Eine neue Betrugsmasche sorgt für Aufsehen: Telefonbetrüger geben sich als Ärzte oder Krankenhausmitarbeiter aus und fordern hohe Geldbeträge für angeblich lebensrettende Behandlungen. Über die Hintergründe und Schutzmaßnahmen sprechen wir mit Verbraucheranwalt Maurice Högel.
Herr Högel, falsche Polizisten, der Enkeltrick – und jetzt falsche Ärzte. Wie perfide ist diese neue Masche?
Das ist eine der skrupellosesten Betrugsformen, die wir bisher gesehen haben. Hier wird mit der größten Angst der Menschen gespielt: dem möglichen Tod eines geliebten Angehörigen. Die Täter setzen ihre Opfer unter enormen psychischen Druck, indem sie behaupten, ein Familienmitglied sei schwer erkrankt und benötige dringend eine teure Behandlung. Viele Menschen reagieren in solch einer Schocksituation instinktiv und denken nicht rational nach – genau darauf spekulieren die Betrüger.
Wie genau laufen diese Anrufe ab?
Typischerweise ruft ein angeblicher Arzt oder Krankenhausmitarbeiter an und behauptet, ein enger Verwandter des Opfers sei lebensgefährlich erkrankt – oft ist von Krebs, einer schweren Operation oder einem neuartigen Medikament die Rede. Dann kommt der entscheidende Punkt: Die Behandlung sei zwar möglich, koste aber eine enorme Summe, die sofort bezahlt werden müsse. Die Betrüger nennen Beträge von mehreren Zehntausend bis Hunderttausend Euro. Alles muss schnell gehen, damit das Opfer keine Zeit hat, Rücksprache zu halten oder nachzudenken.
Gab es bereits konkrete Fälle, in denen Menschen auf diese Masche hereingefallen sind?
Zum Glück sind in den bekannt gewordenen Fällen in Niederbayern und der Oberpfalz die Angerufenen misstrauisch geblieben und haben die Polizei informiert. Aber wir können nicht sicher sein, ob nicht doch schon jemand gezahlt hat und sich aus Scham nicht traut, es zu melden. Genau das ist das große Problem bei solchen Betrugsfällen: Die Dunkelziffer ist enorm hoch, weil viele Opfer sich nicht eingestehen wollen, dass sie getäuscht wurden.
Warum sind vor allem ältere Menschen betroffen?
Die Betrüger suchen sich gezielt Telefonnummern aus Telefonbüchern heraus, die auf ältere Personen schließen lassen. Namen, die früher häufig vergeben wurden, dienen als Indikator. Ältere Menschen haben zudem oft nicht die Möglichkeit, sich schnell mit Angehörigen oder Freunden abzusprechen, weil sie möglicherweise allein leben oder nicht so digital vernetzt sind. Hinzu kommt, dass viele von ihnen noch aus einer Zeit stammen, in der man blind auf Autoritätspersonen wie Ärzte oder Polizisten vertraut hat.
Wie können sich Menschen vor solchen Anrufen schützen?
Ganz wichtig: Nie sofort reagieren! Egal, wie dramatisch die Geschichte am Telefon klingt – es gibt immer die Möglichkeit, erst einmal selbst nachzuforschen. Wer einen solchen Anruf bekommt, sollte direkt beim angeblichen Krankenhaus oder dem betroffenen Angehörigen nachfragen. Außerdem gilt: Krankenhäuser fordern niemals telefonisch Geld für Behandlungen! Wenn jemand am Telefon behauptet, es gehe um eine lebenswichtige, aber kostenpflichtige Behandlung, ist das ein sicheres Zeichen für Betrug.
Gibt es konkrete Maßnahmen, die jeder ergreifen kann?
Ja, zum Beispiel sollten sich ältere Menschen aus dem Telefonbuch austragen lassen, damit sie nicht so leicht gefunden werden. Zudem sollten Familien miteinander besprechen, wie sie auf solche Anrufe reagieren würden, damit niemand in Panik gerät. Und: Wenn ein Verdacht besteht, sofort die 110 anrufen! Die Polizei ist mit solchen Maschen vertraut und kann helfen.
Was raten Sie Menschen, die bereits Opfer geworden sind?
Auf keinen Fall schämen! Wer auf so etwas hereingefallen ist, sollte sofort Anzeige erstatten. Je mehr Fälle bekannt werden, desto besser können die Täter ermittelt werden. Außerdem gibt es bei Banken manchmal die Möglichkeit, Überweisungen noch zu stoppen – also so schnell wie möglich handeln.
Zum Schluss: Wird diese Masche bald verschwinden – oder müssen wir uns darauf einstellen, dass sich Betrüger immer neue Tricks ausdenken?
Betrüger sind Meister der Anpassung. Sobald eine Methode nicht mehr funktioniert, entwickeln sie eine neue. Deshalb ist es so wichtig, informiert zu bleiben. Die gute Nachricht: Je mehr Menschen von diesen Maschen wissen, desto schwerer haben es die Täter.
Herr Högel, vielen Dank für das Gespräch.
