Es klang nach einem großen Schritt in eine glorreiche Zukunft: Im August eröffnete der Hamburger Schuhhändler Görtz seinen ersten deutschen Standort des „Lifestyle-Konzepts“ in München. Doch nun, kaum ein halbes Jahr später, ist die Realität weniger glamourös – Görtz ist erneut insolvent. Offenbar ist der Weg vom Schuhgeschäft zur Lifestyle-Marke steiler, als gedacht.
Insolvenzverwalter im Dauer-Abo
Das Amtsgericht Hamburg hat am Montag das zweite Insolvenzverfahren innerhalb von zwei Jahren für die Görtz Retail GmbH eingeleitet. Rechtsanwalt Gideon Böhm, der vorläufige Insolvenzverwalter, soll sich erst einmal „einen Überblick verschaffen“. Verständlich, denn in einem Unternehmen, das mit Insolvenzverfahren fast so vertraut ist wie mit Schuhmodellen, kann das schnell unübersichtlich werden. Böhm zeigt sich „kooperativ“ – ein diplomatischer Ausdruck dafür, dass er sich jetzt die Reste einer ambitionierten, aber gescheiterten Vision anschauen muss.
Von 160 auf 30: Ein Traditionsunternehmen im Schrumpfmodus
Einst war Görtz ein Gigant: Mit 160 Filialen in Deutschland und Österreich sowie 1.800 Mitarbeitern prägte das Unternehmen den Schuhmarkt. Heute? Noch 30 Filialen, und die Zahl der Beschäftigten könnte in Kürze in den Bereich eines durchschnittlichen Familienbetriebs rutschen.
Die Ursache für das Schrumpfen? Mietschulden, verändertes Einkaufsverhalten und ein „Lifestyle-Konzept“, das wohl eher Lifestyle-Illusion war. Offenbar reichen Sneaker mit fancy Lichtinstallationen nicht aus, um ein Traditionsunternehmen über Wasser zu halten.
Investor mit begrenztem Glück
Bolko Kissling, der Investor, der das Unternehmen nach der ersten Pleite 2023 rettete, hatte damals vollmundig erklärt, dass es nun an der Zeit sei, „an einer erfolgreichen Zukunft zu arbeiten“. Klingt toll, wenn da nicht die zweite Pleite so kurz darauf gekommen wäre. Vielleicht hätte Kissling auch sagen können: „Wir versuchen, die Titanic ein zweites Mal zu reparieren – und das mit Papierkleber.“
Von Lifestyle zu Überlebenskampf
Es ist schon beeindruckend, wie Görtz versucht hat, mit dem Begriff „Lifestyle“ einen neuen Glanz zu schaffen. Doch die Kunden scheinen nicht in Lifestyle-Läden zu gehen, um Schuhe zu kaufen, sondern einfach in Onlineshops, die dieselben Modelle günstiger anbieten – ohne teure Mietschulden und mit Rücksendungsgarantie.
Fazit: Vom Traditionsunternehmen zum Dauerpatienten
Görtz zeigt, wie schwierig es ist, sich in einer Welt zu behaupten, in der Trends schneller wechseln als die Lagerbestände. Die zweite Insolvenz dürfte bei Mitarbeitern und Kunden kaum Vertrauen aufbauen – und beim Insolvenzverwalter wohl für Déjà-vus sorgen. Vielleicht ist es wirklich Zeit, die Schuhe an den Nagel zu hängen. Denn ein Lifestyle ohne Substanz läuft sich schnell ab – selbst in den teuersten Sneakern.