, abstrakte Tatsachen oder Rechtsfragen ohne Bezug zur Entscheidung in zumindest einem der ausgesetzten Ausgangsverfahren zu beantworten (vgl. BGH ZIP 2018, 2307 Rn. 28; BGHZ 213, 65 Rn. 106).

bb) Die am objektiven Interesse der Antragsteller ausgerichtete Auslegung des Feststellungsziels C ergibt, dass damit eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die in anderen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses sowie in dessen Lebenssachverhalt einschließlich des darin wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller des Musterverfahrensantrags genannten Schadensersatzsprüche nicht nur gegen die Musterbeklagte zu 1), sondern gerade auch gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden soll.

(1) Nach dem Lebenssachverhalt nehmen die Antragsteller in ihrem jeweiligen Ausgangsrechtsstreit die Musterbeklagte zu 2) aus „Delikt wegen der Erstellung falscher Bestätigungsvermerke sowie wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG gemäß §§ 826, 31 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 332 Abs. 1 HGB, 31 BGB, §§ 830 Abs. 1, Abs. 2, 840, 31 BGB, §§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 331 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 HGB, § 400 AktG, §§ 37b, 37c WpHG, § 37v WpHG, §§ 97, 98 WpHG“ in Anspruch. Die Verbindung der beiden genannten Anspruchsgrundlagen durch „sowie“ lässt erkennen, dass damit zwei verschiedene Begehungsformen gemeint sind, nämlich die täterschaftliche Verwirklichung eines Delikts und die Beihilfe zur Tat eines Dritten. In der angehängten Paragraphenkette werden zunächst die Normen der „§§ 826, 31 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 332 Abs. 1 HGB, 31 BGB“ angeführt, bevor – eingeleitet mit einem weiteren doppelten Paragraphenzeichen („§§“) – die unter anderem die Haftung des Gehilfen betreffenden Normen „§§ 830 Abs. 1, Abs. 2, 840, 31 BGB“ genannt werden, gefolgt von Vorschriften, welche die Haftung von Emittenten bzw. deren vertretungsberechtigten Organen regeln („§§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 331 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 HGB, § 400 AktG, §§ 37b, 37c WpHG, § 37v WpHG, §§ 97, 98 WpHG“). Die in der Paragraphenkette an zweiter Stelle genannte Vorschrift des § 332 Abs. 1 HGB regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers als Täter, was den Schluss nahelegt, dass der davor genannte § 826 BGB sich auch auf ein täterschaftliches Handeln der Musterbeklagten zu 2) bezieht, zumal die Reihenfolge der angeführten Normen und ihre Zusammenfassung in Gruppen mit der von der Antragstellerin zu 1) vorgenommenen Kategorisierung der Anspruchsgrundlagen parallel läuft.

Die Antragstellerin zu 1) nimmt daneben auch den Musterbeklagten zu 1) wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen sowie Veröffentlichung unwahrer Ad-hoc-Mitteilungen „in Zusammenhang mit dort zu verantwortenden Finanzmanipulationen“ gemäß „§§ 826, 31 BGB, § 37b Abs. 1 Nr. 1 sowie § 37c WpHG a. F.“ in Anspruch.

(2) Die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses haben darüber hinaus anspruchsbegründende Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche gegen die Wirecard AG zum Gegenstand und beziehen sich auf weitere Anspruchsgrundlagen, die im Lebenssachverhalt jedenfalls keine ausdrückliche Erwähnung finden:

Die Feststellungsziele A II 1 e und f sowie A II 8 betreffen anspruchsbegründende Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Wirecard AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB aufgrund unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen (A II 1 e und f) bzw. aufgrund Veröffentlichung der Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 (A II 8). Das Feststellungsziel A II 2 c bezieht sich auf eine Haftung der Wirecard AG gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v WpHG a. F. Das Feststellungsziel A II 3 b betrifft eine Haftung der Wirecard AG gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 331 HGB.

Mit dem Feststellungsziel A II 2 d sollen anspruchsbegründende Voraussetzungen für eine Haftung des Musterbeklagten zu 1) gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 37v WpHG a. F. festgestellt werden. Die Feststellungsziele A II 3 c und A II 5 nehmen eine Haftung des Musterbeklagten zu 1) gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 331 HGB in Bezug, wobei das Feststellungsziel A II 3 c § 331 HGB zitiert und das Feststellungsziel A II 5 § 331 „Abs. 2“ HGB. Die Feststellungsziele A II 4 b und A II 6 betreffen eine Haftung des Musterbeklagten zu 1) gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 400 AktG. Das Feststellungsziel A II 7 betrifft die Haftung des Musterbeklagten zu 1) wegen Abgabe einer (unrichtigen) Versicherung gemäß § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB und/​oder § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB. Das Feststellungsziel A II 9 nimmt schließlich eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des Musterbeklagten zu 1) gemäß § 826 BGB durch Unterzeichnung der Geschäftsberichte der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 und deren Freigabe zur Veröffentlichung in Bezug.

cc) Unter Berücksichtigung des im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Vorbringens der Antragsteller sowie der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses erfasst das Feststellungsziel C somit in Bezug auf die Musterbeklagte zu 2) Schadensersatzansprüche, welche auf die nachfolgend genannten Anspruchsgrundlagen gestützt werden, wobei die Tathandlung jeweils in der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 bestehen soll:

§§ 826, 31 BGB und

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 332 Abs. 1 HGB, § 31 BGB,

jeweils wegen einer täterschaftlichen Verwirklichung der genannten Tatbestände,

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 331 Nr. 1 HGB, § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 331 Nr. 2 HGB, § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 2 AktG, § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 37b WpHG a. F. bzw. § 97 WpHG i. V. m. § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 37c WpHG a. F. bzw. § 98 WpHG i. V. m. § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 37v WpHG a. F. bzw. § 114 WpHG, § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB

§ 826 BGB i. V. m. § 830 Abs. 2 Alt. 2, § 31 BGB,

jeweils wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Delikten.

d)

Mit dem Feststellungsziel D 1 des Vorlagebeschlusses soll die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts für Klagen gegen die Musterbeklagte zu 2), mit denen Ansprüche im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG geltend gemacht werden, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands festgestellt werden. Das Feststellungsziel ist im Wege der Auslegung dahin zu konkretisieren, dass damit die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG in der bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung für die Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden soll, welche auf die unter c) cc) genannten Anspruchsgrundlagen gestützt und mit der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 begründet werden.

aa) Das Feststellungsziel D 1 betrifft die Auslegung von § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG in der bis einschließlich 19. Juli 2024 gültigen Fassung (im Folgenden: „a. F.“), die bei Erlass des Vorlagebeschlusses am 14. März 2022 galt. Nach dieser Vorschrift sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich zuständig für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden.

bb) Bei wörtlichem Verständnis würde sich das Feststellungsziel D 1 in der begehrten Feststellung erschöpfen, dass für Klagen gegen die Musterbeklagte zu 2), mit denen Ansprüche im Sinne von § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG a. F. geltend gemacht werden, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands (erstinstanzlich) ausschließlich das Landgericht zuständig ist. Da sich die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts für die Entscheidung über solche Ansprüche jedoch bereits aus dem Wortlaut von § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG a. F. ergibt, wäre für ein Feststellungsziel dieses Inhalts kein Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen.

cc) Das Feststellungsziel ist entsprechend dem objektiv vernünftigen Interesse der Antragsteller im Gesamtkontext der Feststellungsziele und des Lebenssachverhalts des Vorlagebeschlusses dahin auszulegen, dass damit eine anspruchsbegründende Voraussetzung prozessualer Art für die im Lebenssachverhalt erwähnten Schadensersatzsprüche gegen die Musterbeklagte zu 2) festgestellt werden soll. Begehrt wird die Feststellung, dass zur Entscheidung über deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagte zu 2), die auf die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke zu den Konzernabschlüssen und den Konzernlageberichten der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 gestützt werden, gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG a. F. ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich zuständig seien. Hinsichtlich der von dem Feststellungsziel D 1 erfassten einzelnen Anspruchsgrundlagen wird auf die Ausführungen unter c) cc) verwiesen.

3.

Die begehrten Feststellungen zu anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung von Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten der Wirecard AG können nicht Gegenstand eines Feststellungsziels in einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in der maßgeblichen, bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung sein. Denn Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer im Zusammenhang mit der Durchführung einer Pflichtprüfung nach den §§ 316 ff. HGB fallen nicht in den Anwendungsbereich des allein in Betracht kommenden § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. Die Anwendungsfälle dieser Norm sind vielmehr auf Schadensersatzansprüche gegen Emittenten und sonstige Personen beschränkt, die dazu verpflichtet sind oder es freiwillig übernommen haben, den Kapitalmarkt zu informieren.

Soweit Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer auf eine täterschaftliche Verletzung eigener Prüfpflichten gestützt werden, kommt als öffentliche Kapitalmarktinformation, an welche die Haftung geknüpft werden soll, nur der erteilte Bestätigungsvermerk in Betracht. Dieser stellt jedoch keine öffentliche Kapitalmarktinformation des Abschlussprüfers im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. dar (dazu a]).

Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer wegen Beihilfe zu einer kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzung der geprüften Kapitalgesellschaft durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke knüpfen dagegen an falsche oder irreführende Kapitalmarktinformationen des geprüften Unternehmens an, mithin an falsche oder irreführende Informationen eines Dritten. Insoweit fehlt es jedoch an dem erforderlichen unmittelbaren Bezug der Haftung des Abschlussprüfers zu der als falsch, irreführend oder unterlassen beanstandeten öffentlichen Kapitalmarktinformation (dazu b]).

a)

Soweit gegen die Musterbeklagte zu 2) Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 332 HGB wegen einer – täterschaftlich begangenen – Verletzung eigener Prüfpflichten im Zusammenhang mit der Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke geltend gemacht werden, knüpft die Schadensersatzpflicht gerade nicht, wie von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. vorausgesetzt, unmittelbar an die Publikation oder die Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation an. Der das Prüfergebnis zusammenfassende Bestätigungsvermerk stellt keine dem Abschlussprüfer zuzurechnende öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. dar, weil der Prüfer das Prüfungsergebnis nicht gegenüber dem Kapitalmarkt kommuniziert und damit insoweit nicht die Aufgabe der Unterrichtung des Kapitalmarkts übernimmt. In Übereinstimmung damit ist die Haftung des Abschlussprüfers für Pflichtverletzungen bei der Durchführung von Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB und der Erstellung von Bestätigungsvermerken nach § 322 HGB nicht als Haftung für eine unrichtige, irreführende oder unvollständige Unterrichtung des Kapitalmarkts ausgestaltet.

aa) Ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. liegt nur bei einem unmittelbaren Bezug zu der als falsch, irreführend oder unterblieben beanstandeten Kapitalmarktinformation vor (BGH, Beschl. v. 26. Juli 2022, XI ZB 23/​20, WM 2022, 2137 Rn. 47; Beschl. v. 23. Oktober 2018, XI ZB 3/​16, BGHZ 220, 100, Rn. 72; Beschl. v. 30. Oktober 2008, III ZB 92/​07, WM 2009, 110 Rn. 11 f.; Beschl. v. 10. Juni 2008, XI ZR 283/​07, BGHZ 177, 88 Rn. 15). Ein auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. gestützter Musterfeststellungsantrag ist deshalb nur zulässig, wenn die geltend gemachte Schadensersatzpflicht an die Publikation oder die Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation anknüpft (vgl. BGH WM 2009, 110 Rn. 12). Das anspruchsbegründende Verhalten muss, soweit es in einem positiven Tun besteht, im Informieren, soweit ein Unterlassen in Rede steht, im Nicht-Informieren des Kapitalmarkts liegen (vgl. Kern in BeckOGK, Stand: 1. Dezember 2024, KapMuG 2012 § 1 Rn. 136).

Aus der Legaldefinition der öffentlichen Kapitalmarktinformation in § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. und den Regelbeispielen in § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG a. F. folgt nichts anderes. Nach der Legaldefinition sind öffentliche Kapitalmarktinformationen Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Diese Definition wird ergänzt durch § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG a. F., der in Form von Regelbeispielen Publikationen und sonstige Äußerungen auflistet, welche typische öffentliche Kapitalmarktinformationen enthalten. Der Regelungsgehalt dieser Bestimmungen beschränkt sich auf den möglichen Inhalt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F.) und die möglichen Träger bzw. Formen (vgl. BT-Drs. 15/​5091 S. 20 f.) von öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG a. F.). Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes über die in § 1 Abs. 1 KapMuG a. F. genannten Fallgruppen hinaus ist damit nicht verbunden.

bb) Soweit der Musterbeklagten zu 2) die täterschaftlich begangene sittenwidrige oder in sonstiger Weise deliktische Verletzung ihrer Prüfpflichten vorgeworfen wird, kommen als öffentliche Kapitalmarktinformationen, an welche die Schadensersatzpflicht geknüpft werden soll, nur die von der Musterbeklagten zu 2) erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerke zu den in den Geschäftsberichten der Wirecard AG enthaltenen Konzernabschlüssen und Konzernlageberichten für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 bzw. die darin enthaltenen Angaben in Betracht.

(1) Die Musterbeklagte zu 2) hat ausweislich der in den Geschäftsberichten 2014 bis 2018 abgedruckten Bestätigungsvermerke jeweils den Konzernabschluss der Wirecard AG nach IAS/​IFRS sowie den Konzernlagebericht geprüft. Gemäß § 316 Abs. 2 Satz 1 HGB müssen der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht eines gemäß § 290 Abs. 1 HGB zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Auch ein nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellter Konzernabschluss ist durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (vgl. Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Aufl. 2024, § 316 Rn. 14).

Die vorgeschriebene Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts hat eine Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsfunktion (OLG Stuttgart, Urt. v. 22. Februar 2022, 12 U 171/​21, AG 2022, 786 [juris Rn. 73]; Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 316 Rn. 25). Damit der handelsrechtliche Konzernabschluss und Konzernlagebericht ihre Informationsaufgabe erfüllen können, müssen sie in formeller und materieller Hinsicht bestimmten Anforderungen genügen. Die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und Regeln wird durch eine zwingend angeordnete Abschlussprüfung kontrolliert. Die vorgeschriebene Kontrolle soll die prüfungspflichtigen Unternehmen zugleich zu normkonformen Verhalten anhalten (vgl. Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 316 Rn. 26). Die von der Europäischen Union festgelegten Vorschriften zur Prüfung von Unternehmensabschlüssen verfolgen dieselbe Zielrichtung. Abschlussprüfungen sollen zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Märkte beitragen, indem sie das Vertrauen in die Integrität von Abschlüssen stärken (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 9, 16 und 32 sowie Art. 21 Abs. 2, Art. 22 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 2 der Richtlinie 2006/​43/​EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/​660/​EWG und 83/​349/​EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/​253/​EWG des Rates; Erwägungsgrund 1 der Verordnung [EU] Nr. 537/​2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014).

(2) Der das Ergebnis einer Pflichtprüfung nach den §§ 316 ff. HGB zusammenfassende Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers zu einem Jahres- oder Konzernabschluss hat gemäß § 322 Abs. 1 Satz 2 HGB in allen vom 10. Dezember 2004 bis 18. August 2020 gültigen Fassungen Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung zu beschreiben und dabei die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze anzugeben. Er hat ferner eine Beurteilung des Prüfungsergebnisses zu enthalten. § 322 HGB gilt auch für Bestätigungsvermerke über die Prüfung von (IFRS-)Konzernabschlüssen auf der Grundlage der zur Anwendung in der Europäischen Union übernommenen Rechnungslegungsgrundsätzen unter Beachtung der ergänzend anwendbaren Regelungen des Handelsgesetzbuchs (vgl. Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 322 Rn. 15).

Der Bestätigungsvermerk gibt die Gesamteinschätzung der Rechnungslegung durch den Abschlussprüfer wieder. Gegenstand der Beurteilung ist, ob der aufgestellte Jahres- oder Konzernabschluss aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse des Abschlussprüfers nach dessen Beurteilung den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft oder des Konzerns vermittelt (§ 322 Abs. 3 Satz 1 HGB). Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses hat sich auch darauf zu erstrecken, ob der Lagebericht oder Konzernlagebericht nach dem Urteil des Abschlussprüfers mit dem Jahres- bzw. mit dem Konzernabschluss in Einklang steht, die gesetzlichen Vorschriften zur Aufstellung des Lage- oder Konzernlageberichts beachtet worden sind (ab der ab 23. Juli 2015 geltenden Fassung des § 322 Abs. 6 Satz 1 HGB) und der Lage- oder Konzernlagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens oder des Konzerns vermittelt (§ 322 Abs. 6 Satz 1 HGB). Dabei ist auch darauf einzugehen, ob die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind (§ 322 Abs. 6 Satz 2 HGB). Dementsprechend kann der Bestätigungsvermerk eine Vielzahl von Informationen in Bezug auf das geprüfte Unternehmen bzw. den geprüften Konzern enthalten.

Die inhaltlichen Anforderungen an die Beurteilung des Prüfungsergebnisses sind ebenfalls gesetzlich geregelt (§ 322 Abs. 2 Satz 2 bis 4, Abs. 6 HGB, wobei § 322 Abs. 6 HGB ab der ab 23. Juli 2015 gültigen Fassung inhaltlich erweitert worden ist). Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses muss zweifelsfrei ergeben, ob ein uneingeschränkter oder eingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt oder der Bestätigungsvermerk versagt wird (§ 322 Abs. 2 Satz 1 HGB). Dabei ist der Wortlaut eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks gesetzlich vorgegeben (§ 322 Abs. 3 Satz 1 HGB). Gemäß § 322 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 HGB ist nur dann ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen, wenn Jahresabschluss und Lagebericht unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 5. Mai 2022, III ZR 131/​20, BGHZ 233, 279 Rn. 30).

(3) Bestätigungsvermerken des Abschlussprüfers über die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts einer Aktiengesellschaft oder des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts eines Konzerns (§§ 316 ff. HGB) kommt aufgrund verschiedener Publizitätsvorschriften (u. a. § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3, 3a HGB) die Bedeutung zu, allgemein Dritten einen Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen – sei es als künftigen Kunden beziehungsweise Gläubigern, sei es als an einer Beteiligung Interessierten – für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben (vgl. BGH, Urt. v. 24. April 2014, III ZR 156/​13, WM 2014, 935 Rn. 21). Denn Wirtschaftsprüfer gehören zu einem Personenkreis, dessen Stellungnahmen aufgrund der Sachkunde und der von ihm erwarteten Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit – insbesondere bei Prüfungsaufträgen – von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urt. v. 6. April 2006, III ZR 256/​04, BGHZ 167, 155 Rn. 12 m. w. N.) und Grundlage für Entscheidungen Dritter im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich sein können.

Die Abschlussprüfung nach §§ 316 ff. HGB hat zum Ziel, dass Unrichtigkeiten und Rechtsverstöße, die sich auf die Darstellung des Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der geprüften Kapitalgesellschaft oder des geprüften Konzerns wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden (vgl. BGH, Urt. v. 15. August 2024, III ZR 74/​23, juris Rn. 26 m. w. N.; Urt. v. 15. August 2024, III ZR 73/​23, NZI 2024, 893 Rn. 29; Urt. v. 12. März 2020, VII ZR 236/​19, ZIP 2020, 1024 Rn. 28).

Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers stellt damit in Verbindung mit dem – fachkundiger Interpretation bedürfenden – Jahresabschluss und dem Lagebericht des Unternehmens eine wichtige Informationsquelle für den Markt und insbesondere für Kapitalanlageinteressenten dar. Ein uneingeschränkter Vermerk begründet das Vertrauen, dass Abschluss und Lagebericht der geprüften Gesellschaft in dem bestätigten Umfang zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Mängel aufwiesen, die zur Verweigerung oder Einschränkung des Testats hätten führen müssen. Dagegen ist er keine unmittelbare Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und der Geschäftsführung des geprüften Unternehmens als solcher und kein von der Rechnungslegung losgelöstes „Gesundheitstestat“ oder „Gütesiegel“ (BGH, Urt. v. 15. August 2024, III ZR 74/​23, juris Rn. 26 m. w. N.). Für die Rechnungslegung des Konzerns gilt Entsprechendes.

cc) Ob der unter den Regelbeispielen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG a. F. nicht ausdrücklich genannte Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. darstellt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Dabei geht die Diskussion meist nicht auf die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. entscheidende Frage ein, ob die in dem Bestätigungsvermerk enthaltenen Angaben dem Abschlussprüfer als von ihm veranlasste öffentliche Kapitalmarktinformation zuzurechnen sind (dazu dd]).

(1) Nach einer Ansicht fällt der Bestätigungsvermerk unter die Definition der öffentlichen Kapitalmarktinformation. Dafür werden im Wesentlichen folgende Gründe angeführt:

(a) Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers unterfalle dem Regelbeispiel des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KapMuG a. F., denn er sei Bestandteil der Rechnungslegung des Emittenten, was aus dem Zusammenspiel von § 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB und § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB folge (so Landgericht München I, Vorlagebeschluss vom 14. März 2022, 3 OH 2767/​22 KapMuG; Foerster, ZIP 2022, 1683 [1685 f.]).

(b) Jedenfalls nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. stelle der Bestätigungsvermerk eine öffentliche Kapitalmarktinformation dar.

(aa) Der Bestätigungsvermerk sei ein Unternehmensdatum, da er „im Emittenten“ anfalle. Dieser gebe ihn in Auftrag und erhalte den Bericht zur Veröffentlichung gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB vorgelegt.

Der Bestätigungsvermerk enthalte in der „wohl gebotenen Zusammenschau mit Lagebericht und Jahresabschluss“ auch Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt seien und einen Emittenten von Wertpapieren beträfen (OLG München, Beschl. v. 13. Dezember 2021, 3 U 6014/​21, WM 2022, 470 Rn. 50 und OLG München, Verfügung v. 9. Dezember 2021, 8 U 6063/​21, WM 2022, 174 [juris Rn. 54]). Die Jahresabschlüsse enthielten Unternehmensdaten und der uneingeschränkte Prüfvermerk die Tatsachenbehauptung, dass diese Unternehmensdaten im gesetzlich vorgegebenen Rahmen geprüft worden und nach Einschätzung des Prüfers nicht zu beanstanden gewesen seien (OLG München, Beschl. v. 20. Mai 2022, 13 U 9056/​21, AG 2022, 829 [juris Rn. 17]).

Zu berücksichtigen sei auch die Regelung im Vermögensanlagengesetz. In dessen Abschnitt 3 sei neben den Jahresabschlüssen und Lageberichten (§ 23) auch der Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers genannt (§ 25). Das lege nahe, dass der Gesetzgeber, der die Regelungen insoweit aneinander anpassen habe wollen, den Bestätigungsvermerk als Kapitalmarktinformation angesehen habe, auch wenn dieser in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KapMuG a. F. nicht ausdrücklich erwähnt sei. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG sei der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers Bestandteil des Jahresberichts (OLG München, Beschl. v. 29. Februar 2024, 17 W 1163/​23 e, NZG 2024, 991 Rn. 42).

(bb) Der Prüfvermerk richte sich – anders als der an den Aufsichtsrat adressierte Prüfbericht – an die Öffentlichkeit und sei für diesen Adressatenkreis von immenser Wichtigkeit (OLG Stuttgart, Beschl. v. 28. Juni 2021, 12 AR 6/​21, NZG 2021, 1459 Rn. 19). Er nehme hinsichtlich der Gewährleistung der Informationsintegrität am Kapitalmarkt eine Schlüsselrolle ein und werde durch seine Veröffentlichung als Mitteilung über das Prüfergebnis zur öffentlichen Kapitalmarktinformation des Abschlussprüfers (Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, 2024, S. 44, 73, 137, 146 ff.).

(cc) Teilweise wird argumentiert, der Gegenstand einer öffentlichen Kapitalmarktinformation sei bereits nicht auf Informationen beschränkt, die aus dem Unternehmen selbst stammten (Klöhn, NZG 2024, 971 [973]; Waßmuth in Asmus/​Waßmuth, Kollektive Rechtsdurchsetzung, 2022, § 1 KapMuG Rn. 26), sondern schließe unternehmensexterne Informationsquellen wie den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers ein (vgl. Schorse/​Morfeld in BeckOK HGB, 45. Ed. Stand: 1. Januar 2025, § 322 Rn. 1; zustimmend Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 322 Rn. 2 Fn. 8; Kruis, DZWIR 2024, 521).

„Unternehmensdaten“ bildeten nicht den Oberbegriff für die anderen in § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. genannten Beispiele (Foerster, ZIP 2022, 1683 [1690]), sondern nur für das Beispiel „Kennzahlen“. Oberbegriffe am Ende von Aufzählungen dienten niemals der Eingrenzung, sondern stets der Erweiterung. Da der Begriff des „sonstigen Unternehmensdatums“ enger sei als die Begriffe „Tatsache“ und „Umstand“ (Klöhn, NZG 2024, 971 [972]; Foerster, ZIP 2022, 1683 [1690]), wäre die Nennung dieser Begriffe redundant, wenn es nur darauf ankäme, ob die Information ein Unternehmensdatum zum Gegenstand habe (Klöhn, NZG 2024, 971 [972 f.]). Die Qualifikation der sonstigen Unternehmensdaten als Oberbegriff habe keinen Anhalt in der Gesetzesbegründung (Foerster, ZIP 2022, 1683 [1690]; ebenso Klöhn, NZG 2024, 971 [974 f.]).

Das Gesetz stelle seinem Wortlaut nach allein auf die Information ab, nicht auf deren Quelle. Unerheblich sei, wer die Information letztlich veröffentlicht habe und auf welche Art und Weise die Unternehmensdaten an die Kapitalanleger übermittelt worden seien (Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, S. 147). Eine gegebene Information sei unabhängig von der Person desjenigen, der sie in die Welt gesetzt habe, entweder eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des Gesetzes oder nicht. Ein gespaltenes Verständnis je nach Informationsquelle könne auch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht überzeugen: Es gebe keinen Grund, die „KapMuG-Fähigkeit von Ansprüchen“ gegen eine Ratingagentur oder empfehlende Bank nach anderen Maßstäben zu beurteilen als die von Ansprüchen gegen den Emittenten oder Anbieter (Waßmuth in Asmus/​Waßmuth, Kollektive Rechtsdurchsetzung, § 1 KapMuG Rn. 26).

Der Anwendungsbereich des – nur das Verfahrensrecht regelnden – Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes sei am materiellen Recht auszurichten. Die zentralen Anspruchsgrundlagen der Kapitalmarktinformationshaftung seien nicht auf Informationen beschränkt, die aus bzw. von dem Unternehmen selbst stammten. Es sei allgemein anerkannt, dass der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht nur solche Informationen unterfielen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten entstünden, sondern auch solche, die „von außen“ kämen, wie zum Beispiel die Übermittlung eines Übernahmeangebots oder die Herabstufung durch eine externe Ratingagentur (Klöhn, NZG 2024, 971 [974 mit Verweis auf BT-Drs. 15/​3174 S. 35]). Gleiches gelte im Rahmen der Prospekthaftung, der auch Experten wie Wirtschaftsprüfer unterlägen, sofern sie für einzelne Prospektangaben die Verantwortungsübernahme gemäß § 3 VermVerkProsV erklärten (Klöhn, NZG 2024, 971 [974]).

Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz wende sich nicht nur an den Emittenten, sondern unter anderem an alle Prospektverantwortlichen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpPG, zu denen auch der Emissionsbegleiter zähle, sowie gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpPG an die sogenannten Prospektveranlasser, die, ohne zu den Prospektverantwortlichen zu gehören, ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Emission der Wertpapiere hätten und darauf hinwirkten, dass ein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt veröffentlicht werde (Klöhn, NZG 2024, 971 [973 f. m. w. N.]).

Der Bestätigungsvermerk als unternehmensexternes Informationsinstrument (Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, S. 72) erfülle eine wesentliche Informationsfunktion am Kapitalmarkt. Das darin enthaltene Prüfurteil des Abschlussprüfers stelle eine „Information über Unternehmensdaten“ dar (Lorenz, a. a. O. S. 151).

(dd) Als weiteres Argument wird angeführt, die Begriffe „Angabe“ und „Information über Umstände und Ereignisse“ seien nicht auf dem Beweis zugängliche (Tatsachen-) Behauptungen beschränkt (Klöhn, NZG 2024, 971 [973]). Dies gelte sowohl für das Insiderrecht als auch für das Prospekthaftungsrecht. Der Begriff der Insider-information als „Information über Umstände“ umfasse auch überprüfbare Werturteile und Prognosen (Klöhn, NZG 2024, 971 [973 mit Verweis auf BT-Drs. 15/​3174 S. 33]). Angaben im Sinne des Prospekthaftungsrechts seien auch „wertende Aussagen über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens oder seine voraussichtliche künftige Entwicklung“ (Klöhn, NZG 2024, 971 [973 m. w. N.]). Unter teleologischen Gesichtspunkten spreche nichts für eine entsprechende Beschränkung des Anwendungsbereichs des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes. Zweck des Gesetzes sei die „konzentrierte Erledigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen- und Rechtsfragen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts“ (Klöhn, NZG 2024, 971 [975 mit Verweis auf BT-Drs. 17/​8799 S. 16]).

Bei dem im Bestätigungsvermerk enthaltenen Prüfurteil des Abschlussprüfers handele es sich um eine Aussage, die sowohl Elemente eines Werturteils als auch einer Tatsachenbehauptung beinhalte. Im Bestätigungsvermerk erkläre der Abschlussprüfer, dass er seine Prüfung gemäß den gesetzlichen Vorgaben des § 317 HGB vorgenommen habe, was eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung darstelle. Bei dem Prüfungsurteil handele es sich um eine direkte Beurteilung von Unternehmensdaten, weshalb auch ein hinreichender Bezug zu diesen gegeben sei (vgl. Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, S. 152 f.).

(2) Die Vertreter der Gegenansicht, die den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers nicht als öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 2 KapMuG a. F. ansehen, führen im Wesentlichen folgende Argumente an:

(a) Gegen eine Subsumtion des Bestätigungsvermerks unter das Regelbeispiel des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KapMuG a. F. spreche, dass der Bestätigungsvermerk dort nicht genannt werde und nach der Legaldefinition in § 242 Abs. 3 HGB gerade kein Teil des Jahresabschlusses sei (Möllers, BKR 2025, 97 [99] sowie BKR 2022, 339 [342]). Aus dem Wortlaut des § 325 Abs. 1 Nr. 1 HGB („[…] und den Bestätigungsvermerk“) ergebe sich eindeutig, dass der Bestätigungsvermerk nicht Bestandteil des geprüften Jahresabschlusses und Lageberichts sei, sondern selbständig neben diesen stehe und selbständig neben diesen zu veröffentlichen sei (Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, S. 144 f.; Fölsing, WP Praxis 2022, 82 [86]).

(b) Der Bestätigungsvermerk sei auch nicht unter § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. zu subsumieren.

(aa) Alle in der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. verwendeten Begriffe („Tatsachen, Umstände, Kennzahlen“) hätten objektive Parameter. Somit habe der Gesetzgeber nur objektive, dem Beweis zugängliche Informationen, nicht aber die Meinungsäußerung eines Dritten von dem Begriff des Unternehmensdatums umfasst gesehen (Möllers, BKR 2022, 339 [342]).

(bb) Zwischen internen und externen Unternehmensinformationen sei zu unterscheiden. Die Aufzählung in den Regelbeispielen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG a. F. enthalte nur interne Unternehmensdaten, also solche, die vom Emittenten kämen oder zumindest vom Emittenten und seinem Personenkreis unmittelbar produziert worden seien. Als unternehmensexterne Information falle der Bestätigungsvermerk daher nicht unter den Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation (Möllers, BKR 2022, 339 [342]; ablehnend auch Merkt in Hopt, HGB, 44. Aufl. 2025, § 322 Rn. 1).

(cc) Der Bestätigungsvermerk sei keine objektive Information des Unternehmens, sondern die subjektive Bewertung des Wirtschaftsprüfers, dass die Rechnungslegung des geprüften Unternehmens im Wesentlichen den gesetzlichen Vorschriften entspreche (vgl. § 317 Abs. 1 HGB). Eine solche Bewertung eines Dritten stelle damit nur einen mittelbaren Bezug zum Unternehmen dar (Möllers, BKR 2022, 339 [342 m. w. N.]; in diesem Sinne auch LG Hamburg, Beschl. v. 26. August 2022, 313 O 182/​20 [juris Rn. 4] m. zust. Anm. Karwatzki, DB 2022, 2853). Gegenstand und Umfang der Prüfung seien – wie § 317 HGB vorschreibe – die für den Wirtschaftsprüfer fremden Daten des Unternehmens. Die Unternehmensdaten selbst seien als Prüfgegenstände von dem Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers als Ergebnis der Prüfung streng zu unterscheiden (Knops, BKR 2022, 366 [367]). Der Bestätigungsvermerk „oszilliere zwischen Tatsache und Meinung“, da er eher als unternehmensbezogene Tatsache wahrgenommen werde, auch wenn er in der Sache eine fundierte Bewertung darstelle; unter Zugrundelegung seiner tatsächlichen Natur sei er nicht als öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes alter Fassung anzusehen (vgl. Kern in BeckOGK, KapMuG 2012 § 1 Rn. 201).

dd) Nach Ansicht des Senats geht der Streit darüber, ob der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (eigentlich die darin enthaltenen Angaben) eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. darstellt, nicht ausreichend auf die davon zu trennende und nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidende Frage ein, ob eine in dem Bestätigungsvermerk enthaltene öffentliche Kapitalmarktinformation dem Abschlussprüfer als deren Veranlasser zuzurechnen ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Zulässigkeit eines auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. gestützten Musterfeststellungsantrags erforderlich, dass die geltend gemachte Schadensersatzpflicht an die Publikation oder die Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation anknüpft (vgl. BGH WM 2009, 110 Rn. 12).

Dem Abschlussprüfer ist der Bestätigungsvermerk nicht als eine von ihm veranlasste öffentliche Kapitalmarktinformation zuzurechnen, weil er das in dem Vermerk zusammengefasste Ergebnis der von ihm zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung durchgeführten Pflichtprüfung gemäß §§ 316 ff. HGB nicht gegenüber dem Kapitalmarkt kommuniziert und mit der Annahme des Prüfungsauftrags auch nicht die Aufgabe übernommen hat, den Kapitalmarkt über das Prüfungsergebnis zu unterrichten. Als vom Emittenten unabhängiges Kontrollorgan wendet sich der Abschlussprüfer mit der Dokumentation seines Prüfergebnisses im Bestätigungsvermerk nicht unmittelbar mit Informationen an den Kapitalmarkt, sondern erfüllt den ihm erteilten Prüfungsauftrag gegenüber der geprüften Kapitalgesellschaft als seiner Auftraggeberin. Der Umstand, dass der Auftraggeber – wie dem Abschlussprüfer bewusst ist – den Bestätigungsvermerk nach den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen offen zu legen hat, weist dem Abschlussprüfer selbst nicht die Rolle dessen zu, der den Kapitalmarkt entsprechend informiert. Nur dieses Verständnis steht im Einklang mit dem Haftungsregime, dem der Abschlussprüfer nach der Entscheidung des Gesetzgebers unterworfen ist.

(1) Dem Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation ist immanent, dass der Kapitalmarkt über den Gegenstand der Information unterrichtet wird. Unter einer „Kapitalmarktinformation“ ist deshalb zum einen der Inhalt der an den Kapitalmarkt kommunizierten Botschaft und zum anderen der Akt der Unterrichtung des Kapitalmarkts durch den jeweiligen Veranlasser, der diese Botschaft an den Kapitalmarkt kommuniziert, zu verstehen. Erst zusammen machen der Inhalt der Information und der Akt des Informierens eine öffentliche Kapitalmarktinformation aus (a. A. wohl Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 1 KapMuG Rn. 23; Waßmuth in Asmus/​Waßmuth, Kollektive Rechtsdurchsetzung, § 1 KapMuG Rn. 26).

Eine an den Kapitalmarkt gerichtete Botschaft kann deshalb nicht abstrahiert von ihrem jeweiligen Veranlasser daraufhin untersucht werden, ob sie eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. darstellt. Hat die Botschaft einen entsprechenden Informationsgehalt, stellt sie mit diesem Inhalt eine von ihrem Veranlasser ausgehende Unterrichtung des Kapitalmarkts dar. Der enge Zusammenhang zwischen dem Inhalt einer öffentlichen Kapitalmarktinformation und der Person ihres Veranlassers wird vor allem in den Fällen deutlich, in denen der Schadensersatzanspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. an die Unterlassung einer gebotenen öffentlichen Kapitalmarktinformation geknüpft wird; denn in einem solchen Fall kommt als Anspruchsgegner nur in Betracht, wer zu einer entsprechenden Unterrichtung des Kapitalmarkts verpflichtet ist. Eine publik gemachte Kapitalmarktinformation ist demjenigen zuzurechnen, der die Unterrichtung des Kapitalmarkts über den Inhalt der Botschaft veranlasst hat. Andere Personen informieren nicht allein deshalb den Kapitalmarkt, weil sie einen Beitrag dazu geleistet haben, dass der Veranlasser der Kapitalmarktinformation eine Botschaft des beanstandeten Inhalts an den Kapitalmarkt kommuniziert hat.

§ 1 Abs. 2 KapMuG a. F. enthält weder in seinem Satz 1 noch in seinem Satz 2 einen Verzicht auf die im Begriff der Kapitalmarktinformation selbst enthaltene Voraussetzung, dass der Kapitalmarkt über deren Inhalt durch einen dem Veranlasser zurechenbaren Verlautbarungsakt informiert werden muss. Denn an die Publikation oder Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation knüpft die von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. vorausgesetzte Schadensersatzpflicht wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation an (vgl. BGH WM 2009, 110 Rn. 11 f.).

(2) Nach den vorstehend erörterten Grundsätzen stellt der Bestätigungsvermerk gemäß § 322 HGB keine dem Abschlussprüfer als Veranlasser zuzurechnende öffentliche Kapitalmarktinformation dar. Als unternehmensexternes Informationsinstrument richtet sich der Bestätigungsvermerk zwar nicht nur an die geprüfte Kapitalgesellschaft und deren Organe, sondern auch an Marktteilnehmer, insbesondere auch an Kapitalanlageinteressenten (vgl. BGH, Urt. v. 15. August 2024, III ZR 74/​23, juris Rn. 26 m. w. N.; Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 322 Rn. 2; Böcking/​Gros/​Rabenhorst in Ebenroth/​Boujong, HGB, 5. Aufl. 2024, § 322 Rn.5; Lorenz, Kapitalmarktrechtliche Abschlussprüferhaftung, S. 147). Der Abschlussprüfer kommuniziert das in diesem Vermerk zusammengefasste Prüfungsergebnis aber nicht selbst an den Kapitalmarkt und übernimmt deshalb nicht die Information des Kapitalmarkts. Diese Rolle wird ihm auch nicht dadurch zugewiesen, dass der Bestätigungsvermerk – wie der Abschlussprüfer weiß – nach den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen offenzulegen ist.

(a) Der Bestätigungsvermerk ist in der Regel an die geprüfte Kapitalgesellschaft als Auftraggeberin der Prüfung adressiert (Schorse/​Morsfeld in BeckOK HGB, § 322 Rn. 15; Ebke in Münchener Kommentar zum HGB, § 322 Rn. 28; Justenhoven/​Küster/​Bernhardt in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 14. Aufl. 2024, § 322 HGB Rn. 40). Gemäß § 321 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Abschlussprüfer über Art und Umfang sowie über das Ergebnis der Prüfung zu berichten. Den Prüfungsbericht hat der Abschlussprüfer den gesetzlichen Vertretern der geprüften Kapitalgesellschaft vorzulegen (§ 321 Abs. 5 HGB). Der Bestätigungsvermerk oder der Vermerk über seine Versagung ist in den Prüfungsbericht aufzunehmen (§ 322 Abs. 7 Satz 2 HGB) und daher ebenso an die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft zu richten.

(b) Der Bestätigungsvermerk oder der Vermerk über dessen Versagung ist zwar gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB zusammen mit dem festgestellten Jahresabschluss und Lagebericht bzw. gemäß § 325 Abs. 3, 3a HGB zusammen mit dem Konzernabschluss und Konzernlagebericht offen zu legen. Nach diesen Vorschriften obliegt die Pflicht zur Offenlegung des Vermerks aber nicht dem Abschlussprüfer, sondern den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs der geprüften Kapitalgesellschaft.

Der Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen und der damit verbundenen Informationsmöglichkeit der Allgemeinheit kommt in Bezug auf die Kontrolle eines Unternehmens eine tragende Funktion zu (vgl. Fehrenbacher in Münchener Kommentar zum HGB, § 325 Rn. 8).

Der Umstand, dass ein erteilter Bestätigungsvermerk von den Mitgliedern des vertretungsberechtigen Organs der geprüften Kapitalgesellschaft zwingend offen zu legen und damit dem Kapitalmarkt zugänglich zu machen ist, verleiht dem Abschlussprüfer aber nicht die Stellung des Veranlassers einer öffentlichen Kapitalmarktinformation. Denn im Gegensatz zu den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs ist der Abschlussprüfer selbst nicht zur Offenlegung des Bestätigungsvermerks verpflichtet; mit der Übernahme des Prüfungsauftrags hat er auch nicht freiwillig die Aufgabe übernommen, den Kapitalmarkt über das Ergebnis der von ihm durchgeführten Prüfung zu unterrichten.

(3) Mit der durch § 325 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegung des erteilten Bestätigungsvermerks bzw. des Vermerks über dessen Versagung zusammen mit dem geprüften Konzernabschluss und Konzernlagebericht wird die Gesamteinschätzung der Rechnungslegung durch den Abschlussprüfer vielmehr zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation allein der geprüften Kapitalgesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F.

Die Tatsache, dass im Rahmen der Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts ein Bestätigungsvermerk erteilt worden ist, sowie die in dem Vermerk enthaltene Gesamteinschätzung der Rechnungslegung der Gesellschaft durch den Abschlussprüfer stellen Unternehmensdaten im Sinne der Legaldefinition dar. Diese Informationen sind auch für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt, wie sich aus der – unter bb) (3) dargestellten – Bedeutung des Bestätigungsvermerks als Informationsquelle für Kapitalanlageinteressenten sowie der angeordneten Pflicht zur Offenlegung ergibt. Mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks zusammen mit der geprüften Rechnungslegung kommunizieren die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der geprüften Kapitalgesellschaft in Erfüllung der ihnen obliegenden Offenlegungspflicht den Bestätigungsvermerk gegenüber dem Kapitalmarkt.

(4) Auch eine unabhängig von der gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegung gemäß § 325 HGB erfolgte Veröffentlichung der Bestätigungsvermerke zusammen mit dem jeweils geprüften Konzernabschluss und Konzernlagebericht durch Einstellen der Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 auf ihrer Homepage ist eine öffentliche Kapitalmarktinformation der Wirecard AG und nicht der Musterbeklagten zu 2).

Durch Einstellen des jeweiligen Geschäftsberichts in das Internet hat die Wirecard AG als Konzernmutter ihre geprüften Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Öffentlichkeit bekannt gemacht und dadurch auch die Bestätigungsvermerke an den Kapitalmarkt kommuniziert. Ob sie damit eine gesetzliche Verpflichtung – etwa nach § 37y WpHG a. F. i. V. m. § 37v WpHG a. F. bzw. nach § 117 WpHG i. V. m. § 114 WpHG – erfüllt hat, kann dahinstehen. Gemäß § 325 Abs. 5 HGB lässt die Offenlegungspflicht nach § 325 Abs. 1 und 3 HGB die auf Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung beruhenden Pflichten des geprüften Konzerns, den Konzernabschluss und Konzernlagebericht in anderer Weise bekannt zu machen, einzureichen oder Personen zugänglich zu machen, unberührt; auf dem Gesetz beruhende Informationspflichten gegenüber Aktionären ergeben sich etwa aus § 131 Abs. 1 Satz 3 und 4 AktG (vgl. Fehrenbacher in Münchener Kommentar zum HGB, § 325 Rn. 115). Zudem schließt die Offenlegungspflicht eine freiwillige Publizität als Maßnahme der Investor Relations nicht aus (vgl. § 328 Abs. 2 Satz 1 HGB).

(5) Soweit eine Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks zusammen mit dem geprüften Konzernabschluss und Konzernlagebericht unabhängig von einer gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegung erfolgt, kann sie dem Abschlussprüfer auch nicht nach den Grundsätzen der presserechtlichen Informantenhaftung zugerechnet werden. Die Haftung eines Informanten für eine Presseberichterstattung über dessen Informationen, die als unerlaubte Handlung oder Wettbewerbsverletzung beanstandet wird, beruht auf der Erwägung, dass der Informant durch seine Informationserteilung – meist als mittelbarer Täter oder Anstifter – die Verletzungshandlung überhaupt erst veranlasst hat (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1973, I ZR 123/​71, NJW 1973, 1460 [juris Rn. 17]). Von einer solchen Veranlassung durch die Musterbeklagte zu 2) kann aber bereits im Hinblick auf die ohnehin gesetzlich vorgeschriebene Offenlegung des Bestätigungsvermerks gemäß § 325 Abs. 1 und 3 bzw. 3a HGB durch die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der geprüften Kapitalgesellschaft bzw. eine nach anderen Vorschriften bestehende Pflicht zur Veröffentlichung des geprüften Konzernabschlusses und Konzernlageberichts keine Rede sein. Soweit ein Bestätigungsvermerk als einer von zahlreichen Bestandteilen eines Geschäftsberichts als Maßnahme der Investor Relations veröffentlicht wird, handelt es sich um eine Kommunikation der Aktiengesellschaft und nicht um eine solche, die vom Abschlussprüfer ausgeht. Der Dialog des kapitalmarktorientierten Unternehmens mit den Anlegern wird nicht vom Abschlussprüfer veranlasst.

ee) Mit der vom Senat vertretenen Ansicht, dass der Bestätigungsvermerk keine dem Abschlussprüfer als Veranlasser zuzurechnende öffentliche Kapitalmarktinformation darstellt, steht im Einklang, dass sich der Gesetzgebungsgeschichte des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nicht entnehmen lässt, dass Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Pflichtprüfungen (§§ 316 ff. HGB) und der Erstellung von Bestätigungsvermerken (§ 322 HGB) nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen sollten.

(1) Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Musterverfahrens die zivil- und kapitalmarktrechtliche Informations- und Prospekthaftung von Emittenten und sonstigen, für die jeweilige Kapitalmarktinformation verantwortlichen Personen stärken. Die Gesetzesmaterialien zur Erstfassung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom 16. August 2005 (KapMuG 2005) lassen erkennen, dass der historische Gesetzgeber aus ordnungspolitischen Gründen Unternehmen als Emittenten sowie die für die Information des Kapitalmarkts Mitverantwortlichen disziplinieren wollte.

Übergeordnetes Ziel des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes war nach der Gesetzesbegründung die Stärkung des Kapitalmarkts und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland. Dazu zählte der Gesetzgeber auch die Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger in die Integrität der Unternehmensführung und damit zugleich des Vertrauens in den Kapitalmarkt durch – neben anderen Maßnahmen – die Verbesserung der prozessualen Möglichkeiten der Anleger, ihre Ansprüche vor Gericht auch im Kollektiv geltend zu machen. Gerade durch die Stärkung des effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen gegenüber Unternehmen sollte auch für Effizienz des Kapitalmarkts und für das Vertrauen in sein von deliktischen Störungen weitgehend freies Funktionieren gesorgt werden (vgl. BT-Drs. 15/​5091 S. 13).

Die mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geschaffene kollektive Rechtsschutzform sollte ausschließlich auf die Geltendmachung kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche sowie bestimmter vertraglicher Erfüllungsansprüche beschränkt sein (BT-Drs. 15/​5091 S. 16). Die Einführung des Musterverfahrens sollte in ordnungspolitischer Hinsicht der Stärkung der zivil- und kapitalmarktrechtlichen Informations- und Prospekthaftung dienen. Ein schlagkräftiges kollektives Rechtsverfolgungsinstrument sollte Emittenten im Bereich des Kapitalmarktrechts verstärkt dazu veranlassen, die Publizitäts-, Vertriebs- oder sonstigen Verhaltensregeln einzuhalten. Die kollektive Rechtsschutzform in Gestalt eines Musterverfahrens sollte die staatliche Finanzmarktaufsicht als sogenannte zweite Spur verstärken (BT-Drs. 15/​5091 S. 16).

Auch die beispielhafte Aufzählung (vgl. BT-Drs. 15/​5091 S. 20) der unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG 2005 fallenden Schadensersatzansprüche (§ 44 BörsG, §§ 37b und 37c WpHG, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 331 HGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sowie § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 264a StGB) belegen die gegen Emittenten und Informationsverantwortliche gerichtete Zielrichtung des Gesetzes. Entsprechendes gilt für die Begründung zu § 32b ZPO, in der der Gesetzgeber als denkbare Beklagte neben dem Emittenten seinen Emissionsbegleiter sowie die Mitglieder der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane beispielhaft aufzählt (vgl. BT-Drs. 15/​5091 S. 33).

(2) Mit der Neufassung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2182) hat der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. den Anwendungsbereich auf Schadensersatzansprüche wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, moderat ausgedehnt. Dies betraf jedoch nicht die Frage, ob es sich bei der Veröffentlichung eines Bestätigungsvermerks zusammen mit dem geprüften Konzernabschluss und Konzernlagebericht durch die geprüfte Gesellschaft um eine Kapitalmarktinformation des Abschlussprüfers handelt.

Dadurch sollten Klagen, die auf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung oder -vermittlung oder auf einen Anspruch aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB gestützt werden, musterverfahrensfähig werden (vgl. BT-Drs. 17/​8799 S. 14). Erfasst werden sollten insbesondere die Fälle der sogenannten uneigentlichen Prospekthaftung (oder Prospekthaftung im weiteren Sinn), in denen sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt. Klagen aufgrund von Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinn – gegen Emittenten, Anbieter oder Zielgesellschaften einerseits und gegen Anlageberater und -vermittler anderseits – sollten künftig in einem Musterverfahren zusammengefasst werden können, sofern ein Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drs. 17/​8799 S. 16).

Die Einfügung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. erfolgte vor dem Hintergrund der in der Gesetzesbegründung zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach es für die Zulässigkeit eines Musterfeststellungsantrags nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. erforderlich ist, dass sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unmittelbar aus einer fehlerhaften, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformation ergibt (BT-Drs. 17/​8799 S. 16 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 10 Juni 2008, BGHZ 177, 88 und Beschl. v. 30. Oktober 2008, NJW 2009, 513). Schadensersatzansprüche gegenüber einem Vermittler, der den Anspruchsteller über Kapitalanlagen beraten und ihm eine Anlage, über die öffentlich fehlerhaft informiert worden war, empfohlen hat, haben nach dieser Rechtsprechung nur einen mittelbaren Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation und stellen auch dann keine Inanspruchnahme wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen dar, wenn sich die Beratung auf die fehlerhafte Information gestützt hatte (BGH WM 2009, 110 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 30. Januar 2007, X ARZ 381/​06, WM 2007, 587 Rn. 11 zu § 32b Abs. 1 ZPO a. F., der in der Neufassung im Wortlaut gleichgeblieben ist).

In der Gesetzesbegründung kommt zwar die Erwartung des historischen Gesetzgebers zum Ausdruck, dass es auf die Unterscheidung zwischen unmittelbarer oder bloß mittelbarer Bedeutung der öffentlichen Kapitalmarktinformation für den Anspruch künftig nicht mehr ankommen werde (BT-Drs. 17/​8799 S. 14). Diese Erwartung beruht jedoch nicht auf einem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Verständnis von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. Indem der Gesetzgeber von einer Änderung dieser Vorschrift abgesehen und stattdessen mit der Einführung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nach eigenem Verständnis durch Schaffung eines neuen Tatbestands „moderat ausgeweitet“ hat (vgl. BT-Drs. 17/​8799 S. 14, 16), hat er vielmehr die Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG der Erstfassung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gebilligt. Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. sollte demnach weiterhin nur eröffnet sein, wenn ein unmittelbarer Bezug des geltend gemachten Anspruchs zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (vgl. BT-Drs. 17/​8799 S. 16 f.).

Die Definition der öffentlichen Kapitalmarktinformation behielt der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. unverändert bei. Der Katalog der Regelbeispiele in Absatz 2 Satz 2 wurde an das mittlerweile geltende Kapitalmarktrecht und an den Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (BT-Drs. 17/​6051) angepasst (BT-Drs. 17/​8799 S. 17). Eine Erweiterung des Katalogs um Angaben in Bestätigungsvermerken des Abschlussprüfers im Sinne von § 322 HGB erfolgte nicht. Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer wegen Pflichtverletzungen im Rahmen einer Pflichtprüfung nach den §§ 316 ff. HGB finden in der Gesetzesbegründung keine Erwähnung. Sie fallen auch nicht in die durch die Einfügung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. bewirkte moderate Erweiterung des Anwendungsbereichs des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes.

(3) Die aktuelle Novelle des Gesetzes betrifft zwar auch „Bestätigungsvermerke“. Dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis.

(a) Durch das Zweite Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom 16. Juli 2024 (BGBl. I S. 240) wurden unter § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 9 KapMuG in der seit 20. Juli 2024 geltenden Fassung unter anderem Bestätigungsvermerke von Abschlussprüfern zu offenzulegenden Jahresabschlüssen und Konzernabschlüssen des Emittenten als Informationsträger in den Katalog der Regelbeispiele aufgenommen. Der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 12. Juni 2024 kann entnommen werden, dass dadurch klargestellt werden sollte, dass auch die in Bestätigungsvermerken enthaltenen Angaben, die einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter sonstiger Vermögensanlagen betreffen, öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne des Gesetzes sein können (BT-Drs. 20/​11787 S. 45 f.).

(b) Die Neuregelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 9 KapMuG findet auf Altfälle aber keine Anwendung (vgl. Möllers, BKR 2025, 97 [103 f.]; a. A. Schultzky in Zöller, ZPO, § 32b Rn. 5; Lenz, DB 2024, 2349 [2350 f.]). Dies hat der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 2 KapMuG ausdrücklich angeordnet. Nach der Übergangsregelung ist auf Musterverfahren, die – wie das vorliegende Verfahren – aus einem vor dem 20. Juli 2024 gestellten Musterverfahrensantrag herrühren, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in seiner bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Dies gilt für sämtliche Normen der Neufassung. Hätte der Gesetzgeber einzelne Normen der Neufassung von der Übergangsregelung ausnehmen wollen, wäre eine ausdrückliche Regelung notwendig gewesen.

(c) Selbst wenn der Gesetzgeber nachträglich festgestellt wissen wollte, dass Bestätigungsvermerke unter die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG a. F. fielen, führt dies nicht dazu, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. erweiternd dahin auszulegen ist, dass auch Schadensersatzansprüche gegen Abschlussprüfer erfasst sind.

(aa) Falls der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen Regelbeispiels keine Klarstellung, sondern eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG vorgenommen haben sollte, hätte dies für die bis einschließlich 19. Juli 2024 geltende Fassung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes keine Bedeutung.

Die Aufnahme des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers in den Katalog der Regelbeispiele für Träger öffentlicher Kapitalmarktinformationen könnte dahin zu verstehen sein, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer im Zusammenhang mit der pflichtwidrigen Erteilung eines Bestätigungsvermerks in den Anwendungsbereich des – durch die Neufassung nicht geänderten – § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG fallen können, auch wenn dies in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 12. Juni 2024 (BT-Drs. 20/​11787) nicht näher ausgeführt wird. Da sich aus den Gesetzesmaterialien zu den bisherigen Fassungen des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes für die Vergangenheit eine entsprechende Vorstellung des historischen Gesetzgebers nicht ableiten lässt, hätte der Gesetzgeber in diesem Fall mit der Einfügung des neuen Regelbeispiels keine Klarstellung, sondern eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG vorgenommen (vgl. Möllers, BKR 2025, 97[104]).

Ein geändertes Verständnis des Gesetzgebers hätte aber nicht zur Folge, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. nunmehr erweiternd dahin auszulegen wäre, dass auch Schadensersatzansprüche gegen Abschlussprüfer erfasst sind. Der Wunsch des Gesetzgebers, eine Rechtslage rückwirkend klarzustellen, verdient nur in den durch das Rückwirkungsverbot gezogenen Grenzen verfassungsrechtliche Anerkennung. Der Gesetzgeber hat es für die Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen, dass die Gerichte das damals geltende Gesetzesrecht in den verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung verbindlich auslegen. Entspricht diese Auslegung nicht oder nicht mehr dem politischen Willen des Gesetzgebers, kann er das Gesetz nur für die Zukunft ändern (BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013, 1 BvL 5/​08, BVerfGE 135, 1 Rn. 55; BGH, Urt. v. 14. Dezember 2021, XIII ZR 1/​21, WM 2023, 885 Rn. 38).

(bb) Erst recht gilt dies, wenn der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen Regelbeispiels lediglich seiner Überzeugung Ausdruck verleihen wollte, dass Angaben in einem Bestätigungsvermerk unter die – unverändert gebliebene – Legaldefinition der öffentlichen Kapitalmarktinformation in § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG fallen können.

Eine sinnvolle Anwendung des neuen Regelbeispiels setzt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG auf Schadensersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer nicht voraus. Da der Bestätigungsvermerk – wie dargelegt – mit seiner Offenlegung gemäß § 325 Abs. 3, 3a HGB oder einer sonstigen Veröffentlichung zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation der geprüften Kapitalgesellschaft wird, könnte ein deliktischer Schadensersatzanspruch im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. gegen diese auch darauf gestützt werden, dass die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft einen vom Abschlussprüfer erteilten Bestätigungsvermerk in Kenntnis oder vorwerfbarer Unkenntnis von dessen unzutreffendem oder irreführendem Inhalt veröffentlicht haben.

ff) Aus der ordnungspolitischen Zielrichtung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes – jedenfalls in der bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung – folgt, dass Schadensersatzansprüche gegen Abschlussprüfer aufgrund eigener Pflichtverletzungen im Rahmen der Pflichtprüfung nach §§ 316 ff. HGB nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen. Dessen Anwendungsbereich beschränkt sich vielmehr auf Schadensersatzansprüche gegen Emittenten, Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen, Prospektverantwortliche und sonstige für die Unterrichtung des Kapitalmarkts verantwortliche Personen.

(1) Emittenten, deren Organe sowie andere für die jeweilige Kapitalmarktinformation Verantwortliche haften, weil sie die Teilnehmer des Kapitalmarkts falsch informieren oder Informationen, deren Veröffentlichung geboten ist, zurückhalten. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist jeweils die Falsch- oder Nichtinformation der Kapitalmarktteilnehmer. Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. umfasst nur dieses Haftungsregime. Der Anspruchsgegner muss gegen eine „Pflicht zur richtigen Information“ verstoßen haben (vgl. Kern in BeckOGK, KapMuG 2012, § 1 Rn. 144).

(a) So knüpft die in § 331 HGB geregelte Haftung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft in sämtlichen Fassungen der Norm an die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft oder des Konzerns in den dort genannten Publikationen, unter anderem im Jahresabschluss oder im Lagebericht (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB) oder im Konzernabschluss oder im Konzernlagebericht (§ 331 Abs. 1 Nr. 2 HGB) an. Eine unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse liegt vor, wenn die Darstellung mit den objektiven Gegebenheiten am Maßstab konkreter Rechnungslegungsnormen und den Grundsätzen objektiver Buchführung nicht übereinstimmt (BGH, Beschl. v. 15. August 2019, 5 StR 204/​19, wistra 2020, 29 Rn. 9 m. w. N.); dabei muss die Darstellung mit der objektiven Sachlage verglichen werden, nicht mit der subjektiven Vorstellung des Handelnden (Grottel/​Hoffmann in Beck’scher Bilanzkommentar, § 331 HGB Rn. 11). Eine Verschleierung ist gegeben, wenn Tatsachen zwar objektiv richtig, aber so undeutlich oder unkenntlich wiedergegeben werden, dass sich der wirkliche Tatbestand nur schwer oder überhaupt nicht erkennen lässt. Durch diesen Tatbestand soll dem Täter vor allem der Einwand abgeschnitten werden, seine Darstellung sei zwar geschickt, aber nicht unwahr (Grottel/​Hoffmann in Beck’scher Bilanzkommentar, 14. Aufl. 2024, § 331 HGB Rn. 15 m. w. N.).

(b) Im Rahmen seiner Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität haftet ein Emittent wegen der unterlassenen unverzüglichen Veröffentlichung einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation oder der Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen einem dadurch geschädigten Dritten nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Norm auf Schadensersatz (vgl. §§ 37b, 37c WpHG in ihren verschiedenen bis zum 2. Januar 2018 geltenden Fassungen, nunmehr §§ 97, 98 WpHG). In § 37c WpHG a. F. bzw. § 98 WpHG wird die Haftung des Emittenten unmittelbar an die Publikation einer inhaltlich unrichtigen oder unvollständigen Ad-hoc-Mitteilung geknüpft (vgl. Buck-Heeb in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, 14. Ed. Stand: 1. Januar 2025, § 98 WpHG Rn. 21 f.).

(c) Entsprechendes gilt im Rahmen der verschiedenen spezialgesetzlichen Vorschriften, welche die Prospekthaftung im engeren Sinne regeln. Die Haftung wird jeweils daran geknüpft, dass in dem Prospekt die für die Beurteilung der Wertpapiere, Vermögensanlagen, Anlagen oder Aktien wesentlichen Angaben unrichtig oder unvollständig sind (vgl. §§ 21, 22 WpPG in den bis einschließlich 20. Juli 2019 geltenden Fassungen; §§ 8, 9 WpPG in den ab 21. Juli 2019 geltenden Fassungen; § 20 Abs. 1 VermAnlG; § 13 Abs. 1 KAGB).

(2) Für den Abschlussprüfer sieht das Gesetz bei Verletzung der ihm obliegenden Prüfpflichten dagegen ein eigenes Haftungsregime vor, das sich vom Haftungsregime für die Verletzung von kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten im Rahmen der Regel- und Ad-hoc-Publizität sowie der Prospekthaftung im engeren Sinne in wesentlichen Punkten klar unterscheidet:

(a) Der Abschlussprüfer haftet für eine nicht ordnungsgemäße Prüfung. Damit knüpft die Haftung des Abschlussprüfers nicht an die Testaterteilung oder die objektive Unrichtigkeit des Testats als solche an; vorausgesetzt wird vielmehr ein schuldhafter Pflichtverstoß bei Durchführung der Prüfung (vgl. BGH, Urt. v. 2. April 1998, III ZR 245/​96, BGHZ 138, 257 [juris Rn. 10]).

Gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB sind der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Anwendungsbereich des § 323 HGB umfasst die gesetzliche Pflichtprüfung nach §§ 316 ff. HGB mit der Prüfung von Jahresabschluss/​Konzernabschluss nach dem Handelsgesetzbuch oder IFRS (Staake in Hachmeister/​Kahle/​Mock/​Schüppen, Bilanzrecht, 3./​4. Aufl. 2022/​2024, § 323 HGB Rn. 6).

(b) Vor allem hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB die Grundsatzentscheidung getroffen, dass die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers, der im Rahmen einer Pflichtprüfung vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt hat, ungeachtet der auf Publizität und Vertrauensbildung angelegten Funktion des Bestätigungsvermerks regelmäßig auf – zudem für fahrlässiges Handeln gemäß § 323 Abs. 2 HGB in der im vorliegenden Fall maßgeblichen, bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung der Höhe nach begrenzte – Schadensersatzansprüche der geprüften Kapitalgesellschaft und der mit dieser verbundenen Unternehmen beschränkt ist (vgl. BGH, WM 2014, 935 Rn. 21; Justenhoven/​Feldmüller in Beck’scher Bilanzkommentar, § 323 HGB Rn. 141; Poll in BeckOK HGB, § 323 Rn. 33). Gegenüber Dritten, die im Vertrauen auf den zusammen mit der Rechnungslegung der geprüften Kapitalgesellschaft publizierten Prüfvermerk des Abschlussprüfers wirtschaftliche Dispositionen getroffen haben, soll der Abschlussprüfer im Regelfall nicht für die Richtigkeit oder Vertretbarkeit seines Prüfvermerks einzustehen haben.

(aa) Der Vertrag über die Abschluss- und Konzernabschlussprüfung gemäß § 316 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 HGB stellt sich als Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB dar (BGH, Urt. v. 28. April 2022, IX ZR 69/​21, ZIP 2022, 1337 Rn. 9 m. w. N.). Er entfaltet regelmäßig keine Schutzwirkung zugunsten Dritter. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar im Einzelfall ein Dritter in den Schutzbereich des Abschlussprüfvertrags einbezogen sein. Das Bestehen und die Reichweite eines etwaigen Drittschutzes sind durch Auslegung des jeweiligen Prüfvertrags zu ermitteln (BGH, Urt. v. 15. Dezember 2005, III ZR 424/​04, 423WM 2006, 423 [juris Rn. 12]). Ein Drittschutz kommt in Betracht, wenn sich für den Abschlussprüfer hinreichend deutlich ergibt, dass von ihm anlässlich der Pflichtprüfung der Kapitalgesellschaft eine besondere Leistung begehrt wird, von der gegenüber einem Dritten, der auf seine Sachkunde vertraut, Gebrauch gemacht werden soll (BGHZ 138, 257 [juris Rn. 9]). Dagegen kann regelmäßig nicht angenommen werden, dass der Abschlussprüfer ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe (BGH WM 2006, 423 [juris Rn. 12]; Poll in BeckOK HGB, § 323 Rn. 34 ff.).

Selbst wenn ausnahmsweise eine vertragliche Dritthaftung des Abschlussprüfers bestehen sollte, ist die in § 323 HGB zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers zu beachten, das Haftungsrisiko des Wirtschaftsprüfers zu beschränken (vgl. BGH WM 2006, 423 [juris Rn. 13 m. w. N.]). Da Bestätigungsvermerken ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben, dies den Gesetzgeber aber nicht veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, genügt es für die Annahme einer Schutzwirkung allein nicht, dass ein Dritter die von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte (vgl. BGH, Beschl. v. 11. November 2008, III ZR 311/​07, juris Rn. 5).

(bb) Eine deliktische Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten kann nicht auf die Verletzung der in § 323 HGB normierten Pflichten gestützt werden. § 323 HGB stellt kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, weil anderenfalls die speziellen handelsrechtlichen Regelungen unterlaufen würden (Poll in BeckOK HGB, § 323 Rn. 33; OLG Celle, Urt. v. 5. Januar 2000, 3 U 17/​99, NZG 2000, 613 [juris Rn. 33]).

(c) Eine Haftung des Abschlussprüfers für Vermögensschäden Dritter, die im Vertrauen auf den Inhalt des Testats Vermögensdispositionen getroffen haben, kommt demnach im Regelfall nur wegen Verletzung eines Schutzgesetzes oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht. Im Rahmen der danach in Frage kommenden Haftungstatbestände genügt es zur Begründung des Deliktsvorwurfs allerdings nicht, dass der Abschlussprüfer seine Prüfpflichten verletzt und infolgedessen einen objektiv fehlerhaften Bestätigungsvermerk erteilt hat.

(aa) Nach § 332 Abs. 1 HGB in der im vorliegenden Fall einschlägigen, vom 10. Dezember 2004 bis einschließlich 30. Juni 2021 geltenden Fassung (a. F.) macht sich strafbar, wer als Abschlussprüfer oder als Gehilfe eines Abschlussprüfers über das Ergebnis der Prüfung (unter anderem) eines Jahresabschlusses, eines Lageberichts, eines Konzernabschlusses oder eines Konzernlageberichts einer Kapitalgesellschaft unrichtig berichtet, im Prüfungsbericht (§ 321 HGB) erhebliche Umstände verschweigt oder einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) erteilt. Diese Vorschrift stellt auch im Hinblick auf einen Anleger ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar (BGH ZIP 2020, 1024 Rn. 14).

Ein Bestätigungsvermerk ist aber nur dann inhaltlich unrichtig im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB a. F., wenn sein Inhalt nicht mit dem Ergebnis der Prüfung übereinstimmt, der konkrete Bestätigungsvermerk also nach dem Prüfungsergebnis, wie es sich für den Prüfer subjektiv darstellt, nicht hätte erteilt werden dürfen. Der Abschlussprüfer macht sich deshalb selbst dann nach § 332 Abs. 1 HGB strafbar, wenn er einen objektiv zutreffenden Prüfungsbericht erstellt, der nicht mit seinen eigenen Prüfungsfeststellungen übereinstimmt (Waßmer in BeckOGK, Stand 1. September 2024, HGB § 332 Rn. 32; Klinger in Münchener Kommentar zum HGB, § 332 Rn. 20; Leplow in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2023, § 332 HGB Rn. 33; a. A. Dierlamm, NStZ 2000, 130 [131 f.] im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm: Dem geschützten Personenkreis sei die Unehrlichkeit des Abschlussprüfers gleichgültig, solange dessen Prüfungsbericht der Wahrheit entspreche.). Entscheidend ist ausschließlich die inhaltliche Übereinstimmung von Prüfungsergebnis und Bestätigungsvermerk. Stimmt der Bestätigungsvermerk mit dem Ergebnis der Prüfung überein, scheidet eine Strafbarkeit des Abschlussprüfers gemäß § 332 HGB aus (vgl. Klinger in Münchener Kommentar zum HGB, § 332 Rn. 29, 31; Waßmer in BeckOGK, HGB § 332 Rn. 32). Denn Bezugspunkt der Strafbarkeit ist nicht die Fehlerhaftigkeit der Prüfung, sondern die Abweichung von den tatsächlich erhobenen Feststellungen des Prüfers, also dessen Unehrlichkeit (vgl. Merkt in Hopt, HGB, § 332 Rn. 1; Waßmer in BeckOGK, HGB § 332 Rn. 6 m. w. N.).

Der Abschlussprüfer handelt allerdings auch dann vorsätzlich, wenn er einen Bestätigungsvermerk erteilt, obwohl er selbst die Möglichkeit erkennt, dass dieser inhaltlich unrichtig im Sinne von § 332 HGB sein könnte, etwa weil er konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass noch berichtspflichtige oder vermerkrelevante Vorgänge aufzuklären sind. Ist dem Abschlussprüfer bewusst, dass das bisherige Ergebnis seiner eigenen Prüfung so, wie es sich ihm selbst darstellt, keine tragfähige Grundlage für die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks bildet, und unterlässt er dennoch weitere Prüfungshandlungen, verwirklicht er mit der Erteilung des Bestätigungsvermerks bedingt vorsätzlich den Tatbestand des § 332 Abs. 1 HGB (vgl. Leplow in Münchener Kommentar zum StGB, § 332 HGB Rn. 51; Klinger in Münchener Kommentar zum HGB, § 332 HGB Rn. 35 f.).

(bb) Eine deliktische Haftung des Abschlussprüfers aus § 826 BGB wird angenommen, wenn er bei seiner Tätigkeit in vorsätzlich sittenwidriger Weise fremdes Vermögen geschädigt hat. Das kommt bei einer besonders schwerwiegenden Verletzung der ihn als Experten treffenden Sorgfaltsplichten in Betracht.

Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate begründet es einen Sittenverstoß, wenn der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt. Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht darum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z. B. durch nachlässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachtenaufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (vgl. BGH, ZIP 2020, 1024 Rn. 35; Urt. v. 19. November 2013, VI ZR 336/​12, WM 2014, 17 Rn. 10). Vorsätzlich sittenwidrig handelt, wer seine Berufspflichten in solchem Maße grob fahrlässig und leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu qualifizieren ist (BGH, Urt. v. 6. Mai 2008, XI ZR 56/​07, BGHZ 176, 281 [juris Rn. 46 m. w. N.]; kritisch Grigoleit, ZIP 2024, 1293 [1295 f.]).

(d) In der Gesamtschau lassen die vorstehend erörterten Haftungstatbestände erkennen, dass sich die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten, insbesondere (potentiellen) Anlegern, für unrichtige Testate im Zusammenhang mit Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB in wesentlichen Punkten vom kapitalmarktrechtlichen Haftungsregime für die Verletzung von Informationspflichten im Rahmen der Kapitalmarktkommunikation unterscheidet.

Der Bestätigungsvermerk entfaltet zwar im Hinblick auf seine gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 HGB vorgeschriebene Offenlegung durch die gesetzlichen Vertreter der geprüften Kapitalgesellschaft eine tatsächliche Außenwirkung; der Gesetzgeber hat jedoch davon abgesehen, diese tatsächliche Außenrichtung der Information mit einer Haftungsanordnung gegenüber dem Abschlussprüfer zu sanktionieren (vgl. Grigoleit, ZIP 2024, 1293 [1298]). Die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten knüpft gerade nicht an die objektive Unrichtigkeit oder Unvertretbarkeit des von ihm erteilten Testats an, sondern an eine qualifizierte Verletzung der ihm im Rahmen der Prüfung obliegenden Berufspflichten, nämlich an ein vorsätzlich vom eigenen Prüfungsergebnis abweichendes Testat (§ 332 Abs. 2 HGB) oder an wenigstens leichtfertiges und gewissenloses Verhalten bei der Erledigung des ihm erteilten Prüfungsauftrags (§ 826 BGB).

Nach kapitalmarktrechtlichen Grundsätzen haftet der Abschlussprüfer dagegen dann, wenn er über seine Tätigkeit als Abschlussprüfer hinausgeht und sich in die Rolle desjenigen begibt, der den Kapitalmarkt informiert, indem er in einem Träger von Kapitalmarktinformationen, etwa einem Prospekt, gegenüber potentiellen Anlegern die Gewähr für die Richtigkeit des von ihm erteilten Bestätigungsvermerks übernimmt. Unter dieser Voraussetzung bejaht der Bundesgerichtshof eine Prospekthaftung des Wirtschaftsprüfers, wenn sich der Vertrauenstatbestand aus dem Prospekt ergibt, sofern nicht die Mitwirkung an der Prospektgestaltung auf andere Weise nach außen hervorgetreten ist. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn das Testat eigens für die Prospektveröffentlichung gefertigt worden ist. In einem solchen Fall handelt es sich allerdings nicht um einen Bestätigungsvermerk im Sinne des § 322 HGB, sondern um ein qualifiziertes Testat über den Prospekt selbst mit werbender Funktion (vgl. BGH, Beschl. v. 21. November 2018, VII ZR 232/​17, NJW-RR 2019, 423 Rn. 19 m. w. N.).

b)

Ebenso wenig fällt ein Schadensersatzanspruch gegen die Musterbeklagte zu 2) wegen Beihilfe zu einer kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzung der Wirecard AG durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke über die Prüfung der Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. Die in den veröffentlichten Geschäftsberichten wiedergegebenen Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Wirecard AG verwirklichen zwar das Regelbeispiel des § 1 Abs. 2 Nr. 5 KapMuG a. F., es fehlt aber an dem erforderlichen unmittelbaren Bezug der geltend gemachten Schadensersatzpflicht der Musterbeklagten zu 2) zu der als falsch, irreführend oder unterblieben beanstandeten öffentlichen Kapitalmarktinformation der Wirecard AG.

aa) Die der Musterbeklagten zu 2) nach den Feststellungszielen B I und II des Vorlagebeschlusses vorgeworfene objektive Förderung einer Publizitätspflichtverletzung der Wirecard AG durch pflichtwidrige Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke ist nicht geeignet, den erforderlichen Unmittelbarkeitszusammenhang mit einer haftungsbegründenden öffentlichen Kapitalmarktinformation der Wirecard AG – seien es falsche Angaben in den von der Musterbeklagten zu 2) geprüften Konzernabschlüssen oder Konzernlageberichten oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen – herzustellen. Es genügt insofern nicht, dass der gegenüber dem Haupttäter geltend gemachte Schadensersatzanspruch unmittelbar an eine von diesem veranlasste falsche oder irreführende oder von diesem unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation anknüpft. Vielmehr muss der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch und der öffentlichen Kapitalmarktinformation in jedem Prozessrechtsverhältnis selbst bestehen.

(1) Der Bundesgerichtshof hat das Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhangs mit einer falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformation in einer Entscheidung zu Ansprüchen nach § 128 Satz 1 HGB (analog) dahingehend umschrieben, dass die falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation für sich genommen Voraussetzung der haftungsbegründenden Norm sein muss (BGH WM 2022, 2137 Rn. 49). Aus diesem Grund fallen etwa Ansprüche, die auf den gesetzlichen Haftungstatbestand des § 128 Satz 1 HGB (analog) gestützt werden, nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F.; denn die öffentliche Kapitalmarktinformation ist nicht für sich genommen Voraussetzung für einen solchen Anspruch, sondern nur als Bestandteil des Tatbestandsmerkmals der Gesellschaftsverbindlichkeit (BGH a. a. O.).

(2) Die der Musterbeklagten zu 2) unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zu einer Haupttat der Wirecard AG vorgeworfene Pflichtverletzung und der insoweit geltend gemachte haftungsbegründende Umstand bestehen nicht darin, dass die Musterbeklagte zu 2) selbst falsche oder irreführende Kapitalmarktinformationen veröffentlicht oder die gebotene Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen unterlassen, mithin selbst eine kapitalmarktrechtliche Informationspflichtverletzung begangen haben soll. Die geltend gemachte Pflichtverletzung geht vielmehr dahin, dass die Musterbeklagte zu 2) die ihr obliegenden Pflichten als Abschlussprüferin verletzt habe. Insoweit knüpft die geltend gemachte Haftung der Musterbeklagten zu 2) weder an die Publikation oder die Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation an (vgl. BGH WM 2009, 110 Rn. 12) noch ist eine unrichtige, irreführende oder unterlassene Kapitalmarktinformation für sich genommen Voraussetzung für den gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachten Anspruch. Die Publikation von falschen öffentlichen Kapitalmarktinformationen bzw. die Unterlassung gebotener Ad-hoc-Mitteilungen sind vielmehr Gegenstand der Haupttat der Wirecard AG, welche die Musterbeklagte zu 2) durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke gefördert haben soll.

Der erforderliche unmittelbare Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation könnte allenfalls dann bejaht werden, wenn ein (objektives) Tatbestandsmerkmal des der Musterbeklagten zu 2) zur Last gelegten Förderbeitrags selbst eine öffentliche Kapitalmarktinformation wäre. Dies ist aber nicht der Fall, da die im Bestätigungsvermerk enthaltene Beurteilung des Prüfungsergebnisses – wie unter 3. a) ausgeführt – keine öffentliche Kapitalmarktinformation des Abschlussprüfers darstellt.

Ein unmittelbarer Bezug zwischen den gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachten Schadensersatzansprüchen und öffentlichen Kapitalmarktinformationen der Wirecard AG lässt sich auch nicht damit begründen, dass sich der Vorsatz des Gehilfen auch auf die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale der Haupttat beziehen muss. Förderungshandlung und Vorsatz des Gehilfen stellen lediglich die haftungsauslösende Verbindung zur Haupttat her, wie im Rahmen einer Haftung nach § 128 HGB die Gesellschafterstellung des in Anspruch genommenen Gesellschafters die haftungsauslösende Verbindung zur Gesellschaftsverbindlichkeit herstellt. Dies ändert aber nichts daran, dass die Haupttat sich für den Gehilfen als eine fremde Tat darstellt.

(3) § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ist ebenfalls nicht geeignet, den erforderlichen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen den gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachten Schadensersatzansprüchen und öffentlichen Kapitalmarktinformationen der Wirecard AG herzustellen (a. A. Foerster, ZIP 2022, 1683 [1692]). Unabhängig davon, ob man § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB als Zurechnungsregeln oder Beweisregeln begreift (vgl. zum Meinungsstand Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2024, § 830 BGB Rn. 6 f.), bleiben die im vorliegenden Fall relevanten öffentlichen Kapitalmarktinformationen, an welche die Schadensersatzpflicht der Musterbeklagten zu 2) anknüpfen könnte, Tatbestandsmerkmale der Haupttat.

(4) Die generelle Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen wegen Beihilfe zur kapitalmarktrechtlichen Informationspflichtverletzung eines anderen wäre zudem geeignet den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. nahezu unbeschränkt auszudehnen, da für die Förderung einer fremden Tat nach herrschender Meinung selbst völlig untergeordnete Tatbeiträge ausreichen (vgl. Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, § 830 Rn. 27 m. w. N.). Musterverfahrensfähig wären dann auch Schadensersatzansprüche von Anlegern gegen alle Personen, die in der Vorbereitung der Fehlinformation mitgewirkt haben, beispielweise gegen Zulieferer, deren Unterstützungsleistung im Rückdatieren von Rechnungen und der künstlichen Erhöhung wechselseitiger Umsätze läge (so das Beispiel in Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation in Deutschland und den USA, 2015, S. 362). Dies würde dem geforderten Kriterium der Unmittelbarkeit zuwiderlaufen und auch nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechen, der – wie dargelegt – mit der Schaffung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes die Stärkung der zivil- und kapitalmarktrechtlichen Informations- und Prospekthaftung gegenüber den für die Information des Kapitalmarkts Verantwortlichen beabsichtigte und mit der Einführung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes lediglich moderat gegen Verwender öffentlicher Kapitalmarktinformationen erweitern wollte.

bb) Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass in Fällen, in denen ein Emittent wegen Beihilfe zu einer Publizitätspflichtverletzung eines anderen Emittenten in Anspruch genommen wird, eine ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 32b Abs. 1 ZPO in der Fassung vom 19. Oktober 2012 am Sitz desjenigen Emittenten begründet ist, dem nach dem haftungsbegründenden Klagevorwurf die täterschaftliche Publizitätspflichtverletzung vorgeworfen wird (vgl. BGH ZIP 2020, 1879 Rn. 49). In dem zugrunde liegenden Fall wurde die Klage gegen den in Anspruch genommenen Gehilfen allerdings zugleich auf von diesem selbst täterschaftlich begangene Publizitätspflichtverletzungen gestützt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 30). Der Bundesgerichtshof hat sich im Rahmen der durch das Feststellungsziel gezogenen Grenzen nur dazu geäußert, wer bei einer solchen Fallkonstellation als „betroffener Emittent“ anzusehen ist. Aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof für die auf Beihilfe gestützten Ansprüche gegen den Gehilfen eine ausschließliche Zuständigkeit am Sitz des Haupttäters als begründet angesehen hat, ergibt sich nur, dass Ansprüche gegen einen Emittenten wegen Beihilfe zur kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzung eines anderen Emittenten in den Anwendungsbereich des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung vom 19. Oktober 2012 sowie des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen, wenn die Beihilfehandlung in der Verletzung einer eigenen kapitalmarktrechtlichen Informationspflicht besteht, und dass in diesem Fall ein einheitlicher Gerichtsstand am Sitz des Haupttäters eröffnet ist. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass Ansprüche wegen Beihilfe zur kapitalmarktrechtlichen Informationspflichtverletzung eines anderen generell in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen.

Der Musterentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 2015, 23 Kap 1/​13, den das Oberlandesgericht München zur Stützung seiner Ansicht anführt, dass Ansprüche wegen Beihilfe zu einer Informationspflichtverletzung eines Dritten in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fielen (OLG München, Beschl. v. 19. September 2022, 8 U 8302/​21, WM 2022, 2067 [juris Rn. 63 ff.]; Beschl. v. 6. Mai 2022, 8 U 5530/​21, ZIP 2022, 1487 Rn. 67), ist im Hinblick auf diese Frage unergiebig. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Verwendung eines Konditionenblatts durch die damalige Musterbeklagte nicht als objektive Beihilfe zu einer sittenwidrigen Schädigungshandlung eines Dritten gewertet; vielmehr hat es diese im Rahmen der Feststellungsziele Nrn. 20, 21, 31 und 32 begehrte Feststellung – aus anderen Gründen – nicht getroffen (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22. April 2022, 23 Kap 1/​13, BeckRS 2015, 9131 Rn. 107 ff.). Es trifft auch nicht zu, dass sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die nachfolgende Rechtsbeschwerde entnehmen ließe, dass die auf Beihilfe gestützten Ansprüche gegen die damalige Musterbeklagte musterverfahrensfähig waren; denn die Zurückweisung der Feststellungsziele Nrn. 20, 21, 31 und 32 war nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 13). Vor allem war die damalige Musterbeklagte selbst Emittentin und hatte die Verantwortung für die Angaben in dem Konditionenblatt übernommen (OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2015, 9131 Rn. 4 ff.), weshalb auch diese Entscheidung sich nicht dazu verhält, ob Ansprüche gegen einen Nicht-Emittenten wegen einer Beihilfehandlung, die sich nicht selbst als öffentliche Kapitalmarktinformation darstellt, in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. fallen.

c)

Eine Veranlassung für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV besteht nicht. Die Regelung der zivilrechtlichen Haftung wegen unzureichender Durchführung von Abschlussprüfungen obliegt den Mitgliedstaaten. Beim Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz handelt es sich um nationales Prozessrecht. Die Frage, ob Voraussetzungen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs in einer bestimmten Verfahrensart geklärt werden können, fällt nicht in den Regelungsbereich der europarechtlichen Regelungen zu Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse. Die Richtlinie (EU) 2020/​1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/​22/​EG ist nicht tangiert.

VI.

Mit dem Feststellungsziel A II 4 a wird die Feststellung begehrt, dass § 400 AktG (in der bis einschließlich 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, im Folgenden: a. F.) Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei. Dieses Feststellungsziel ist unstatthaft, soweit die Schutzgesetzeigenschaft von § 400 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AktG a. F. festgestellt werden soll, weil die der zu klärenden Rechtsfrage zugrunde liegenden Schadensersatzansprüche nicht in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes fallen.

1.

Wie bereits unter V. 1. näher ausgeführt, greift die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses nicht ein, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein kann (BGH AG 2017, 543 Rn. 10 m. w. N.; BGH WM 2017, 706 Rn. 10 m. w. N.; vgl. auch BGH, WM 2022, 2137 Rn. 44 ff.).

2.

Mit dem Feststellungsziel A II 4 a soll – wie der Zusammenhang mit dem nachfolgenden Feststellungsziel A II 4 b erkennen lässt – eine anspruchsbegründende Voraussetzung für einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen den Musterbeklagten zu 1) aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG a. F. festgestellt werden. Ein auf die Verwirklichung der Straftatbestände des § 400 Abs. 1 Nr. 2 oder des § 400 Abs. 2 AktG a. F. gestützter Schadensersatzanspruch fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F., weil die geltend gemachte Schadensersatzpflicht nicht unmittelbar an die Publikation oder die Veranlassung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Kapitalmarktinformation anknüpft (vgl. BGH WM 2022, 2137 Rn. 47; BGHZ 220, 100, Rn. 72; BGH WM 2009, 110 Rn. 12; BGHZ 177, 88 Rn. 15).

a)

Nach § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG a. F. macht sich strafbar, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft oder als Abwickler in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften des Aktiengesetzes einem Prüfer der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens zu geben sind, falsche Angaben macht oder die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 4 HGB (a. F.) mit Strafe bedroht ist. § 400 Abs. 2 AktG a. F. stellt falsche Angaben oder das Verschweigen erheblicher Umstände durch Gründer oder Aktionäre gegenüber (Gründungs-)Prüfern bei der Gründung einer Aktiengesellschaft oder bei gründungsgleichen Vorgängen wie etwa der Nachgründung (vgl. § 52 Abs. 4 AktG) oder einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen (vgl. § 183 Abs. 3 AktG) unter Strafe (vgl. Wittig in Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl. 2024, § 400 Rn. 79 ff.; Hefendehl in BeckOGK, Stand 1. Oktober 2024, AktG § 400 Rn. 165 f.).

b)

Informationen gegenüber Prüfern gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG a. F. sind mangels Bestimmung für die Öffentlichkeit keine öffentliche Kapitalmarktinformationen (vgl. zum Täter- und Adressatenkreis Lauterwein/​Xylander in Esser/​Rübenstahl/​Saliger/​Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 400 AktG Rn. 40 ff. u. Rn. 49 f.). Sie stellen nach der Gesetzesbegründung zum Kapitalanleger-Musterverfahren 2005 keine öffentliche Kapitalmarktinformationen dar, weil mit Informationen gegenüber Prüfern keine Öffentlichkeit hergestellt wird (vgl. BT-Drs. 15/​5091 S. 21). Entsprechendes gilt für Informationen, die gemäß § 400 Abs. 2 AktG a. F. einem (Gründungs-)Prüfer gegeben werden.

VII.

Die im Beschlusstenor unter Ziffer II aufgeführten Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sind – mit Ausnahme der infolge fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässigen Feststellungsziele A II 3 a, A II 4 a und D 2 (dazu VIII.) – mangels Bestimmtheit gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. in Verbindung mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig sind auch die ohnehin unstatthaften Feststellungsziele des Abschnitts B des Vorlagebeschlusses mit Ausnahme der für sich genommen den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Unterfeststellungsziele B III 1 a und b.

1.

Ein zu unbestimmt formuliertes Feststellungsziel des Vorlagebeschlusses ist – wie im Abschnitt „Zulässigkeit des Teil-Musterentscheids“ unter IV. 4. d) bb) (1) (a) ausgeführt – ohne Sachentscheidung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. i. V. m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen (BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 51; ZIP 2018, 578 Rn. 56 jeweils m. w. N.). Dem steht die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. nicht entgegen (BGHZ 230, 240 Rn. 22; BGHZ 216, 37 Rn. 66). Das für die Führung des Musterverfahrens zuständige Gericht ist – wie unter V. 1. ausgeführt – befugt, das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen zu prüfen.

Da der Vorlagebeschluss im Musterverfahren an die Stelle einer verfahrenseinleitenden Klageschrift tritt, müssen die dort aufgenommenen Feststellungsziele die zu treffenden Feststellungen ebenso bestimmt bezeichnen und eindeutig erkennen lassen, welcher Umstand bzw. welches Ereignis Gegenstand der rechtlichen Prüfung im Musterverfahren sein soll (vgl. BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 52; WM 2021, 285 Rn. 66; ZIP 2018, 2307 Rn. 33). Ein Feststellungsziel darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F.) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Musterbeklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was mit Bindungswirkung für die Ausgangsverfahren feststeht (§ 22 Abs. 1 KapMuG a. F.), letztlich den Prozessgerichten der ausgesetzten Verfahren überlassen bleibt (BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 52; WM 2021, 285 Rn. 66; BGHZ 216, 37 Rn. 64).

Ein Feststellungsziel des Inhalts, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend sei, muss erkennen lassen, auf welche beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation es sich bezieht und welche Unrichtigkeit, Irreführung oder Unvollständigkeit konkret damit gemeint sein soll (vgl. zu Prospektfehler betreffende Feststellungszielen: BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, II ZB 31/​14, [juris Rn. 365; insoweit in WM 2021, 285 nicht abgedruckt]; BGHZ 216, 37 Rn. 65; BGH ZIP 2018, 578 Rn. 57; Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 13). Soll die Unrichtigkeit hinsichtlich mehrerer Aussagen festgestellt werden, handelt es sich bei jeder angeblich fehlerhaften oder unzureichenden Aussage um ein eigenständiges Feststellungsziel, das die Bestimmtheitsanforderungen zu erfüllen hat.

Dazu ist grundsätzlich erforderlich, dass das Feststellungsziel die beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation selbst wiedergibt oder die konkrete Fundstelle im Prospekt nennt (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 65). Davon kann abgesehen werden, wenn sich aus dem Feststellungsziel ergibt, auf welche Prospektstellen es sich bezieht (BGH, Beschl. v. 12. November 2024, XI ZB 26/​20, WM 2025, 165 Rn. 65; Beschl. v. 30. März 2021, XI ZB 3/​18, WM 2021, 1221 Rn. 38 f.). Entsprechendes gilt, wenn es sich um andere Informationsträger handelt.

Dazu ist weiter erforderlich, dass das Feststellungsziel den Gegenstand des Musterverfahrens klar abgrenzt, indem es erkennen lässt, welche Fehler konkret gemeint sind (BGH ZIP 2018, 578 Rn. 57). Genügt das Feststellungsziel für sich genommen diesem Anspruch nicht, ist zu seiner Auslegung die im Vorlagebeschluss enthaltene Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zugrundeliegenden gleichen Lebenssachverhalts (§ 6 Abs. 3 KapMuG a. F.) und der darin wiedergegebene Parteivortrag, der die Rügen der Beteiligten enthält, heranzuziehen. Denn zur Auslegung des Feststellungsziels kann das rechtliche und tatsächliche Vorbringen herangezogen werden, das es ausfüllen soll (BGHZ 216, 37 Rn. 57; BGHZ 203, 1 Rn. 133), wobei Ausgangspunkt für diese Auslegung der Vorlagebeschluss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. ist, der neben den Feststellungszielen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. eine knappe Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zugrundeliegenden gleichen Lebenssachverhalts (§ 6 Abs. 3 KapMuG a. F.) und gegebenenfalls die Rügen der Beteiligten enthält.

Das für das Musterverfahren zuständige Gericht hat – gegebenenfalls nach Auslegung des Feststellungsziels und Feststellung des ihm zu Grunde liegenden Sachverhalts – seine rechtliche Prüfung an diesen Anforderungen zu orientieren (vgl. BGH WM 2021, 285 Rn. 67; ZIP 2018, 2307 Rn. 33 m. w. N.).

Dagegen ist es nicht Aufgabe des für das Musterverfahren zuständigen Gerichts, den Gegenstand des Feststellungsziels aus dem Vorbringen der Parteien im Musterverfahren zu ermitteln (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 65; a. A. Fullenkamp in Vorwerk/​Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rn. 25; Kruis, WuB 2018, 299, [301 f.]). Dies folgt schon aus der fehlenden Dispositionsbefugnis einzelner Beteiligter über den durch den Vorlagebeschluss vorgegebenen Verfahrensgegenstand des Musterverfahrens (BGH WM 2021, 285 Rn. 68; BGHZ 216, 37 Rn. 69; Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 6 Rn. 58). Die im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz angelegte Begrenzung des Musterverfahrens auf die für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Fragen würde unterlaufen, wenn die Beteiligten des Musterverfahrens ein nicht hinreichend bestimmtes Feststellungsziel allein durch ihren Vortrag im Musterverfahren näher ausformen könnten (BGHZ 230, 240 Rn. 22 m. w. N.).

Bleibt nach der Auslegung die Reichweite eines Feststellungsziels unklar, genügt es nicht den Anforderungen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. in Verbindung mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. So hat der Bundesgerichtshof die Formulierung, ein Gutachten sei „nicht ordnungsgemäß erstellt“, als nicht hinreichend bestimmt angesehen, weil sie den konkreten Fehler bei der Erstellung des Gutachtens nicht benannte und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich der Musterkläger durch eine weite Fassung des Feststellungsziels die Möglichkeit offen halten wollte, weitere Kritikpunkte an dem Gutachten in dieses Feststellungsziel einfließen zu lassen (BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 53 f.). Lässt sich ein Feststellungsziel nicht konkretisieren, ist es als unbestimmt zurückzuweisen. Eine andere Betrachtung würde es den Beteiligten des Musterverfahrens eröffnen, die maßgeblichen Umstände erst im Verlauf des Musterverfahrens zu behaupten oder gar beliebig auszutauschen und damit den Streitgegenstand des Musterverfahrens erst später zu bestimmen oder zu verändern, obwohl der Streitgegenstand des Musterverfahrens durch den Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 KapMuG a. F.) und etwaige Ergänzungsbeschlüsse (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F.) zu bestimmen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, II ZB 31/​14, [juris Rn. 246; insoweit in WM 2021, 285 nicht abgedruckt]).

2.

Nach diesem Maßstab sind die unter A I des Vorlagebeschlusses vom 14. März 2022 aufgeführten Feststellungsziele sämtlich mangels ausreichender Bestimmtheit unzulässig.

a)

Mit dem Feststellungsziel A I 1 wird die Feststellung begehrt, dass der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2014, der am 7. April 2015 veröffentlicht worden sein soll, die Verhältnisse der Wirecard AG insoweit unrichtig wiedergebe, als er falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthalte (Buchstabe a), falsche Umsatzerlöse enthalte (Buchstabe b), die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstelle (Buchstabe c), die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspreche (Buchstabe d) und das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG falsch darstelle (Buchstabe e). Keines dieser Feststellungsziele lässt erkennen, welche Aussage oder Aussagen im Geschäftsbericht gemeint sind und worin die Unrichtigkeit oder Unzulänglichkeit der im Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2014 enthaltenen Angaben konkret bestehen soll.

aa) Insbesondere Angaben in dem jeweils mit dem Geschäftsbericht 2014 veröffentlichten Konzernabschluss und Konzernlagebericht sind zwar Kapitalmarktinformationen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 5 KapMuG a. F. Unklar bleibt aber bereits, ob sich die Feststellungsziele unter A I 1 auf den Konzernabschluss oder den Konzernlagebericht beziehen sollen.

Der Begriff des Geschäftsberichts war in § 160 AktG (1965) in der bis zum 18. Dezember 1985 geltenden Fassung legal definiert. Seit der Neukodifizierung der Berichtspflichten ist die Aufstellung eines Geschäftsberichts gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben. Geschäftsberichte stellen jedoch ein verbreitetes, freiwilliges Instrument der Kapitalmarktkommunikation dar (vgl. auch § 328 Abs. 2 HGB), in denen Jahresabschluss und Lagebericht bzw. Konzernabschluss und Konzernlagebericht in jeweils ungekürzter oder verkürzter Form sowie weitere freiwillige Angaben der Gesellschaft zusammengefasst werden (vgl. Küting/​Hütten, BB 1996, 2671). Jedenfalls kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften stellen ihren Aktionären regelmäßig die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen angereichert durch weitere Informationen in einem sogenannten Geschäftsbericht zusammengefasst zur Verfügung, etwa durch Auslegung anlässlich der ordentlichen Hauptversammlung, durch Zustellung und üblicherweise – wie auch vorliegend geschehen – durch Einstellung in das Internet (vgl. Schwieters in Kubis/​Tödtmann, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, 3. Aufl. 2022, § 10 [Rechenschaftslegung] Rn. 190). Sofern Geschäftsberichte zugleich zur Erfüllung der Pflichtpublizität verwendet werden, haben sie die dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten (vgl. Küting/​Hütten, BB 1996, 2671 [2672 ff.]).

Der Geschäftsbericht 2014 enthält einen Brief des Vorstandsvorsitzenden, den Bericht des Aufsichtsrats, den Corporate-Governance-Bericht, einen Abschnitt „Die Wirecard-Aktie“, den Lagebericht (mit einer Reihe von Untergliederungspunkten) und den Konzernabschluss (ebenfalls mit zahlreichen Untergliederungspunkten, unter anderem der Konzern-Bilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, den Erläuternden Anhangangaben, dem Bestätigungsvermerk des Konzernabschlussprüfers und der Versicherung der gesetzlichen Vertreter). Der Geschäftsbericht enthält außerdem unter anderem eine Übersicht „Kennzahlen“, ein Glossar und werbende Aussagen. Insbesondere zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten sowie zu Umsatzerlösen finden sich mehrere Angaben an verschiedenen Stellen sowohl im Konzernabschluss als auch im Lagebericht. Entsprechendes gilt für Aussagen zu Risiken, dem Umgang mit Risiken und Geschäftssegmenten. Deshalb bleibt unklar, ob sich die Feststellungsziele unter A I 1 auf den Konzernabschluss oder den Konzernlagebericht beziehen.

bb) Darüber hinaus bleibt bei dem Feststellungsziel A I 1 a völlig im Unklaren, in welcher Hinsicht die in dem Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2014 zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten getroffenen Aussagen falsch sein sollen.

Die im Geschäftsbericht enthaltene Konzern-Bilanz der Wirecard AG für das Geschäftsjahr 2014 enthält – wie in den International Accounting Standards (IAS 1.54 [i]) vorgesehen – einen Aktivposten „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“. Erforderlich wären jedoch konkrete Angaben dazu, welcher Vorwurf in Bezug auf diesen Aktivposten der Konzern-Bilanz erhoben wird oder inwiefern die diesen Bilanzposten betreffenden Erläuterungen (sei es im Konzernanhang, sei es im Konzernlagebericht) mit der wahren Sachlage nicht übereinstimmten.

Der Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses einschließlich des darin wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller des dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensantrags (im Folgenden: „Antragsteller“) ermöglicht keine Konkretisierung des Feststellungsziels. Er enthält keinerlei Angaben dazu, inwiefern die im Geschäftsbericht für das Jahr 2014 zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten getroffenen Aussagen beanstandet werden.

Der Inhalt des Berichts des 3. Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode gemäß Art. 44 des Grundgesetzes vom 22. Juni 2021 (BT-Drs. 19/​30900) einschließlich des von den Ermittlungsbeauftragten erstellten sogenannten „Wambach-Berichts“ sowie des im Auftrag der Wirecard AG erstellten sogenannten KPMG-Berichts, auf welche die Antragsteller nach dem Lebenssachverhalt verweisen (vgl. Vorlagebeschluss, S. 13 f.), kann zur Konkretisierung der Feststellungsziele nicht herangezogen werden. Denn die Wiedergabe im Lebenssachverhalt lässt nicht erkennen, auf welche in den vorgenannten Berichten enthaltenen Aussagen sich die Antragsteller konkret beziehen.

cc) Ebenso wenig erschließt sich, inwieweit die im Geschäftsbericht zu den im Jahr 2014 angeblich erzielten Umsatzerlösen des Wirecard-Konzerns getroffenen Aussagen oder einzelne von ihnen nicht den Tatsachen entsprechen sollen (Feststellungsziel A I 1 b). Das Feststellungsziel könnte sich auf die in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung der Wirecard AG für das Geschäftsjahr 2014 ausgewiesenen „Umsatzerlöse“ beziehen. Der Lebenssachverhalt enthält aber auch insoweit keine konkreten Angaben, welche erkennen lassen, worin die Unrichtigkeit der in der Gewinn- und Verlustrechnung gemachten Angabe zu Umsatzerlösen oder der Erläuterungen dieses Postens im Geschäftsbericht bestehen soll.

dd) Dem Feststellungsziel A I 1 c lässt sich nicht entnehmen, in welcher Hinsicht der Geschäftsbericht für das Jahr 2014 die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellen soll. Es ist nicht erkennbar, welche der im Geschäftsbericht zu den mit dem Drittpartnergeschäft verbundenen Risiken getroffenen Aussagen in Bezug genommen werden sollen und worin die Fehlerhaftigkeit der Darstellung bestehen soll.

Der im Lebenssachverhalt wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller enthält zwar Aussagen zum Drittpartnergeschäft der Wirecard AG (vgl. Vorlagebeschluss, S. 10 ff.). In diesem Zusammenhang wird unter anderem ausgeführt, die eigene Leistung der Wirecard AG im Rahmen des Drittpartnergeschäfts habe darin bestanden, Kunden an die TPA-Partner zu vermitteln und Ausfallrisiken zu übernehmen. Die Wirecard AG habe sich verpflichtet, die Drittpartner von Vermögensverlusten aus der Geschäftsbeziehung schadlos zu halten, wobei insbesondere Schäden aus der Rückabwicklung von Zahlungsvorgängen umfasst sein sollten (a. a. O. S. 11). Welche Angaben im Geschäftsbericht zu den vorgenannten Umständen und damit verbundenen, allerdings nicht konkret benannten Risiken unzutreffend sein sollen oder ob insoweit eine Unvollständigkeit des Konzernlageberichts oder des Konzernabschlusses gerügt wird, lässt sich diesen Darlegungen aber nicht entnehmen. Es lässt sich nicht einmal sicher feststellen, ob mit dem Feststellungsziel der Chancen- und Risikobericht im Konzernlagebericht oder andere Teile des Geschäftsberichts in Bezug genommen werden und ob die im Lebenssachverhalt erwähnten Ausfallrisiken gemeint sein sollen. Der gegenüber der Musterbeklagten zu 2) erhobene Vorwurf, diese habe das unangemessene Risikomanagementsystem für das TPA-Geschäft nicht hinterfragt (a. a. O. S. 13), ist für eine Auslegung des Feststellungsziels ebenfalls unergiebig. Unklar bleibt, worin die Unangemessenheit des Risikomanagements gesehen wird.

ee) Unbestimmt ist auch das Feststellungsziel A I 1 d. Es wird weder auf konkrete Aussagen Bezug genommen, die im Geschäftsbericht für das Jahr 2014 zur Segmentberichterstattung getroffen werden oder hätten getroffen werden müssen; auch wenn es naheliegt, dass sich das Feststellungsziel nur auf die Ausführungen im Konzernanhang unter der Überschrift „Segmentberichterstattung“ bezieht, kann – mangels weiterer Angaben im Feststellungsziel oder in dem im Vorlagebeschluss wiedergegebenen Parteivortrag – nicht ausgeschlossen werden, dass auch Ausführungen im Konzernlagebericht, die sich z. B. unter der Überschrift „Segmente der Berichterstattung“ finden, gemeint sind. Noch finden sich Ausführungen dazu, in welcher Hinsicht die Segmentberichterstattung im Geschäftsbericht hinter den Anforderungen von IFRS 8 zurückbleiben soll. Im Lebenssachverhalt einschließlich des darin wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller wird die Segmentberichterstattung mit keinem Wort erwähnt.

ff) In gleicher Weise hätte im Rahmen des Feststellungsziels A I 1 e dargelegt werden müssen, auf welche im Geschäftsbericht für das Jahr 2014 enthaltenen Aussagen zum Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG sich das Feststellungsziel bezieht und aus welchen Gründen die Aussagen falsch, unvollständig oder irreführend sein sollen.

Der Lebenssachverhalt kann zur Konkretisierung nicht herangezogen werden. Dort wird die Darstellung des „Risikofrüherkennungssystems der Wirecard AG“ in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014 bis 2018 nicht ausdrücklich erwähnt. In dem wiedergegebenen Parteivortrag findet sich lediglich die Behauptung, es hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es „Wirecard“ an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe (Vorlagebeschluss, S. 13). Unklar bleibt in diesem Zusammenhang, ob sich diese Beanstandung auf den im Geschäftsbericht der Wirecard AG wiedergegebenen Konzernabschluss und Konzernlagebericht oder auf andere Angaben im Geschäftsbericht bezieht und ob das als fehlend gerügte „interne Kontrollsystem“ mit dem angeblich im Geschäftsbericht falsch dargestellten „Risikofrüherkennungssystem“ identisch sein soll.

Der in dem entsprechenden Abschnitt des Lebenssachverhalts wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller befasst sich mit angeblichen Versäumnissen der Musterbeklagten zu 2), die schon keinen Bezug zum Geschäftsjahr 2014 haben: Diese sei im Jahr 2016 in Bezug auf das „Indien-Geschäft von Wirecard“ von einem Informanten über massive Unregelmäßigkeiten in Kenntnis gesetzt worden, insbesondere, dass leitende Mitarbeiter von Wirecard möglicherweise Betrug begangen haben könnten. Dies sei per Brief im Mai 2016 der Unternehmenszentrale der Musterbeklagten zu 2) in Stuttgart gemeldet worden. Die Musterbeklagte zu 2) habe unter dem Codenamen „Projektring“ eine Untersuchung durch ihr „EY Fraud Team“ durchgeführt; dessen Feststellungen seien sodann vom Prüfungsteam der Musterbeklagten zu 2) für das Jahr 2017 nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Dem Verdacht hätte man weiter nachgehen müssen, insbesondere hätte die Musterbeklagte zu 2) über diese Angelegenheit im Bestätigungsvermerk Angaben machen und aufklären müssen. Auch hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es Wirecard an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe. Die Musterbeklagte zu 2) habe der Wirecard AG vorsätzlich für die Jahre 2015 bis 2018 falsche Bestätigungsvermerke erteilt (vgl. Vorlagebeschluss, S. 13).

Angesichts des Gesamtkontextes dieser Ausführungen liegt die Annahme nahe, dass mit der Rüge, es hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es „Wirecard“ an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe, nicht entsprechende Auslassungen in einem Konzernabschluss oder Konzernlagebericht der Wirecard AG, sondern fehlende Angaben in den Bestätigungsvermerken der Musterbeklagten zu 2) beanstandet werden. Daraus ergibt sich aber nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit, dass die im Feststellungsziel A I 1 e angesprochene falsche Darstellung des Risikofrüherkennungssystems der Wirecard AG auf die gegen den Bestätigungsvermerk erhobene Beanstandung gestützt werden soll. Eine solche Interpretation des Feststellungsziels liegt – aus der Sicht des Senats – vielmehr eher fern. Denn die Beanstandung wird von zwei Sätzen gerahmt, welche Vorwürfe gegen die Musterbeklagte zu 2) beinhalten, und mit „auch“ an die Aussage des vorausgehenden Satzes angebunden. Eine sichere Zuordnung des Feststellungsziels zu einem konkreten Vorwurf ist somit nicht möglich.

b)

Unter A I 2 a bis e werden wortgleiche Feststellungsziele bezogen auf den Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2015 formuliert. Die Feststellungsziele genügen ebenfalls nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Sie grenzen für sich genommen den Gegenstand des Musterverfahrens nicht klar ab. Der unstrukturierte und in weiten Teilen unklare Lebenssachverhalt ist für die Auslegung der Feststellungsziele zur Konkretisierung nicht geeignet.

aa) Nach ihrem Wortlaut zielen die Feststellungsziele lediglich allgemein darauf ab, festzustellen, dass die Verhältnisse der Wirecard AG im Geschäftsbericht für das Jahr 2015 insoweit unrichtig wiedergegeben seien, als bezogen auf fünf Themenkreise („Zahlungsmittel und -äquivalente“; „Umsatzerlöse“; „Risiken aus dem Drittpartnergeschäft“; „Segmentberichterstattung“; „Risikofrüherkennungssystem“) die Angaben „falsch“ seien (Feststellungsziele A I 2 a bis c und e) bzw. „nicht den Anforderungen der IFRS 8“ entsprächen (Feststellungsziel A I 2 d). Weitere zur Konkretisierung geeignete Angaben enthält der Wortlaut der Feststellungsziele unter A I 2 nicht.

(1) Damit sind auch diese den Geschäftsbericht für das Jahr 2015 betreffenden Feststellungsziele jeweils derart weit und unkonkret gefasst, dass sich aus ihnen für sich genommen nicht ergibt, auf welche Teile des Geschäftsberichts sie sich beziehen sollen (vgl. die Ausführungen unter 2 a] aa]). Erst recht ist eine Zuordnung zu einer bestimmten Stelle in dem mehr als 260 Seiten umfassenden Geschäftsbericht nicht möglich.

Wie im Vorjahr enthält der Geschäftsbericht für 2015 den Brief des Vorstandsvorsitzenden, den Bericht des Aufsichtsrats, den Corporate-Governance-Bericht, einen Abschnitt „Die Wirecard-Aktie“, den Lagebericht (mit einer Reihe von Untergliederungspunkten) und den Konzernabschluss (ebenfalls mit zahlreichen Untergliederungspunkten, unter anderem der Konzern-Bilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, den Erläuternden Anhangangaben, dem Bestätigungsvermerk des Konzernabschlussprüfers und der Versicherung der gesetzlichen Vertreter). Der Geschäftsbericht enthält außerdem unter anderem eine Übersicht „Kennzahlen“, ein Glossar sowie auf Seite 1 und 3 werbende Aussagen. Zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten sowie zu Umsatzerlösen finden sich mehrere Angaben an verschiedenen Stellen sowohl im Konzernabschluss als auch im Lagebericht. Entsprechendes gilt für Aussagen zu Risiken und dem Umgang mit Risiken und Geschäftssegmenten.

(2) Aufgrund ihrer Formulierung lassen die Feststellungsziele zudem nicht erkennen, welcher Fehler jeweils konkret gemeint ist.

Gründe für die mit dem einzelnen Feststellungsziel jeweils beanstandete Unrichtigkeit werden nicht genannt. Angaben zu „Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten“ sowie zu „Umsatzerlösen“ in einem Geschäftsbericht können in vielfacher Hinsicht unzutreffend sein oder Anforderungen an die Rechnungslegung nicht entsprechen. Soweit das Drittpartnergeschäft angesprochen wird, ist dem Feststellungsziel selbst nicht zu entnehmen, welche „Risiken aus dem TPA-Geschäft“ gemeint und in welcher Hinsicht diese „falsch“ dargestellt sein sollen. Inwiefern die Angaben zur Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen entsprechen sollen, wird nicht dargestellt. Es wird nicht angegeben, unter welchem Gesichtspunkt das Risikofrüherkennungssystem der Wirecard AG „falsch“ dargestellt sei.

bb) Der zur Auslegung heranzuziehende Lebenssachverhalt des Vorlagebe-schlusses enthält zwar zu den Geschäftsjahren 2015 bis 2018 – anders als zum Geschäftsjahr 2014 – einige Aussagen. Diese ermöglichen die erforderliche klare Abgrenzung des jeweiligen Gegenstands der das Geschäftsjahr 2015 betreffenden Feststellungsziele aber nicht. Es bleibt unklar, welche konkreten Passagen des Geschäftsberichts gemeint sind und unter welchen Gesichtspunkten Angaben „falsch“ bzw. „unrichtig“ oder ungenügend sein sollen.

(1) Auch im Hinblick auf das Geschäftsjahr 2015 wird im Lebenssachverhalt an keiner Stelle eine konkrete Angabe im Geschäftsbericht, die beanstandet werde, bezeichnet (vgl. BGH WM 2025, 165 Rn. 65). Soweit Begriffe aus der Bilanz („Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“, „Forderungen“) und der Gewinn- und Verlustrechnung („Umsatzerlöse“) verwendet werden, bleibt unklar, welche Stellen des Geschäftsberichts konkret gemeint sind.

(2) Ebenso wenig lässt sich dem Lebenssachverhalt entnehmen, welche konkreten Fehler mit den einzelnen Feststellungszielen beanstandet werden sollen (vgl. BGH ZIP 2018, 578 Rn. 57).

Der durchgängig als Fließtext verfasste, lediglich durch Absätze gegliederte und in der Gedankenführung nicht durchweg nachvollziehbare Lebenssachverhalt differenziert weder nach den einzelnen Feststellungszielen noch wird eine Zuordnung der getroffenen Aussagen zu den Feststellungszielen des Abschnitts A (in Abgrenzung zu den Feststellungszielen der Abschnitte B bis D) und zu den Geschäftsberichten für die Jahre 2015 bis 2018 vorgenommen. Inhaltlich werden im Lebenssachverhalt in Bezug auf „Wirecard“ bzw. die Wirecard AG sowie die Musterbeklagte zu 2) verschiedene Themen – weitgehend unzusammenhängend und oberflächlich – angeschnitten. Zwar kann auch lediglich angerissenen Aussagen ein Aussagegehalt zukommen. Im vorliegenden Fall sind die Angaben allerdings selbst unter Berücksichtigung der gebotenen Würdigung im Gesamtkontext mangels hinreichender Spezifizierung nicht ausreichend verständlich oder erlauben, da unklar bleibt, welcher oder welche konkreten Fehler gemeint sind, keine klare Zuordnung dahingehend, welche konkreten Beanstandungen bezogen auf die einzelnen Feststellungsziele geltend gemacht werden.

Auch insoweit kann der Inhalt des Berichts des 3. Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode gemäß Art. 44 des Grundgesetzes vom 22. Juni 2021 (BT-Drs. 19/​30900) einschließlich des von den Ermittlungsbeauftragten erstellten sogenannten „Wambach-Berichts“ sowie des im Auftrag der Wirecard AG erstellten sogenannten KPMG-Berichts, auf welche die Antragsteller nach dem Lebenssachverhalt verweisen (vgl. Vorlagebeschluss, S. 13 f.), zur Konkretisierung der Feststellungsziele nicht herangezogen werden. Denn die Wiedergabe im Lebenssachverhalt lässt nicht erkennen, auf welche in den vorgenannten Berichten enthaltenen Aussagen sich die Antragsteller konkret beziehen.

cc) Insbesondere grenzt der Lebenssachverhalt nicht näher ein, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten die im unbestimmt formulierten Feststellungsziel A I 2 a angesprochenen Angaben zu den „Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten“ „falsch“ sein sollen.

(1) Die Begriffe „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ bzw. „Zahlungsmitteläquivalente“ werden lediglich an zwei Stellen des Lebenssachverhalts verwendet (Vorlagebeschluss, S. 12 fünfter Absatz). Dort wird der Parteivortrag der Antragsteller wiedergegeben, die Musterbeklagte zu 2) habe gegenüber „Wirecard“ im Jahr 2015 angeregt, das „Problem nicht bezahlter Forderungen“ mithilfe von Treuhandkonten zu lösen. „Gleichzeitig“ habe die Musterbeklagte zu 2) „Gelder auf den Treuhandkonten“ „als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente akzeptiert“. So sei für bilanzkundige Leser der falsche Eindruck entstanden, dass „Wirecard“ über eine große Menge an Bargeld verfüge. Insgesamt sei das TPA-Geschäft nicht plausibel gewesen. Im Übrigen seien die Treuhandkonten falsch bilanziert gewesen, die Wirecard AG habe von 2016 bis 2018 keine Saldenbestätigungen für Treuhandkonten über rund 1 Mrd. Euro „vorgelegen können“. Damit sei die Bilanzierung als „Zahlungsmitteläquivalente“ falsch gewesen.

(2) Diesen Ausführungen ist zwar zu entnehmen, dass „Gelder auf den Treuhandkonten“ als „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ von der Wirecard AG „bilanziert“ worden seien. Es wird aber nicht klar, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten Angaben zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten im Geschäftsbericht für das Jahr 2015 „falsch“ sein sollen.

(a) Die im Lebenssachverhalt an anderer Stelle wiedergegebene, im Zusammenhang mit dem TPA-Geschäft der Wirecard AG aufgestellte Behauptung, dass sich im Geschäftsjahr 2015 auf Treuhandkonten „fingierte Gelder“ in Höhe von 113,5 Mio. Euro befunden hätten (Vorlagebeschluss, S. 12 vierter Absatz), ließe für sich genommen eine Konkretisierung dieses Feststellungsziels dahingehend zu, dass gerügt werden soll, der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2015 gebe deren Verhältnisse jedenfalls insoweit unrichtig wieder, als der unter der Bilanzposition „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ ausgewiesene Betrag um 113,5 Mio. Euro überhöht sei.

Denn dem wiedergegebenen Vorbringen der Antragsteller kann entnommen werden, dass unter „fingierten Geldern auf Treuhandkonten“ angeblich im Rahmen des TPA-Geschäfts der Wirecard AG entstandene, tatsächlich aber nicht vorhandene Guthaben auf Treuhandkonten verstanden werden, welche in der Konzernrechnungslegung als „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ erfasst worden seien. Der Zusammenhang zwischen den Treuhandguthaben und dem Drittpartnergeschäft ergibt sich aus der im Lebenssachverhalt angesprochenen Sicherungsfunktion der Treuhandkonten: Diese sollen der Besicherung der Verpflichtung der Wirecard AG, ihre Drittpartner von Verlusten aus der Geschäftsbeziehung schadlos zu halten, gedient haben. In diesem Kontext wird ein Bezug zur „Falschbilanzierung“ durch die Aussage hergestellt, die Bilanzen der Wirecard AG seien in verschiedenen Eskalationsstufen manipuliert gewesen; insbesondere sei die Darstellung des Bestands an liquiden Mitteln manipuliert gewesen (Vorlagebeschluss, S. 11).

(b) Es ist aber fraglich, ob der Vorwurf, die Zahlungsmittel und -äquivalente seien infolge der Fiktion von Treuhandguthaben in Höhe von 113,5 Mio. € überhöht dargestellt worden, abschließend als einziger Grund für die angebliche Unrichtigkeit gemeint ist. Im Hinblick auf die weiteren im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Ausführungen der Antragsteller zu „Geldern auf den Treuhandkonten“ (Vorlagebeschluss, S. 12 fünfter Absatz) kommt nämlich auch in Betracht, dass mit dem weit gefassten Feststellungsziel A I 2 a zusätzlich beanstandet wird, die Aktivierung von Treuhandguthaben als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente habe – ohne Rücksicht auf das tatsächliche Bestehen des treuhänderisch verwalteten Guthabens in Höhe von 113,5 Mio. Euro – einschlägigen Bilanzierungsvorschriften widersprochen und sei deshalb fehlerhaft gewesen.

Dafür, dass als Beanstandung auch gemeint sein könnte, die Bilanzierung von Treuhandguthaben („Gelder auf den Treuhandkonten“) als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente sei bereits für sich genommen aus bilanzrechtlichen Erwägungen nicht gerechtfertigt, spricht die bereits oben wiedergegebene Behauptung der Antragsteller, es habe im Jahr 2015 ein – nicht näher bezeichnetes – Problem mit nicht bezahlten Forderungen bestanden, das auf Anregung der Musterbeklagten zu 2) mithilfe der Treuhandkonten habe gelöst werden sollen. Auch die Aussage, es seien „Gelder auf den Treuhandkonten“, die als Sicherheit dienen sollten, „gleichzeitig“ von der Abschlussprüferin „als Zahlungsmittel- und Zahlungsmitteläquivalente akzeptiert“ worden, ließe sich dahin interpretieren, dass damit die Art und Weise der Einstellung von „Geldern auf den Treuhandkonten“ in die Konzern-Bilanz gerügt sein könnte. Der sich unmittelbar anschließende Satz, „so“ sei für bilanzkundige Leser der falsche Eindruck entstanden, dass Wirecard über eine große Menge an Bargeld verfüge, spricht ebenfalls für eine solche Interpretation des Feststellungsziels.

(c) Ein – wie hier – weit gefasstes Feststellungsziel ist aber nicht hinreichend bestimmt, wenn unklar bleibt, ob die behauptete Unrichtigkeit einer öffentlichen Kapitalmarktinformation auf einen einzigen Grund oder auf mehrere Gründe gestützt wird (vgl. BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 54). Das ist hier der Fall. Damit sind der Streitgegenstand des Feststellungsziels A I 2 a und seine Reichweite nicht eindeutig abgegrenzt. Im Hinblick auf die weite Fassung des Feststellungsziels A I 2 a und die unklaren Ausführungen im Lebenssachverhalt erscheint es möglich, dass ein Nachschieben von im Laufe des Musterverfahrens noch auftretenden Kritikpunkten offengehalten werden sollte, zumal auch die weiteren Feststellungsziele (A I 2 b bis e) weit gefasst sind.

dd) Der Lebenssachverhalt grenzt auch nicht näher ein, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten die in dem unbestimmt formulierten Feststellungsziel A I 2 b angesprochenen Angaben im Geschäftsbericht 2015 zu den „Umsatzerlösen“ „falsch“ sein sollen.

(1) Der Begriff „Umsatzerlöse“ wird im Lebenssachverhalt an mehreren Stellen erwähnt (Vorlagebeschluss, S. 11 u. 12). Im Zusammenhang mit dem TPA-Geschäft wird im Anschluss an die Darstellung zur „Besicherung“ der Verpflichtung der Wirecard AG, ihre Drittpartner von Verlusten aus der Geschäftsbeziehung schadlos zu halten, die Behauptung der Antragsteller wiedergegeben, die Bilanzen der Wirecard AG seien in verschiedenen Eskalationsstufen manipuliert gewesen, wobei „in eklatantem Ausmaß Umsatzerlöse erfunden worden seien“ (Vorlagebeschluss, S. 11 erster Absatz). Im Rahmen des TPA-Geschäfts seien „Umsatzerlöse von Wirecard fingiert“ worden. Der Geschäftsbericht des Jahres 2015 sei grob unrichtig gewesen. Fingierte Umsatzerlöse (und fingierte Forderungen) hätten in den Folgejahren zugenommen. Für das Geschäftsjahr 2016 seien „Anlage- (Brutto-) Umsatzerlöse (…) fingiert gebucht worden“. Deren Höhe wird im Lebenssachverhalt für die Jahre 2016, 2017 und 2018 angegeben (vgl. Lebenssachverhalt, S. 12 vierter Absatz).

(2) Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass „Umsatzerlöse“ „erfunden“ bzw. „fingiert“ worden seien. Dabei fällt der – nicht näher erläuterte – Wortbestandteil „Brutto“ des verwendeten Begriffs „Anlage- (Brutto) Umsatzerlöse“ auf. Unter Zugrundelegung des diesbezüglichen Vorbringens der Antragsteller bleibt unklar, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten Angaben zu „Umsatzerlösen“ im Geschäftsbericht für das Jahr 2015 „falsch“ sein sollen.

(a) Die im Zusammenhang mit dem TPA-Geschäft der Wirecard AG wiedergegebene Behauptung der Antragsteller, „Umsatzerlöse“ seien „fingiert“ bzw. „in eklatantem Ausmaß erfunden“ gewesen, ließe zwar für sich genommen – entsprechend den obigen Ausführungen zu den Angaben im Lebenssachverhalt zu „Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten“ – eine Konkretisierung dieses Feststellungsziels dahingehend zu, dass gerügt wird, in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2015 seien tatsächlich nicht existierende Umsatzerlöse ausgewiesen worden. Aus diesem Grund sei der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2015 falsch.

(b) Im Hinblick auf die weitere im Lebenssachverhalt wiedergegebene Aussage der Antragsteller zu „Anlage-(Brutto-)Umsatzerlösen“ kommt jedoch auch in Betracht, dass mit dem Feststellungsziel A I 2 b zusätzlich beanstandet werden soll, die Erfassung von Umsatzerlösen auf Brutto-Basis habe – unabhängig davon, ob Umsatzerlöse in der ausgewiesenen Höhe tatsächlich existiert hätten – beginnend mit dem Jahr 2015 einschlägigen Buchhaltungsgrundsätzen widersprochen und sei aus diesem Grund fehlerhaft gewesen. Deshalb ist fraglich, ob der Vorwurf, die Umsatzerlöse seien infolge Fiktion überhöht dargestellt worden, abschließend als einziger Grund für die angebliche Unrichtigkeit gemeint ist.

(aa) Der nicht der üblichen Terminologie entsprechende, sprachlich missglückte Begriff „Anlage-(Brutto-)Umsatzerlöse“ ist unklar. Da anzunehmen ist, dass dem Zusatz „(Brutto-)“ – im Unterschied zu dem im Zusammenhang mit Umsatzerlösen unverständlichen Bestandteil „Anlage-“ – eine eigenständige Bedeutung zukommen soll, könnte der Begriff im Sinne von „Brutto-Umsatzerlöse“ zu verstehen sein. Dann könnte die Verwendung des Begriffs die Beanstandung enthalten, dass die ausgewiesenen Umsatzerlöse auch deshalb überhöht seien, weil sie auf „Bruttobasis“ erfasst worden seien.

Was in diesem Zusammenhang mit „brutto“ gemeint ist, wird nicht erläutert; vermutlich wird auf die Regelungen in dem Umsatzerlöse betreffenden International Accounting Standard IAS 18 Bezug genommen. In IAS 18.7 wird der Begriff „Umsatzerlös“ definiert als „der aus der gewöhnlichen Tätigkeit eines Unternehmens resultierende Bruttozufluss wirtschaftlichen Nutzens während der Berichtsperiode, der zu einer Erhöhung des Eigenkapitals führt, soweit er nicht aus Einlagen der Eigentümer stammt“. Nach IAS 18.8 umfasst der Begriff „Umsatzerlös“ nur Bruttozuflüsse wirtschaftlichen Nutzens, die ein Unternehmen für eigene Rechnung erhalten hat oder beanspruchen kann. Beträge, die im Interesse Dritter eingezogen werden, entfalten nach dieser Bestimmung keinen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen und führen auch nicht zu einer Erhöhung des Eigenkapitals. Sie würden daher nicht unter den Begriff Umsatzerlös subsumiert. Dazu gehörten bei Vermittlungsgeschäften die in den Bruttozuflüssen enthaltenen Beträge, die für den Auftraggeber erhoben würden und nicht zu einer Erhöhung des Eigenkapitals des vermittelnden Unternehmens führten.

Nach dem wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller sollten drei TPA-Partner Kreditkartentransaktionen für Kunden abwickeln, die ihnen durch die Wirecard AG vermittelt worden waren (Vorlagebeschluss, S. 11 erster Absatz). Somit könnte in der Verwendung des Zusatzes „Brutto-“ die Beanstandung enthalten sein, die in der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Umsatzerlöse seien auch deshalb „fingiert“ gewesen, weil die Umsatzerlöse „brutto“ – d. h. nicht nur die der Wirecard AG zustehenden Vermittlungsprovisionen – erfasst und aus diesem Grund überhöht gebucht worden seien.

(bb) Der Begriff „Anlage-(Brutto-)Umsatzerlöse findet im Lebenssachverhalt zwar erst für die Jahre ab 2016 Erwähnung (vgl. Vorlagebeschluss, S. 12 vierter Absatz). Für eine bewusste und deshalb bei der Auslegung zu berücksichtigende Differenzierung zwischen den Begriffen „Umsatzerlöse“ für das Jahr 2015 und „Brutto-(Anlage-)Umsatzerlöse“ für die Folgejahre bis 2018 ist aber nichts ersichtlich.

(cc) Damit ist das Feststellungsziel A I 2 b nicht hinreichend bestimmt, weil unklar bleibt, ob die behauptete Unrichtigkeit des Geschäftsberichts für das Jahr 2015 in Bezug auf Umsatzerlöse nur auf einen Grund (erfundene Umsatzerlöse) oder auf mehrere Gründe (erfundene Umsatzerlöse und fehlerhafte Bruttoerfassung der Umsatzerlöse) gestützt werden soll. Zudem erscheint im Hinblick auf die weite Fassung des Feststellungsziels A I 2 b und die konturlose Darstellung im Lebenssachverhalt ein Nachschieben von weiteren, im Laufe des Musterverfahrens noch auftretenden Beanstandungen möglich.

ee) Hinsichtlich der den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügenden Feststellungsziele A I 2 c bis e wird auf die entsprechenden Ausführungen zu den Feststellungszielen A I 1 c bis e verwiesen, weil der Lebenssachverhalt zu dem Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2015 insoweit keine weiteren Angaben enthält.

c)

Unter A I 3 bis I 5 des Vorlagebeschlusses werden jeweils mit den Feststellungszielen A I 1 a bis e wortgleiche Feststellungsziele bezogen auf die Geschäftsberichte der Wirecard AG für die Jahre 2016 bis 2018 formuliert. Sämtliche Feststellungsziele genügen nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

aa) Nach ihrem Wortlaut sind auch diese Feststellungsziele unbestimmt. Die jeweilige Fassung der Feststellungsziele enthält keine zur Konkretisierung geeigneten Angaben (Angabe der konkret beanstandeten Stelle des Geschäftsberichts; konkrete Beanstandung). Auf die Ausführungen unter b) aa) wird Bezug genommen.

bb) Der zur Auslegung heranzuziehende Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses ermöglicht die erforderliche klare Abgrenzung des jeweiligen Gegenstands der die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 betreffenden Feststellungsziele nicht. Auf die Ausführungen unter b) bb) wird Bezug genommen.

cc) Insbesondere grenzt der Lebenssachverhalt zu dem jeweiligen Feststellungsziel Buchstabe a nicht hinreichend ein, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten die jeweiligen Angaben zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten in den Geschäftsberichten „falsch“ sein sollen.

Dem im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller kann zwar entnommen werden, dass die Angaben in den Geschäftsberichten zu Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten deshalb falsch sein sollen, weil in die in den Konzern-Bilanzen der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 jeweils ausgewiesene Aktivposition „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ angeblich im Rahmen des TPA-Geschäfts entstandene, tatsächlich aber nicht vorhandene Guthaben auf Treuhandkonten eingeflossen sein sollen, wenn auch für diese Geschäftsjahre kein konkreter Betrag für „fingierte Gelder auf Treuhandkonten“ genannt wird (vgl. Vorlagebeschluss, S. 12). Unklar bleibt aber wiederum, ob daneben als weiterer Grund für die Unrichtigkeit der Angaben eine aus bilanzrechtlichen Erwägungen unzulässige Ausweisung von Treuhandguthaben als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente geltend gemacht werden soll, weshalb das Feststellungsziel den Streitgegenstand nicht eindeutig abgrenzt. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter b) cc) zum Feststellungsziel A I 2 a verwiesen, die für die Feststellungsziele A I 3 a, A I 4 a und A I 5 a entsprechend gelten.

dd) Aus dem Lebenssachverhalt geht in Bezug auf das jeweilige Feststellungsziel Buchstabe b auch nicht hinreichend klar hervor, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten die in den Geschäftsberichten für die Jahre 2016 bis 2018 zu den Umsatzerlösen getroffenen Aussagen oder einzelne von ihnen als falsch beanstandet werden sollen.

Dem im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller kann zwar entnommen werden, dass die Angaben in den Geschäftsberichten zu Umsatzerlösen deshalb falsch sein sollen, weil in den Konzern-Gewinn- und Verlustrechnungen der Wirecard AG für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 tatsächlich nicht existierende („erfundene“) Umsatzerlöse erfasst worden sein sollen. Unklar bleibt aber wiederum, ob die behauptete Unrichtigkeit der Geschäftsberichte in Bezug auf „fingierte“ Umsatzerlöse abschließend nur auf diesen Grund (erfundene Umsatzerlöse) oder auf mehrere Gründe (erfundene Umsatzerlöse und fehlerhafte Bruttoerfassung der Umsatzerlöse) gestützt werden soll. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter b) dd) zum Feststellungsziel A I 2 b verwiesen, die für die Feststellungsziele A I 3 b, A I 4 b und A I 5 b entsprechend gelten. Der Umstand, dass an die Stelle von IAS 18 „Umsatzerlöse“ für ab dem 1. Januar 2018 beginnende Geschäftsjahre IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ getreten ist, führt zu keinem anderen Ergebnis (vgl. IFRS 15.B34A; Brune in Beck’sches IFRS-Handbuch, 6. Aufl. 2020, § 14 Rn. 201 ff.).

ee) Hinsichtlich der unbestimmten Feststellungsziele A I 3 bis 5 c bis e wird auf die entsprechenden Ausführungen zu den Feststellungszielen A I 1 c bis e verwiesen, weil der Lebenssachverhalt zu den Geschäftsjahren 2016 bis 2018 insoweit keine weiteren Angaben enthält. Auch in Bezug auf den Geschäftsbericht 2018 ergibt sich nichts anderes. Soweit der Gesetzgeber für börsennotierte Gesellschaften in § 91 Abs. 3 AktG, § 317 Abs. 4 HGB i. V. m. § 91 Abs. 2 AktG besondere Pflichten statuiert, ergibt sich daraus angesichts der allgemeinen Umschreibungen der gesetzlichen Pflichten nichts, was zur Konkretisierung der gegen den Geschäftsbericht der ab 2018 börsennotierten Wirecard AG erhobenen Vorwürfe beitragen könnte.

d)

Mit dem Feststellungsziel A I 6 wird die Feststellung begehrt, dass die „Wirecard AG“ und der „Beklagte Dr. Markus Braun“ – der Musterbeklagte zu 1) – die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Veröffentlichung gekannt hätten. Dieses Feststellungsziel genügt hinsichtlich der tatsächlichen Umstände, auf die sich die Kenntnis jeweils beziehen soll, nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

Das Feststellungsziel kann zwar im Wege der Auslegung dahin konkretisiert werden, dass die behauptete Kenntnis sich auf die Unrichtigkeit derjenigen Aussagen in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014 bis 2018 beziehen soll, welche den Gegenstand der Feststellungsziele A I 1 bis A I 5, jeweils a bis e, bilden. Da die vorgenannten Feststellungsziele aber – wie dargelegt – ihrerseits den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügen, fehlt es für das Feststellungsziel, dass „die Wirecard AG“ bzw. der Musterbeklagte zu 1) die Unrichtigkeit dieser in den Geschäftsberichten enthaltenen Aussagen gekannt hätten, bereits aus diesem Grund an der erforderlichen Bestimmtheit.

e)

Mit dem Feststellungsziel A I 7 soll festgestellt werden, dass die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018 auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit „der Wirecard AG“ und des Beklagten Dr. Braun beruhte. Auch dieses Feststellungsziel genügt hinsichtlich der Unrichtigkeit der Geschäftsberichte, auf die sich das Verschulden der Wirecard AG und des Musterbeklagten zu 1) beziehen soll, nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

Das Feststellungsziel kann zwar im Wege der Auslegung dahin konkretisiert werden, dass mit „Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/​oder 2018“ die Unrichtigkeit derjenigen Aussagen in den genannten Geschäftsberichten gemeint ist, welche den Gegenstand der Feststellungsziele A I 1 bis A I 5, jeweils Buchstaben a bis e, bilden. Da diese Feststellungsziele aber ihrerseits nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügen, fehlt es bereits aus diesem Grund an der erforderlichen Eingrenzung des Streitgegenstands.

3.

Von den in Abschnitt A II aufgeführten Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses sind nach den oben dargelegten Grundsätzen die folgenden mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig: 1 a bis f, 2 c und d, das im Obersatz zu Ziffer 3 enthaltene Feststellungsziel, soweit § 331 Nr. 2 HGB in Bezug genommen wird, 3 b und c, das im Obersatz zu Ziffer 4 enthaltene Feststellungsziel, 4 b, 5, 6, 7, 8 und 9.

a)

Mit den Feststellungszielen unter A II 1 werden Feststellungen im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer pflichtwidrig unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG begehrt. Die Feststellungsziele betreffen auch die Frage, ob eine kursbeeinflussende Tatsache vorgelegen (A II 1 a und b) und ab wann bei der Wirecard AG eine entsprechende Kenntnis bestanden habe (Obersatz). Diese Fragen können im Zusammenhang mit dem Unterlassen einer Ad-hoc-Mitteilung grundsätzlich zum Gegenstand eines Musterverfahrens gemacht werden (BGH ZIP 2018, 2307 Rn. 33 m. w. N.). Die Feststellungsziele unter A II 1 sind jedoch unbestimmt, da der mitteilungspflichtige Umstand im Feststellungsziel nicht hinreichend konkret bezeichnet ist und auch der im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller nichts zur Konkretisierung beiträgt.

aa) So wie ein auf die Feststellung eines Prospektfehlers gerichtetes Feststellungsziel nur dann hinreichend bestimmt ist, wenn es die beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation selbst wiedergibt, muss das auf die Feststellung einer Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch Unterlassen einer Ad-hoc-Mitteilung gerichtete Feststellungsziel bestimmt bezeichnen, welche kursbeeinflussende Tatsache Gegenstand der rechtlichen Prüfung im Musterverfahren sein soll, wobei es sich auch um mehrere Tatsachen bzw. einen Sachverhalt handeln kann, der insgesamt eine kursbeeinflussende Tatsache bzw. Insiderinformation bildet (BGH ZIP 2018, 2307 Rn. 33 m. w. N.). Entscheidend ist, dass die tatsächlich bestehende, nicht öffentlich bekannte Lage, die von der Informationslage am Kapitalmarkt abweichen soll, in dem gegebenenfalls durch Auslegung konkretisierten Feststellungsziel bestimmt bezeichnet ist. Die so bestimmten Umstände werden darauf überprüft, ob sie kursrelevant sind.

bb) Das Feststellungsziel A II 1 (Obersatz) genügt diesen Anforderungen nicht. Es ist darauf gerichtet, festzustellen, dass der Wirecard AG „spätestens am 07.04.2015“ bewusst war, dass „die Treuhandkonten im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft (Third Party Acquiring) nicht die in den veröffentlichten Konzernbilanzen der Wirecard AG ausgewiesenen Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente Bankguthaben aufwiesen“. Mit dem Feststellungsziel wird kein klar abgegrenzter Sachverhalt mitgeteilt, der im Musterverfahren rechtlich darauf geprüft werden könnte, ob er als kursbeeinflussende Tatsache anzusehen ist.

(1) Das Feststellungsziel bezieht sich wie die Unterfeststellungsziele A II 1 a bis f auf eine Schadensersatzpflicht der Wirecard AG wegen Verletzung ihrer Ad-hoc-Publizitätsverpflichtung. Der Obersatz ist jedoch sprachlich so verunglückt, dass sich sein Sinn nicht zuverlässig feststellen lässt.

(2) Eine sinnvolle Auslegung des Feststellungsziels A II 1 (Obersatz) ist nicht möglich.

Aus dem im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller ergibt sich zwar der Vorwurf, dass „die Bilanzen der Wirecard AG“ hinsichtlich der Darstellung des Bestands an liquiden Mitteln manipuliert gewesen seien (Vorlagebeschluss, S. 11 oben) und sich auf Treuhandkonten „fingierte Gelder befunden“ hätten (Vorlagebeschluss, S. 12 vierter Absatz). Interpretiert man vor diesem Hintergrund den Obersatz dahin, der Wirecard AG sei spätestens am 7. April 2015 bekannt gewesen, dass die Treuhandkonten, die im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses im Zusammenhang mit dem TPA-Geschäft näher beschrieben werden (Vorlagebeschluss, S. 11 unten/​S. 12 oben), kein Guthaben in Höhe der in den Konzern-Bilanzen der Wirecard AG unter der jeweiligen Position „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ ausgewiesenen Höhe auswiesen, ist allerdings die kursbeeinflussende Informationslage nicht hinreichend bestimmt dargestellt.

Hinsichtlich des Stichtags, zu dem der Wirecard AG der Umstand, welcher eine Informationspflicht ausgelöst habe, „bewusst“ gewesen sein soll, kann das Feststellungsziel noch dahin konkretisiert werden, dass jedenfalls an dem genannten Datum, dem 7. April 2015, entsprechende Kenntnis vorgelegen habe. Der davorliegende Zeitraum („war spätestens am 07.04.2015 bewusst“) ist wegen Unbestimmtheit vom Feststellungsziel nicht umfasst.

Unklar bleibt jedoch, ob als kursbeeinflussender Umstand eine bereits im Geschäftsjahr 2014 bestehende Abweichung zwischen tatsächlichem Treuhandguthaben und bilanzieller Darstellung von Zahlungsmitteln und -äquivalenten oder erst in den Folgejahren eingetretene Abweichungen gemeint sind.

Am Stichtag, dem 7. April 2015, soll laut dem Feststellungsziel A I 1 (Obersatz) der Geschäftsbericht der Wirecard AG für das Jahr 2014 veröffentlicht worden sein. Dies spräche an sich für ein Verständnis dahin, dass eine Diskrepanz zwischen der Höhe des tatsächlichen Treuhandguthabens „im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft“ und der Höhe der in der Konzern-Bilanz für das Geschäftsjahr 2014 ausgewiesenen Zahlungsmittel und -äquivalente im Fokus steht. Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch, dass ihr Ergebnis nicht dem objektiv vernünftigen Interesse der Antragsteller entspricht, denn nach dem Lebenssachverhalt soll erst im Jahr 2015 angeregt worden sein, das „Problem nicht bezahlter Forderungen mithilfe von Treuhandkonten zu lösen“ (Vorlagebeschluss, S. 12 fünfter Absatz). Der im Feststellungsziel A II 1 (Obersatz) vorausgesetzte Zusammenhang zwischen den Treuhandkonten und dem TPA-Geschäft ergibt sich für das Geschäftsjahr 2014 aus dem Lebenssachverhalt gerade nicht. Dieser Umstand steht auch einer Auslegung dahin entgegen, dass die Feststellung begehrt wird, ab dem genannten Datum habe dauerhaft Kenntnis von einem im Geschäftsjahr 2014 eingetretenen Umstand fortbestanden. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das vorlegende Landgericht im Abschnitt „Zulässigkeit der Antragstellung“ unter Ziffer 4 in Bezug auf das Feststellungsziel A II 1 gemeint hat, dieses verhalte sich zu den Kenntnissen der Wirecard AG „seit 07.04.2015“.

Für eine Interpretation des Feststellungsziels in der Weise, dass der Wirecard AG am 7. April 2015 eine Diskrepanz zwischen der Höhe der Treuhandguthaben und der jeweiligen Bilanzposition „Zahlungsmittel und -äquivalente“ der Folgejahre „bewusst“ gewesen sei, dass also eine in den Folgejahren eingetretene Diskrepanz als kursbeeinflussender und daher mitteilungspflichtiger Umstand anzusehen sei, spräche die Verwendung des Plurals: Das Feststellungsziel thematisiert die „in den veröffentlichten Konzernbilanzen“ der Wirecard AG ausgewiesenen Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente. Gegen ein Verständnis dahingehend, dass eine Diskrepanz zwischen der Position „Zahlungsmittel und -äquivalente“ in der jeweiligen Konzernbilanz einerseits und der tatsächlichen Höhe der Treuhandguthaben in den jeweiligen Jahren andererseits als mitteilungspflichtiger Umstand gelten soll, spricht allerdings wiederum das genannte Datum. Am 7. April 2015 kann der Wirecard AG nicht bewusst gewesen sein, dass eine Abweichung zwischen den künftigen Treuhandguthaben und den jeweiligen, zu späteren Zeitpunkten veröffentlichten Konzernbilanzen besteht.

cc) Da der mitteilungspflichtige Umstand nicht hinreichend konkret bezeichnet ist, sind in der Folge weder die begehrten Feststellungen zur Kursrelevanz (Buchstaben a und b) noch zu einer Verletzung der Veröffentlichungspflicht durch Unterlassen (Buchstabe c) hinreichend bestimmt. Gleiches gilt für die Feststellungen zu einem diesbezüglich vorsätzlichen oder grob fahrlässigen sowie sittenwidrigen Handeln der Wirecard AG (Buchstaben d und e), auch soweit sie auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter (Buchstabe f) gerichtet sind.

b)

Mit den Feststellungszielen A II 2 c und d wird die Feststellung begehrt, dass „die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld“, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung der Wirecard AG (Buchstabe c) bzw. des Musterbeklagten zu 1) (Buchstabe d) aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 37v WpHG a. F. sämtlich vorlägen. Diese Feststellungsziele sind bereits nicht klärungsfähig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F., da die begehrte Feststellung der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs als solchen gleichkommt. Im Übrigen sind sie inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.

aa) Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs als solchen ist kein zulässiges Feststellungsziel (BGHZ 177, 88 Rn. 24 m. w. N. – noch zu § 1 Abs. 1 KapMuG 2005). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. können – auch nachdem die Unterscheidung zwischen Feststellungszielen und Streitpunkten aufgegeben worden ist – nur (einzelne) anspruchsbegründende oder anspruchsausschließende Voraussetzungen festgestellt oder Rechtsfragen geklärt werden.

Die Feststellungsziele A II 2 c und d sind mit Ausnahme zweier Merkmale auf die Feststellung des Vorliegens der Haftungsvoraussetzungen einer Schadensersatzverpflichtung insgesamt gerichtet. Entgegen der durch die verwendete Interpunktion nahegelegten Lesart der beiden Feststellungsziele geht es darin nicht um die Feststellung von Rechtswidrigkeit als objektivem Tatbestandsmerkmal und Schuld als subjektivem Tatbestandsmerkmal der jeweils angegebenen Anspruchsnorm. Vielmehr soll nach der jeweils gleichlautenden Formulierung festgestellt werden, dass mit Ausnahme der „Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung“ die Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung der Wirecard AG (A II 2 c) bzw. des Musterbeklagten zu 1) (A II 2 d) „sämtlich“ vorliegen, was nahelegt, dass in der einleitenden Aufzählung das notwendige Komma zwischen „[d]ie objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale“ und „Rechtswidrigkeit“ fehlt. Die Annahme eines Kommafehlers wird dadurch bestärkt, dass die Aufzählung von objektivem und subjektivem Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld gängige Kategorien juristischer Prüfungsschemata aufgreift.

Die begehrten Feststellungen kommen der Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs als solchen gleich. Zwar nehmen die Feststellungsziele „Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung aus“, im Übrigen zielen sie jedoch darauf ab, die Haftung der Wirecard AG bzw. des Musterbeklagten zu 1) nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v bzw. § 114 WpHG in den jeweils geltenden Fassungen festzustellen („liegen sämtlich vor“).

bb) Darüber hinaus genügen die Feststellungsziele nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

Es kann zwar angenommen werden, dass sich die begehrten Feststellungen auf die jeweils maßgebliche Fassung des Gesetzes beziehen sollen (§ 37v WpHG in der jeweils maßgeblichen Fassung bzw. § 114 WpHG in der vom 3. Januar 2018 bis 18. August 2020 geltenden Fassung) und – da in dem Feststellungsziel A II 2 b auf den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht abgestellt wird – die Regelung des § 37y WpHG a. F. (in der jeweils maßgeblichen Fassung bzw. § 117 WpHG in der vom 3. Januar 2018 bis 27. März 2020 geltenden Fassung) einbezogen sein soll. Die Feststellungsziele benennen jedoch nicht die tatsächlichen Umstände, durch welche die Voraussetzungen der Norm verwirklicht worden sein sollen.

(1) Im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz wird zwar mit dem offenen Begriff der „Voraussetzung“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F.) ein Konzept gewählt, das es letztlich den antragstellenden Parteien überlässt, wie weit sie ihr Feststellungsziel formulieren. Der Antragsteller kann beispielsweise das Feststellungsziel auf die Feststellung einer Tatsache richten, die zu einem Prospektfehler führt, oder er kann den Subsumtionsschritt im Sinne des Tatbestandsmerkmals miteinschließen (Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 13). Ein Feststellungsziel darf aber nicht allgemein auf die Feststellung gerichtet sein, dass die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm vorliegen, ohne zugleich die Tatsachen zu benennen, die hierunter subsumiert werden sollen (vgl. Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 13; Vorwerk/​Stender in Vorwerk/​Wolf, KapMuG, § 2 Rn. 14). Das Feststellungsziel muss vielmehr die tatsächlichen Umstände, welche die Tatbestandsmerkmale ausfüllen sollen, konkret benennen.

(2) Die Feststellungsziele A II 2 c und d erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Sie benennen nicht die tatsächlichen Umstände, mit denen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v bzw. § 114 WpHG (in den jeweils geltenden Fassungen) verwirklicht sowie die anspruchsbegründenden Voraussetzungen von Rechtswidrigkeit und Schuld im Hinblick auf die Wirecard AG und den Musterbeklagten zu 1) für insgesamt fünf Geschäftsjahre begründet werden sollen. Die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses unter A I, wonach die Verhältnisse der Wirecard AG in deren Geschäftsberichten für die Jahre 2014 bis 2018 in Bezug auf die unter Buchstaben a bis e genannten Aspekte falsch wiedergegeben worden seien, können zur Konkretisierung nicht herangezogen werden, weil diese – wie ausgeführt – ihrerseits unbestimmt sind.

Ferner lassen weder die Feststellungsziele A II 2 c und d selbst noch der im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller erkennen, ob die Tatbestandsmerkmale der genannten Haftungsnormen sowie Rechtswidrigkeit und Schuld nur aufgrund derjenigen tatsächlichen Umstände erfüllt sein sollen, die bereits Gegenstand anderer Feststellungsziele sind, oder auch aufgrund neuer, bislang nicht den Gegenstand eines Feststellungsziels bildender Aspekte. Es kann deshalb auch sein, dass durch die weite Fassung der beiden Feststellungsziele die Möglichkeit offengehalten werden soll, nicht nur alle in den anderen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses angedeuteten Umstände im Zusammenhang mit Jahresfinanzberichten nach §§ 37v, 37y WpHG a. F. bzw. §§ 114, 117 WpHG für die Jahre 2014 bis 2018, sondern darüber hinaus alle im Laufe des Musterverfahrens noch verfahrensgegenständlich werdenden Umstände zur Ausfüllung heranzuziehen, was mit den Bestimmtheitsanforderungen unvereinbar ist (vgl. BGH WM 2023, 1403 Rn. 54).

c)

Mit dem im Obersatz zu A II 3 formulierten Feststellungsziel wird die Feststellung begehrt, dass die Geschäftsberichte der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 Jahresabschlüsse im Sinne des § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB (a. F.) darstellen. Dieses Feststellungsziel ist insoweit nicht hinreichend bestimmt, als darin auf § 331 Nr. 2 HGB (a. F.) Bezug genommen wird, weil der Tatbestand dieser Norm den im Feststellungsziel verwendeten Begriff „Jahresabschluss“ nicht enthält und sich im Wege der Auslegung – auch unter Heranziehung des im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller – nicht eindeutig klären lässt, unter welche der dort genannten Rechnungslegungsdokumente die Geschäftsberichte subsumiert werden sollen.

aa) Das Feststellungsziel kann nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit dahin ausgelegt werden, es werde die Feststellung begehrt, dass die Geschäftsberichte Konzernabschlüsse im Sinne von § 331 Nr. 2 HGB a. F. darstellen.

Für ein solches Verständnis ließe sich zwar anführen, dass den Jahresabschlüssen im Sinne des mit dem Feststellungsziel ebenfalls in Bezug genommenen § 331 Nr. 1 HGB a. F. bei einem Konzern die in § 331 Nr. 2 HGB a. F. genannten Konzernabschlüsse entsprechen. Dieser Umstand wäre grundsätzlich dazu geeignet, der Auslegung des Feststellungsziels ein paralleles Verständnis der gemeinten Rechnungslegungsdokumente zugrunde zu legen.

Dagegen spricht jedoch, dass eine Beschränkung auf Konzernabschlüsse nicht ohne Weiteres als interessengerecht angesehen werden kann. Denn mit dem Feststellungsziel soll eine anspruchsbegründende Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB a. F. festgestellt werden, der auf falsche Angaben in den Geschäftsberichten gestützt wird, welche ihrerseits Gegenstand der Feststellungsziele unter A I des Vorlagebeschlusses sind. Die dort – wenn auch nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit – gerügten Fehler betreffen auch Angaben in den Konzernlageberichten der Wirecard AG.

bb) Dem Feststellungsziel lässt sich aber auch nicht mit der nötigen Sicherheit entnehmen, es solle festgestellt werden, dass es sich bei den genannten Geschäftsberichten um „Konzernabschlüsse“ oder „Konzernlageberichte“ im Sinne von § 331 Nr. 2 HGB a. F. handelt. Denn bei der § 331 Nr. 1 HGB a. F. betreffenden Feststellung wird nur der Jahresabschluss, nicht aber der Lagebericht erwähnt, was – wie ausgeführt – für ein paralleles Verständnis beider Feststellungsziele spricht.

cc) Wie das Feststellungsziel auszulegen ist, soweit darin auf § 331 Nr. 2 HGB a. F. Bezug genommen wird, kann dem Feststellungsziel selbst – auch in Verbindung mit den übrigen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses – mithin nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit entnommen werden. Der im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller enthält keine Ausführungen, welche eine weitere Konkretisierung des Feststellungsziels ermöglichen.

d)

Die Feststellungsziele A II 3 b und c, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung der Wirecard AG (A II 3 b) bzw. des Musterbeklagten zu 1) (A II 3 c) aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 331 HGB sämtlich vorliegen, sind aus denselben Gründen wie die Feststellungsziele A II 2 c und d unzulässig. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter 3. b) verwiesen.

e)

Das im Obersatz zu A II 4 formulierte Feststellungsziel, dass die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 „Gesellschaftsverhältnisse im Sinne von § 400 AktG“ (in der bis einschließlich 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, im Folgenden: a. F.) darstellten, genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen, weil unklar bleibt, welche Teile des jeweiligen Geschäftsberichts für die Verwirklichung des Tatbestands der Norm in Bezug genommen werden.

aa) Nach der recht verstandenen Interessenlage der Antragsteller bezieht sich dieses Feststellungsziel wohl auf die Feststellung, dass die Geschäftsberichte ein im Straftatbestand des § 400 AktG a. F. genanntes Tatmittel darstellen. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. pönalisiert die unrichtige Schilderung der Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen nur dann, wenn sie im Vergütungsbericht, in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand oder in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung erfolgt ist. Welchen Sinn die Feststellung haben sollte, die Geschäftsberichte stellten „Gesellschaftsverhältnisse“, also ein Tatobjekt dar, erschließt sich nicht. Festgestellt werden soll wohl, dass die Geschäftsberichte „Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand“ im Sinne des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. enthalten. Die Feststellungsziele unter A II 6 stützen eine solche Auslegung, da dort im Zusammenhang mit § 400 AktG festgestellt werden soll, dass der Musterbeklagte zu 1) die „Gesellschaftsverhältnisse“ in den Geschäftsberichten unrichtig wiedergegeben oder verschleiert habe.

bb) Es fehlt jedoch an der erforderlichen eindeutigen Identifizierbarkeit derjenigen Teile der Geschäftsberichte, die als Darstellungen und Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft in Bezug genommen werden.

Ein Feststellungsziel des Inhalts, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend sei, muss – wie unter 1. dargelegt – erkennen lassen, auf welche beanstandete Aussage oder Auslassung der Kapitalmarktinformation sich das Feststellungsziel bezieht und welche Unrichtigkeit, Irreführung oder Unvollständigkeit konkret damit gemeint sein soll (vgl. zu Prospektfehler betreffende Feststellungszielen: BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2020, II ZB 31/​14, [juris Rn. 365; insoweit in WM 2021, 285 nicht abgedruckt]; BGHZ 216, 37 Rn. 65; BGH ZIP 2018, 578 Rn. 57; Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 13). Auf die Identifizierung derjenigen Aussagen in den Geschäftsberichten, welche Darstellungen und Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft enthalten sollen, kann deshalb bei der Formulierung eines Feststellungsziels, mit dem anspruchsbegründende Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. festgestellt werden sollen, nicht verzichtet werden.

f)

Die mit dem Feststellungsziel A II 4 b begehrte Feststellung, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale, Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Musterbeklagten zu 1) aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG a. F. sämtlich vorliegen, ist aus denselben Gründen wie die Feststellungsziele A II 2 c und d unzulässig. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter 3. b) verwiesen.

g)

Die mit Ausnahme der jeweils in Bezug genommenen Norm weitgehend gleich formulierten Feststellungsziele A II 5 und 6 betreffen Feststellungen zur Erfüllung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen des „§ 331 Abs. 2 HGB“ (Anmerkung des Senats: Gemeint ist möglicherweise § 331 Nr. 2 HGB in der bis 18. April 2017 bzw. 30. Juni 2021 geltenden Fassung) (A II 5) und des § 400 AktG a. F. (A II 6) durch den Musterbeklagten zu 1) im Zusammenhang mit den Geschäftsberichten der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis einschließlich 2018. Diese Feststellungsziele genügen ebenfalls nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

aa) Wie ausgeführt, ist es nicht zulässig, ein Feststellungsziel allgemein auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen der Norm zu richten, ohne die Tatsachen zu benennen, die hierunter subsumiert werden sollen (vgl. Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 2 KapMuG Rn. 13; Vorwerk/​Stender in Vorwerk/​Wolf, KapMuG, § 2 Rn. 14).

bb) Die Feststellungsziele A II 5 und 6 bezeichnen nicht diejenigen tatsächlichen Umstände, an welche im Wege der Subsumtion die begehrte Feststellung geknüpft werden soll, der Musterbeklagte zu 1) habe in den Geschäftsberichten die „(Gesellschafts-)Verhältnisse der Wirecard AG“ im Sinne der jeweils genannten Vorschrift unrichtig wiedergegeben oder verschleiert. Die Feststellungsziele können zwar dahingehend konkretisiert werden, dass die dem Musterbeklagten zu 1) vorgeworfene unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Wirecard AG sich auf die behauptete Unrichtigkeit derjenigen Aussagen in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014 bis 2018 beziehen soll, welche den Gegenstand der Feststellungsziele A I 1 bis 5, jeweils a bis e, bilden. Diese Feststellungsziele sind jedoch – wie unter 2. im Einzelnen dargelegt – ihrerseits unbestimmt und können auch nicht mit Hilfe des im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivorbringens der Antragsteller konkretisiert werden.

Das Parteivorbringen erschöpft sich – wie unter 2. b) bb) (2) dargestellt – weitgehend in pauschalen und oberflächlichen Ausführungen, die weder nach einzelnen Geschäftsjahren und Geschäftsberichten noch nach den Gegenständen der Feststellungsziele gegliedert sind. Die Aussagen vermengen bilanzrechtliche Begriffe (Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente, Forderungen) mit Begriffen der Gewinn- und Verlustrechnung (Umsatzerlöse) und münden in den pauschalen Vorwurf betrügerischer Handlungen der Wirecard AG.

Soweit die Feststellungsziele A II 5 und 6 sich auf in den Geschäftsberichten für die Jahre 2014 bis 2018 enthaltene Angaben zu „falschen Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten“ (Feststellungsziele A I 1 bis 5, jeweils Buchstabe a) oder „falschen Umsatzerlösen“ (Feststellungsziele A I 1 bis 5, jeweils Buchstabe b) beziehen, sind sie im Übrigen auch deshalb unbestimmt, weil unklar bleibt, ob die behauptete Unrichtigkeit der Angaben jeweils nur auf einen einzigen Grund oder auf mehrere Gründe gestützt wird. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen unter 2. b) cc) und 2. b) dd) verwiesen.

h)

Die Feststellungsziele unter A II 7, welche Feststellungen zu einer angeblich nicht richtigen Abgabe von Versicherungen gemäß § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB oder § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB (in der jeweils geltenden Fassung) durch den Musterbeklagten zu 1) in den Geschäftsberichten 2014 bis einschließlich 2018 betreffen, sind mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Der Inhalt der – unter anderem – vom Musterbeklagten zu 1) abgegebenen Versicherungen ergibt sich zwar aus den in Bezug genommenen Geschäftsberichten. Weder den Feststellungszielen unter A II 7 noch dem im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller lässt sich aber entnehmen, unter welchem Gesichtspunkt oder welchen Gesichtspunkten diese Versicherungen als unrichtig festgestellt werden sollen. Damit fehlt es wiederum an der Bezeichnung derjenigen tatsächlichen Umstände, an welche im Wege der Subsumtion die begehrte Feststellung, der Musterbeklagte zu 1) habe eine unrichtige Versicherung abgegeben, geknüpft werden soll.

i)

Mit den Feststellungszielen A II 8 und 9 werden mit weitgehend identischem Wortlaut die Feststellungen begehrt, dass die Wirecard AG mit der Veröffentlichung der Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis einschließlich 2018 (A II 8) bzw. der Musterbeklagte zu 1) mit deren Unterzeichnung und Freigabe zur Veröffentlichung (A II 9) jeweils sittenwidrig und in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen auch vorsätzlich im Sinne von § 826 BGB gehandelt habe. Auch diese Feststellungsziele genügen nicht den Bestimmtheitsanforderungen.

Die beiden Feststellungsziele leiden unter denselben Bestimmtheitsmängeln wie die Feststellungsziele A II 5 und 6. Die begehrten Feststellungen ergeben nur dann einen Sinn, wenn die in den veröffentlichten Geschäftsberichten wiedergegebenen Konzernlageberichte oder Konzernabschlüsse inhaltlich unrichtig wären oder die Verhältnisse des Wirecard Konzerns verschleierten. Die auf die Feststellung der Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 gerichteten Feststellungsziele unter A I des Vorlagebeschlusses sind jedoch – wie unter 2. dargelegt – ihrerseits nicht hinreichend bestimmt. Die Feststellungsziele A II 8 und 9 benennen auch keine tatsächlichen Umstände, mit denen das behauptete sittenwidrige und vorsätzlich schädigende Handeln der Wirecard AG bzw. des Musterbeklagten zu 1) begründet werden soll. Auch insoweit enthält der im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller keine Ausführungen, mit denen die Feststellungsziele A II 8 und 9 konkretisiert werden könnten.

4.

Die unstatthaften (vgl. hierzu die Ausführungen unter V.) Feststellungsziele in Abschnitt B des Vorlagebeschlusses sind im Übrigen mit Ausnahme der für sich genommen den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Unterfeststellungsziele B III 1 a und b mangels ausreichender Bestimmtheit unzulässig.

Nach Wortlaut und Systematik des Vorlagebeschlusses sollen mit den Feststellungszielen dieses Abschnitts – wie unter V. 2. b) dargelegt – anspruchsbegründende objektive und subjektive Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht der Musterbeklagten zu 2) wegen Beihilfe zu einer Publizitätspflichtverletzung der Wirecard AG im Rahmen der Ad-hoc-Publizität (§§ 37b, 37c WpHG a. F.) bzw. der Regelpublizität (§ 37v WpHG a. F.) festgestellt werden.

a)

Mit den Feststellungszielen B I 1 a bis e wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagte zu 2) die Verletzung der in den §§ 37b, 37c WpHG a. F. geregelten Publizitätspflichten durch die Wirecard AG objektiv gefördert habe, indem sie jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk über die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 erteilt habe. Diese Feststellungsziele genügen nicht den Bestimmtheitsanforderungen, weil sie nicht erkennen lassen, worin die Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht seitens der Wirecard AG bestehen soll, welche die Musterbeklagte zu 2) durch die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke gefördert haben soll.

Eine Schadensersatzpflicht der Wirecard AG nach §§ 37b, 37c WpHG a. F. setzt die Verletzung einer Verpflichtung zu anlassbezogener Sekundärmarktpublizität voraus. Die Feststellungsziele können zwar dahin ausgelegt werden, dass der Wirecard AG eine Verletzung der ihr obliegenden Ad-hoc-Publizitätspflicht (§§ 37b, 37c WpHG in der bis zum 9. Juli 2015 bzw. 2. Januar 2018 geltenden Fassung bzw. §§ 97, 98 WpHG in der ab dem 3. Januar 2018 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 17 der Verordnung [EU] Nr. 596/​2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch [Marktmissbrauchsverordnung]) vorgeworfen wird. Auch unter Einbeziehung der übrigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses und des im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller erschließt sich aber nicht, durch welche konkreten Handlungen oder Unterlassungen die Wirecard AG ihre Ad-hoc-Publizitätspflicht verletzt haben soll.

aa) Der im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller enthält weder Ausführungen zu einer Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG, mit der unwahre Insiderinformationen veröffentlicht worden sein sollen, noch werden dort Umstände konkret bezeichnet, die Anlass zur Veröffentlichung einer Insiderinformation bestimmten Inhalts durch die Wirecard AG gegeben haben sollen.

(1) Im Lebenssachverhalt findet sich zwar die Behauptung, es hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es „Wirecard“ an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe (Vorlagebeschluss, S. 13). Unklar bleibt aber, ob mit dieser Beanstandung eine Ad-hoc-Publizitätsverpflichtung der Wirecard AG angesprochen werden soll. Der in dem entsprechenden Abschnitt des Lebenssachverhalts wiedergegebene Parteivortrag der Antragsteller befasst sich – wie unter 2. a) ff) ausgeführt – mit angeblichen Versäumnissen der Musterbeklagten zu 2). Angesichts des Kontextes liegt die Annahme nahe, dass mit der wiedergegebenen Rüge nicht die Verletzung einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Wirecard AG, sondern fehlende Angaben in den Bestätigungsvermerken der Musterbeklagten zu 2) beanstandet werden sollen.

(2) Zum „Indien-Geschäft von Wirecard“ wird im wiedergegebenen Parteivortrag mitgeteilt, dass im Jahr 2016 die Musterbeklagte zu 2) von einem Informanten über massive Unregelmäßigkeiten – insbesondere einen möglichen Betrug durch leitende Mitarbeiter „von Wirecard“ – in Kenntnis gesetzt worden sei und daraufhin eine Untersuchung durch ein von ihr eingesetztes Fraud-Team durchgeführt habe, dessen Feststellungen jedoch vom Prüfungsteam der Musterbeklagten zu 2) nicht ordnungsgemäß geprüft worden seien (Vorlagebeschluss, S. 13). Eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Wirecard AG wird im Zusammenhang mit diesen Ausführungen nicht thematisiert.

(3) Auch soweit im wiedergegebenen Parteivortrag der Vorwurf erhoben wird, im Rahmen des TPA-Geschäfts seien Umsatzerlöse „von Wirecard“ fingiert worden, Guthaben auf Treuhandkonten und Forderungen seien fingiert gewesen und die Bilanzierung der Treuhandguthaben als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente sei falsch gewesen (Vorlagebeschluss, S. 12), fehlt es an jeglicher Verknüpfung mit einer etwaigen Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Wirecard AG. Darüber hinaus sind die angesprochenen Vorwürfe unbestimmt und in der Folge nicht geeignet, dem Feststellungsziel B I 1 zu hinreichender Bestimmtheit zu verhelfen.

bb) Eine Zusammenschau mit den Feststellungszielen A II 1 a bis f ermöglicht die erforderliche Konkretisierung des Feststellungsziels B I 1 ebenfalls nicht. Zwar betreffen die unter A II 1 aufgelisteten Feststellungsziele eine Ad-hoc-Publizitätspflichtverletzung der Wirecard AG. Sie sind jedoch ihrerseits nicht hinreichend bestimmt, weshalb sie zur Konkretisierung der Feststellungsziele B I 1 nicht herangezogen werden können. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter 3. a) Bezug genommen.

b)

Mit den Feststellungszielen B II 1 a bis e wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagte zu 2) die Verletzung der in § 37v WpHG a. F. geregelten Regelpublizitätspflichten durch die Wirecard AG objektiv gefördert habe, indem sie jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk über die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 erteilt hat. Diese Feststellungsziele genügen nicht den Bestimmtheitsanforderungen, weil sie nicht erkennen lassen, worin die Verletzung der Regel-Publizitätspflicht seitens der Wirecard AG bestehen soll, welche die Musterbeklagte zu 2) durch die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke gefördert haben soll.

aa) Eine Schadensersatzpflicht der Wirecard AG nach § 37v WpHG a. F. setzt die Verletzung einer Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresfinanzberichts im Rahmen der Regelpublizität durch die Wirecard AG voraus. Gemäß § 37y WpHG a. F. gilt § 37v WpHG a. F. für Mutterunternehmen, die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet sind, mit den in § 37y WpHG a. F. genannten Maßgaben. Zwar kann angenommen werden, dass sich die begehrten Feststellungen auf die jeweils maßgebliche Fassung des Gesetzes beziehen sollen (§ 37v WpHG in der jeweils maßgeblichen Fassung bzw. § 114 WpHG in der vom 3. Januar 2018 bis 18. August 2020 geltenden Fassung) und – da in den Feststellungszielen B II 1 a bis e jeweils auf den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht abgestellt wird – die Regelung des § 37y WpHG a. F. (in der jeweils maßgeblichen Fassung bzw. § 117 WpHG in der vom 3. Januar 2018 bis 27. März 2020 geltenden Fassung) einbezogen sein soll. Keines der Feststellungsziele lässt jedoch erkennen, worin die jeweilige Verletzung der Regel-Publizitätspflicht durch die Wirecard AG besteht, welche die Musterbeklagte zu 2) durch Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerk gefördert haben soll.

bb) Die erforderliche Konkretisierung kann auch nicht mit Hilfe der übrigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses oder des im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller vorgenommen werden.

(1) Die Feststellungsziele unter A I haben zwar jeweils die Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Geschäftsberichte zum Gegenstand. Diese Feststellungsziele sind aber ihrerseits mangels ausreichender Bestimmtheit sämtlich unzulässig. Unabhängig davon, ob die Geschäftsberichte als Finanzberichterstattung im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes anzusehen wären, können die Feststellungsziele unter A I daher nichts zur Konkretisierung der Feststellungsziele B II 1 a bis e beitragen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter 2. Bezug genommen.

(2) Auch in Zusammenschau mit den Feststellungszielen A II 2 c sowie A II 3 b und gegebenenfalls A II 4 b kann den Feststellungszielen B II 1 kein hinreichend konkreter Inhalt entnommen werden. Denn auch jene Feststellungsziele sind ihrerseits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Auf die Ausführungen unter 3. b), d) und f) – wird verwiesen.

c)

Mit dem Feststellungsziel B III 1 wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagte zu 2) – im Rahmen der gegen sie geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG (vgl. unter V. 2. b]) – billigend in Kauf genommen habe, dass der von ihr jeweils erteilte uneingeschränkte Bestätigungsvermerk über die Prüfung der in den Feststellungszielen B I 1 und II 1 genannten Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 der Wirecard AG unrichtig gewesen sei, wobei die billigende Inkaufnahme aus behaupteten Unterlassungen der Musterbeklagten zu 2) abgeleitet wird, welche den Gegenstand der Unterfeststellungsziele B III 1 a und b bilden.

Dieses Feststellungsziel genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen, weil unklar ist, ob die von der Musterbeklagten zu 2) erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerke als objektiv oder als inhaltlich (im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB a. F.) unrichtig oder als sowohl objektiv als auch inhaltlich unrichtig beanstandet werden, und es außerdem an der erforderlichen Angabe der konkreten Umstände fehlt, aufgrund derer die Bestätigungsvermerke als „unrichtig“ qualifiziert werden sollen. Damit fehlt es auch an der hinreichenden Bestimmtheit der objektiven Tatsachen, auf die sich der bedingte Vorsatz der Musterbeklagten zu 2) beziehen soll.

aa) Dem Feststellungsziel B III 1 lässt sich bereits nicht entnehmen, worin der Fehler des Bestätigungsvermerks liegen soll, auf den der bedingte Vorsatz gerichtet gewesen sein soll. Es ist unklar, ob sich die billigende Inkaufnahme der Musterbeklagten zu 2) nur auf die objektive Unrichtigkeit der von ihr erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerke, nur auf die inhaltliche Unrichtigkeit oder auf beides beziehen soll.

(1) Objektiv unrichtig ist ein Bestätigungsvermerk, wenn das Prüfungsergebnis des Abschlussprüfers von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht. Entscheidend ist allein die Abweichung von der objektiven Wirklichkeit, also von den objektiven Gegebenheiten.

Die begehrte Feststellung, die Musterbeklagte zu 2) habe billigend in Kauf genommen, dass die von ihr erteilten Bestätigungsvermerke unrichtig gewesen seien, wäre demnach darauf gerichtet, die Musterbeklagte zu 2) habe die Möglichkeit der objektiven Unrichtigkeit des Bestätigungsvermerks billigend in Kauf genommen.

Nach dieser Auslegung bestünde die Beanstandung darin, die Musterbeklagte zu 2) habe die Möglichkeit erkannt und billigend in Kauf genommen, dass – trotz einer subjektiv für ausreichend erachteten Prüfungsgrundlage – der Inhalt des Bestätigungsvermerks in einzelnen oder allen Punkten nicht der objektiven Sachlage entsprechen könnte.

(2) Inhaltlich unrichtig im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB a. F. ist ein Bestätigungsvermerk – wie bereits bei der Erörterung des für den Abschlussprüfer vorgesehenen Haftungsregimes unter V. 3. a) ff) (2) (c) (aa) dargelegt – dagegen dann, wenn der Abschlussprüfer einen Bestätigungsvermerk erteilt, obwohl er selbst die Möglichkeit erkennt, dass dieser inhaltlich unrichtig im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB a. F. sein könnte, etwa weil er konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass noch berichtspflichtige oder vermerkrelevante Vorgänge aufzuklären sind. Ist dem Abschlussprüfer bewusst, dass das bisherige Ergebnis seiner eigenen Prüfung so, wie es sich ihm selbst darstellt, keine tragfähige Grundlage für den von ihm erteilten Bestätigungsvermerk bildet, und unterlässt er dennoch weitere Prüfungshandlungen, verwirklicht er mit der Erteilung des Bestätigungsvermerks bedingt vorsätzlich den Tatbestand des § 332 Abs. 1 HGB a. F. (vgl. Leplow in Münchener Kommentar zum StGB, § 332 HGB Rn. 51; Klinger in Münchener Kommentar zum HGB, § 332 HGB Rn. 35 f.).

Nach diesen Grundsätzen hätte die Musterbeklagte zu 2) einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk erteilt, wenn sie nach ihrer eigenen Einschätzung zu dem Prüfungsergebnis gelangt wäre, dass ohne die Vornahme der in den Unterfeststellungszielen B III 1 a und b genannten Prüfungshandlungen die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nicht gerechtfertigt war.

Nach dieser Auslegung bestünde der Vorwurf darin, die Musterbeklagte zu 2) habe die Möglichkeit erkannt und billigend in Kauf genommen, dass die erhaltenen Nachweise und Auskünfte keine ausreichende Prüfungsgrundlage darstellen könnten, und habe dennoch jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.

(3) Weder dem Feststellungsziel selbst noch dem im Lebenssachverhalt wiedergegebenen Parteivorbringen der Antragsteller lässt sich mit hinreichender Klarheit entnehmen, ob sich der bedingte Vorsatz der Musterbeklagten zu 2) auf die objektive oder inhaltliche Unrichtigkeit der erteilten Bestätigungsvermerke oder beides beziehen soll.

(a) Die Unterfeststellungsziele B III 1 a und b, aus denen die billigende Inkaufnahme der Unrichtigkeit der erteilten Bestätigungsvermerke durch die Musterbeklagte zu 2) abgeleitet werden soll, ermöglichen für sich genommen die notwendige Konkretisierung nicht.

Die Unterfeststellungsziele geben lediglich wieder, auf welche unterlassenen Prüfungshandlungen die behauptete billigende Inkaufnahme einer „Unrichtigkeit“ der Bestätigungsvermerke gestützt wird. Die darin erhobenen Vorwürfe gegen die Musterbeklagte zu 2) geben keinen Aufschluss darüber, ob die Abschlussprüferin selbst zu der Einschätzung gelangt sein soll, dass das Prüfungsergebnis keine tragfähige Grundlage für die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke darstellte, oder ob die Abschlussprüferin trotz der unterlassenen Prüfungshandlungen auf dem Boden der sonstigen eingeholten Nachweise oder Auskünfte eine ausreichende Grundlage für die Erteilung der Bestätigungsvermerke angenommen haben und die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Bestätigungsvermerk und objektiver Sachlage in Kauf genommen haben soll.

(b) Die Angaben im Lebenssachverhalt ermöglichen die erforderliche Konkretisierung ebenfalls nicht.

Für die Auslegung, dass im Rahmen des Feststellungsziels B III 1 auf die inhaltliche Unrichtigkeit der von der Musterbeklagten zu 2) erteilten Bestätigungsvermerke abgestellt wird, könnte zwar der Umstand sprechen, dass im wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller als mögliche Anspruchsgrundlage für eine Haftung der Musterbeklagten zu 2) auch § 332 Abs. 1 HGB (a. F.) genannt wird (vgl. Vorlagebeschluss, S. 10). Dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragsteller lässt sich aber nicht entnehmen, ob die Musterbeklagte zu 2) im Hinblick auf die von ihr unterlassenen Prüfungshandlungen selbst zu der Einschätzung gelangt sein soll, dass ihr Prüfungsergebnis keine tragfähige Grundlage für die Erteilung uneingeschränkter Bestätigungsvermerke darstelle.

Nach dem wiedergegebenen Parteivortrag der Antragsteller wird der Musterbeklagten zu 2) zusätzlich zu den in den Unterfeststellungszielen genannten Vorwürfen angelastet, sie habe bedingt vorsätzlich öffentlich geäußerte Vorwürfe ignoriert und sich entgegen Prüfungsstandards nicht, wie es notwendig gewesen wäre, in Unterlagen vertieft und ausreichend Einsicht genommen. Die Musterbeklagte zu 2) habe ihre Aufgabe als Abschlussprüferin nicht zureichend wahrgenommen; insbesondere seien Risiken niemals hinterfragt worden, auch nicht das unangemessene Risikomanagement für das TPA-Geschäft (vgl. Vorlagebeschluss, S. 12 f.). Sie habe die Verlässlichkeit der als Treuhänderin eingesetzten Citadelle Corporate Services Pte. Ltd. in Singapur und die Fragwürdigkeit von Geschäftspartnern der Wirecard AG im Rahmen des TPA-Geschäfts nicht ausreichend hinterfragt (Vorlagebeschluss, S. 11 letzter Absatz, S. 12 dritter Absatz). Auch dieser Darlegung lässt sich nicht entnehmen, ob der Musterbeklagten zu 2) lediglich in objektiver Hinsicht eine Unterschreitung der Prüfungsstandards zum Vorwurf gemacht werden soll oder die billigende Inkaufnahme, dass das bisherige Ergebnis ihrer Prüfung keine tragfähige Grundlage für den Bestätigungsvermerk bildet.

bb) Für das Hauptfeststellungsziel, dass die Musterbeklagte zu 2) die Unrichtigkeit des uneingeschränkt erteilten Bestätigungsvermerks jeweils billigend in Kauf genommen habe, fehlt es außerdem an der erforderlichen Angabe der konkreten Umstände, aufgrund derer die uneingeschränkt erteilten Bestätigungsvermerke als objektiv oder inhaltlich unrichtig qualifiziert werden sollen.

Auf eine hinreichend konkrete Darstellung derjenigen Umstände, aus denen die objektive oder inhaltliche Unrichtigkeit der uneingeschränkten Abschlussvermerke hergeleitet wird, kann aber mit Blick auf die Abgrenzungsfunktion der Feststellungsziele nicht verzichtet werden.

(1) Die Unterfeststellungsziele B III 1 a und b geben lediglich wieder, auf welche unterlassenen Prüfungshandlungen die behauptete billigende Inkaufnahme einer – objektiven oder inhaltlichen – Unrichtigkeit der Bestätigungsvermerke gestützt wird. Das ermöglicht die erforderliche Konkretisierung nicht.

(a) Sollte der Musterbeklagten zu 2) mit dem Feststellungsziel die Erteilung objektiv unrichtiger Bestätigungsvermerke vorgeworfen werden, fehlt es an der Konkretisierung, worin die objektive Unrichtigkeit konkret bestanden haben soll.

Eine objektive Unrichtigkeit des Abschlussvermerks kann unter zahlreichen Aspekten in Betracht kommen. Ein Feststellungsziel des Inhalts, dass die „Unrichtigkeit“ des Bestätigungsvermerks billigend in Kauf genommen worden sei, muss deshalb erkennen lassen, auf welchen Aspekt oder welche Aspekte sich der Vorwurf der objektiven Unrichtigkeit bezieht. Daran fehlt es. Damit bleibt der objektive Bezugspunkt, auf den der festzustellende bedingte Vorsatz der Musterbeklagten zu 2) ausgerichtet gewesen sei, im Unklaren.

(b) Sollte der Musterbeklagten zu 2) mit dem Feststellungsziel die Erteilung inhaltlich unrichtiger Bestätigungsvermerke vorgeworfen werden, bleibt unklar, gegen welche Aussage oder welche Aussagen des Bestätigungsvermerks der Vorwurf der subjektiven Unehrlichkeit der Abschlussprüfer erhoben wird.

Da sich der Bestätigungsvermerk aus mehreren Aussagen zu unterschiedlichen Themen zusammensetzt und mit der Behauptung, ein Bestätigungsvermerk sei inhaltlich unrichtig im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB a. F., dem Abschlussprüfer eine subjektive Unehrlichkeit vorgeworfen wird, muss ein hierauf gerichtetes Feststellungsziel erkennen lassen, in Bezug auf welche Aussagen im Bestätigungsvermerk dem Abschlussprüfer subjektive Unehrlichkeit vorgeworfen wird.

(2) Auch unter Heranziehung der übrigen Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sowie des Lebenssachverhalts kann die erforderliche Konkretisierung nicht erfolgen, weil sich daraus nicht mit der erforderlichen Klarheit ergibt, worin der Vorwurf der Unrichtigkeit der Bestätigungsvermerke jeweils konkret bestehen soll.

(a) Die Feststellungsziele der Abschnitte A I und A II sind, soweit sie nach ihrem Inhalt die Unrichtigkeit der in den Geschäftsberichten veröffentlichten Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte in tatsächlicher Hinsicht zum Gegenstand haben und damit einen Bezug zur Konzern-Rechnungslegung der Wirecard AG aufweisen, ihrerseits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig und nicht geeignet, zur Konkretisierung des Feststellungsziels B III 1 beizutragen.

(b) Im Lebenssachverhalt wird der Parteivortrag der Antragsteller dahin wiedergegeben, die Musterbeklagte zu 2) habe der Wirecard AG vorsätzlich für die Jahre 2015 bis 2018 falsche Bestätigungsvermerke erteilt (Vorlagebeschluss, S. 13 zweiter Absatz). Die Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks über die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts der Wirecard AG für das Geschäftsjahr 2014 wird dagegen an keiner Stelle des Lebenssachverhalts ausdrücklich erwähnt, obwohl sie Gegenstand der Feststellungsziele B I 1 a und B II 1 a ist.

Allgemein werfen die Antragsteller der Musterbeklagten zu 2) vor, diese habe bedingt vorsätzlich öffentlich geäußerte Vorwürfe ignoriert und sich entgegen Prüfungsstandards nicht, wie es notwendig gewesen wäre, in Unterlagen vertieft und ausreichend Einsicht genommen. Wie unter aa) (3) (b) dargestellt, wird in diesem Zusammenhang der Musterbeklagten zu 2) zum Vorwurf gemacht, sie habe ihre Aufgabe als Abschlussprüferin aus den dargelegten Gründen nicht zureichend wahrgenommen. Außerdem habe sie „gegenüber Wirecard“ im Jahr 2015 angeregt, das „Problem nicht bezahlter Forderungen mithilfe von Treuhandkonten zu lösen“. Gleichzeitig habe sie die „Gelder“ auf den Treuhandkonten als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente akzeptiert, wodurch für bilanzkundige Leser der falsche Eindruck entstanden sei, dass „Wirecard“ über eine große Menge an „Bargeld“ verfüge. Im Übrigen seien die Treuhandkonten „falsch bilanziert“ gewesen. Die Wirecard AG habe von 2016 bis 2018 keine Saldenbestätigungen für Treuhandkonten über rund 1 Mrd. Euro vorlegen können. Damit sei die Bilanzierung als Zahlungsmitteläquivalente falsch gewesen (Vorlagebeschluss, S. 12 fünfter Absatz). Zudem wird im Lebenssachverhalt das Indien-Geschäft erwähnt, das jedenfalls ab dem Geschäftsjahr 2016 Bedeutung haben könnte.

Diese Darlegungen ermöglichen keine Konkretisierung in Bezug auf die Unrichtigkeit der Rechnungslegung im Wirecard-Konzern. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu den Feststellungszielen in den Abschnitten A I und A II wird Bezug genommen. Aus welchen Gründen der jeweils erteilte Bestätigungsvermerk in objektiver Hinsicht falsch sei, ergibt sich deshalb auch unter Heranziehung der Darlegungen im Lebenssachverhalt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit. In Bezug auf den Vorwurf einer inhaltlichen Unrichtigkeit des jeweils erteilten Bestätigungsvermerks fehlt es an einer Zuordnung der aufgezählten Kritikpunkte zu konkreten Passagen der Bestätigungsvermerke. Somit fehlt es an dem in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkretisierten Bezugspunkt für den Vorwurf der billigenden Inkaufnahme.

(3) Auf eine hinreichend konkrete Darstellung derjenigen Umstände, aus denen die objektive oder inhaltliche Unrichtigkeit der uneingeschränkten Abschlussvermerke hergeleitet wird, kann nicht verzichtet werden.

Durch die weite Fassung des Feststellungsziels und die im Lebenssachverhalt dargestellte pauschale Kritik gegen „Wirecard“ könnte sich der Musterkläger andernfalls die Möglichkeit offenhalten, alle im Lauf des Musterverfahrens vorgetragenen oder sonst auftretenden Gesichtspunkte in Bezug auf die Unrichtigkeit der Rechnungslegung und – daraus abgeleitet – der objektiven Unrichtigkeit des Bestätigungsvermerks in das Feststellungsziel einfließen zu lassen. Dies lässt sich mit der notwendigen Bestimmtheit und Abgrenzbarkeit des Streitgegenstands im Musterverfahren nicht vereinbaren (vgl. zur notwendigen Beschreibung des in Bezug auf eine Gutachtenserstellung vorgeworfenen Fehlers: BGH ZIP 2023, 1683 Rn. 54).

VIII.

Für die Feststellungsziele A II 3 a, A II 4 a, soweit letzteres die Schutzgesetzeigenschaft von § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. zum Gegenstand hat, und D 2 des Vorlagebeschlusses fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

1.

Zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen, zu deren Überprüfung das für das Musterverfahren zuständige Gericht ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG a. F. befugt ist, gehört auch das Rechtsschutzbedürfnis, dessen Fehlen einen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel darstellt und zur Unzulässigkeit des verfahrenseinleitenden Antrags führt (BGH AG 2017, 543 Rn. 13 m. w. N.; WM 2017, 706 Rn. 13 m. w. N.).

a)

Am Rechtsschutzbedürfnis für ein Kapitalanleger-Musterverfahren fehlt es unter anderem dann, wenn die Feststellungsziele bereits anderweitig verbindlich geklärt worden sind (BGH AG 2017, 543 Rn. 17 m. w. N.; WM 2017, 706 Rn. 17 m. w. N.). Für das einzelne Feststellungsziel gilt nichts anderes. Denn im Kapitalanleger-Musterverfahren bildet jedes Feststellungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG a. F. ein gesondertes Rechtsschutzbegehren und einen eigenen Streitgegenstand des Musterverfahrens (BGH WM 2020, 1774 Rn. 19; BGH WM 2020, 1418 Rn. 21; BGHZ 216, 37 Rn. 32). Ungeachtet der Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses hat das für das Musterverfahren zuständige Gericht das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen fortlaufend für jedes Feststellungsziel zu prüfen (vgl. BGHZ 230, 240 Rn. 22; BGH WM 2021, 285 Rn. 47; BGHZ 213, 65 Rn. 106).

b)

Einem auf die Klärung einer Rechtsfrage gerichteten Feststellungsziel fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist und keine Umstände oder Argumente aufgezeigt werden, die in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht verarbeitet werden konnten oder wurden (Großerichter in Wieczorek/​Schütze, ZPO, § 3 KapMuG Rn. 14; Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 2 Rn. 71 f.; Vorwerk/​Stender/​Radtke-Rieger in Vorwerk/​Wolf, KapMuG, § 3 Rn. 13).

2.

Nach diesen Grundsätzen fehlt für das Feststellungsziel A II 3 a, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB (in der jeweils gültigen alten Fassung) Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB seien, mangels Klärungsbedürftigkeit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

a)

Die Schutzgesetzeigenschaft von § 331 Nr. 1 HGB in der Fassung vom 21. Dezember 1992 ist bereits höchstrichterlich geklärt. Das strafbewehrte Verbot der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB a. F. schützt auch das Vertrauen potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Gesellschaftsverhältnisse (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juli 2021, II ZR 152/​20, BGHZ 230, 288 Rn. 9).

Der Vorlagebeschluss zeigt keine Argumente auf, die für ein abweichendes Verständnis der Norm in ihren späteren Fassungen sprechen könnten. Bis 18. April 2017 blieb der Wortlaut von § 331 Nr. 1 HGB in der Fassung vom 21. Dezember 1992 unverändert. Durch das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 11. April 2017 wurde lediglich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf einen weiteren Teil des Lageberichts, nämlich auf die nichtfinanzielle Erklärung und den gesonderten nichtfinanziellen Bericht, erweitert. Diese Erweiterung hat den Charakter des § 331 Nr. 1 HGB a. F. als einer Vorschrift, die auch dem Schutz potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre dienen soll, nicht verändert.

b)

§ 331 Nr. 2 HGB a. F. ist nach seinem Wortlaut parallel zu § 331 Nr. 1 HGB a. F. gefasst und bezieht sich auf die Verhältnisse des Konzerns. Dass diese Norm im Hinblick auf die Schutzgesetzeigenschaft anders zu behandeln sein könnte als § 331 Nr. 1 HGB a. F., ist nicht ersichtlich (vgl. Klinger in Münchner Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2020, Vor §§ 331 – 335c Rn. 59 m. w. N. – zur Schutzgesetzeigenschaft sämtlicher Straf- und Bußgeldtatbestände der §§ 331 ff. HGB a. F.). Dies gilt auch im Hinblick auf die parallel zu § 331 Nr. 1 HGB a. F. erfolgten Änderungen durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 11. April 2017.

3.

Soweit mit dem Feststellungsziel A II 4 a die Feststellung begehrt wird, dass § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei, fehlt es mangels Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage an dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis.

a)

Da die Feststellungsziele A II 4 ausweislich des Obersatzes zu Ziffer 4 auf die Feststellung anspruchsbegründender Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 400 AktG im Zusammenhang mit der Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in den Geschäftsberichten der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018 abzielen, ist das Feststellungsziel A II 4 a dahin zu konkretisieren, dass es sich auf § 400 AktG in der für das jeweilige Geschäftsjahr geltenden Fassung bezieht.

b)

§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG a. F. stellt die unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse einer Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unter Strafe. Dass es sich bei dieser Vorschrift um ein Gesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handelt, das auch das Vertrauen potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Geschäftsverhältnisses schützt, ist bereits höchstrichterlich geklärt (BGHZ 230, 288 Rn. 9 m. w. N.; Urt. v. 13. Dezember 2011, XI ZR 51/​10, BGHZ 192, 90 Rn. 18 m. w. N.). Der Vorlagebeschluss zeigt keine Umstände auf, aus denen sich ein fortbestehender Klärungsbedarf ergeben könnte.

4.

Mit dem Feststellungsziel D 2 wird die Feststellung begehrt, dass Schadensersatzansprüche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KapMuG (a. F.) Ansprüche im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG (a. F.) sind. Für ein Feststellungsziel dieses Inhalts ist kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar, weil die begehrte Feststellung sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der beiden vorgenannten Gesetzesbestimmungen ergibt.

a)

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG a. F. betrifft Schadensersatzansprüche „wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation“, § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. Schadensersatzansprüche „wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist“. Mit nahezu identischen Worten ordnet § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG in der bis einschließlich 19. Juli 2024 geltenden Fassung an, dass die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich zuständig sind „für Ansprüche, die auf eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation, auf die Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder auf die Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, gestützt werden“.

b)

Das Feststellungsziel D 2 kann auch nicht abweichend von seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden, dass damit die Feststellung begehrt wird, dass für die Entscheidung über diejenigen Schadensersatzansprüche, deren anspruchsbegründende Voraussetzungen mit den Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses (teilweise) geklärt werden sollen, gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG a. F. das Landgericht ausschließlich zuständig sei.

aa) Für Klagen gegen die Musterbeklagte zu 2) wird eine Feststellung dieses Inhalts bereits mit dem – unstatthaften – Feststellungsziel D 1 begehrt.

bb) Eine Zuordnung des Feststellungsziels D 2 zu Schadensersatzansprüchen gegen den Musterbeklagten zu 1) oder die Wirecard AG, deren anspruchsbegründende Voraussetzungen im vorliegenden Musterverfahren festgestellt werden sollen, lässt sich auch unter Heranziehung des Lebenssachverhalts des Vorlagebeschlusses einschließlich des darin enthaltenen Parteivorbringens der Antragsteller nicht vornehmen. Dagegen spricht insbesondere, dass das Feststellungsziel sich auch auf Schadensersatzansprüche nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG a. F. erstreckt. Schadensersatzansprüche wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, werden aber ausweislich des im Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses wiedergegebenen Parteivortrags der Antragsteller nicht geltend gemacht. Derartige Ansprüche sind nicht Gegenstand des vorliegenden Musterverfahrens.

IX.

Wie unter IV. 3. a) dargelegt, sieht der Senat vom Erlass eines Zwischenentscheids über die von ihm als zulässig beurteilten Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses ab. Die von den Verfahrensbeteiligten erhobenen Bedenken gegen die Zulässigkeit der folgenden Feststellungsziele teilt der Senat nicht.

1.

Für das im Obersatz zu A II 2 enthaltene Feststellungsziel, dass die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 Jahresfinanzberichte im Sinne des § 37v WpHG a. F. seien, fehlt es hinsichtlich des Geschäftsberichts für das Jahr 2018 nicht deshalb an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil für dieses Geschäftsjahr anstelle von § 37v WpHG a. F. bereits der in dem Feststellungsziel nicht in Bezug genommene § 114 WpHG gegolten habe. Das Feststellungsziel kann dahin konkretisierend ausgelegt werden, dass es sich auf die für das jeweilige Geschäftsjahr geltende Fassung der Norm bezieht.

Ob die Wirecard AG wegen der Subsidiarität zur Regelpublizität nach handelsrechtlichen Vorschriften (§ 325 HGB) nicht verpflichtet war, einen Jahresfinanzbericht nach § 37v WpHG a. F. bzw. § 114 WpHG aufzustellen und zu veröffentlichen und welche rechtlichen Folgen sich hieraus ergeben, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Feststellungsziels.

2.

Hinsichtlich des Feststellungsziels A II 2 a wird zunächst auf die Ausführungen unter 1. verwiesen. Die Rechtsfrage, ob § 37v WpHG a. F. bzw. § 114 WpHG in der für das jeweilige Geschäftsjahr maßgeblichen Fassung Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

3.

Für das Feststellungsziel A II 2 b, dass die Wirecard AG verpflichtet gewesen sei, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht im Sinne von § 37y WpHG a. F. aufzustellen, kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht mit der Begründung verneint werden, dass die übrigen Feststellungsziele des Abschnitts A II 2 des Vorlagebeschlusses auf eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 37v WpHG a. F. abzielten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.

4.

Für das im Obersatz zu A II 3 enthaltene Feststellungsziel, dass die Geschäftsberichte für die Jahre 2014 bis 2018 Jahresabschlüsse im Sinne von § 331 Nr. 1 HGB a. F. darstellten, kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht mit der Begründung verneint werden, dass ein Geschäftsbericht bereits begrifflich keinen Jahresabschluss darstelle. Dies betrifft die Frage der Begründetheit.

5.

Das Feststellungsziel C des Vorlagebeschlusses ist zulässig, soweit mit der begehrten Feststellung, dass der Kursdifferenzschaden ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig sei, eine anspruchsbegründende Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Musterbeklagten zu 1) bzw. die Wirecard AG festgestellt werden soll.

Wie unter V. 2. c) bb) dargelegt, ergibt die am objektiven Interesse der Antragsteller des Musterverfahrensantrags ausgerichtete Auslegung, dass mit diesem Feststellungsziel eine anspruchsbegründende Voraussetzung für die in anderen Feststellungszielen des Vorlagebeschlusses sowie in dessen Lebenssachverhalt genannten Schadensersatzansprüche gegen die Musterbeklagten zu 1) und 2) sowie die Wirecard AG festgestellt werden soll. Die begehrte Feststellung, dass der Kursdifferenzschaden ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig sei, kann dahin ausgelegt werden, dass es bei der Geltendmachung dieses Schadens nicht des Nachweises der Transaktionskausalität bedürfen solle. Eine gesicherte Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Kausalitätsnachweis bei der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens für alle von dem Feststellungsziel erfassten Anspruchsgrundlagen existiert nicht.

C.

Eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Über die im Musterverfahren angefallenen Kosten entscheidet das jeweilige Prozessgericht (§ 16 Abs. 2 KapMuG a. F.).

D.

Es ergeht folgende

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden (§ 20 Abs. 1 KapMuG a. F.).

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Bundesgerichtshof
Herrenstraße 45a
76133 Karlsruhe

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.

Die Beteiligten müssen sich durch eine bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Die Rechtsbeschwerde ist zudem binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt ebenfalls mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Rechtsbehelfe, die durch eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind ab 1. Januar 2022 als elektronisches Dokument einzureichen, es sei denn, dass dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Auf Anforderung ist das elektronische Dokument nachzureichen.

Das elektronische Dokument muss

mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder

von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:

auf einem sicheren Übermittlungsweg oder

an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Gerichts.

Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite https:/​/​justiz.de verwiesen.

 

Dr. Schmidt
Präsidentin
des Bayerischen Obersten
Landesgerichts
Dr. Muthig
Richterin
am Bayerischen Obersten
Landesgericht
Dr. Schwegler
Richterin
am Bayerischen Obersten
Landesgericht
von Geldern-Crispendorf
Richterin
am Bayerischen Obersten
Landesgericht
Niklaus
Richter
am Bayerischen Obersten
Landesgericht

Verkündet am 28. Februar 2025

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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