Auch nach ihrer Abschaffung sorgt die Praxisgebühr weiter für Ärger: Uns erreichen regelmäßig Anfragen von gesetzlich Krankenversicherten, die von einer Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei per Brief zur nachträglichen Zahlung von Praxisgebühren aufgefordert wurden. Das berichtet die Verbraucherzentrale Hamburg auf ihrem Onlineblog.
Patienten in der Bredouille
Die Kanzlei RVR Rechtsanwälte aus Stuttgart verschickt im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg Briefe an Verbraucher, die sie als „Anhörung“ bezeichnet. Vor allem Senioren fühlen sich von diesen Zahlungserinnerungen eingeschüchtert. Doch auch souveräne Empfänger der Briefe kommen leicht in die Bredouille, denn in vielen Fällen haben sie die Nachweise über die korrekte Bezahlung der Praxisgebühr vor drei oder vier Jahren nicht mehr zur Hand.
Dass das Ausmaß an Bürokratie sehr absurde Formen annehmen kann, zeigt der Fall eines Hamburgers, der drei Jahre nach seinem Tod Post von der Kanzlei RVR Rechtsanwälte bekam. Als seine Tochter den Anwälten schrieb, dass ihr Vater längst tot sei, erhielt der Verstorbene erneut ein Schreiben, in dem stand, dass er bitte seinen eigenen Tod nachweisen solle.
Forderungen prüfen
Ob die jeweilige Forderung im konkreten Fall berechtigt ist, sollten Versicherte genau prüfen. Ärzte müssen nicht bezahlte Praxisgebühren auf jeden Fall vorher selbst anmahnen, bevor die Forderung von der Kassenärztlichen Vereinigung eingetrieben werden kann. Dieser Einzug rückständiger Gebühren nach so vielen Jahren ist für die meisten Versicherten nicht nachvollziehbar und ärgerlich. Selbst die Kanzlei RVR Rechtsanwälte zog in der Vergangenheit Zahlungsaufforderungen nach kritischen Anfragen zu den Behandlungsdetails bereits wieder zurück.
Die Eintreibung nicht entrichteter Praxisgebühren durch ein Inkassobüro oder einen Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht verboten, allerdings dürfen nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Mahn- und Säumnisentgelte erhoben werden.
Wir können Patienten, die mit solchen „Anhörungen″ konfrontiert sind, nur raten,
- die Praxisgebühr nachzuzahlen, wenn sie sie tatsächlich damals nicht entrichtet haben,
- wenn sie bezahlt haben, die Quittung vorzulegen – wenn sie die noch haben,
- oder aber die RVR Anwälte und die Kassenärztliche Vereinigung darauf hinzuweisen, dass sie gar keine zeitnahe Mahnung erhalten haben und die jetzige „Anhörung” das erste ist, was sie zu diesem Vorgang erhalten (wenn es so ist).
Der Gesetzgeber hat die Praxisgebühr abgeschafft. Aber er hat nicht geregelt, dass auch der unsinnige Einzug rückständiger Gebühren gestoppt wird. So muss die Kassenärztliche Vereinigung diese Forderungen verfolgen, ob sie will oder nicht, und sich bei vielen Patienten unnötigerweise unbeliebt machen.
Vor wenigen Wochen haben wir darüber den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patienten, Karl-Josef Laumann (CDU) informiert – verbunden mit der dringenden Bitte, sich dafür einzusetzen, die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen vom Zwang zum nachträglichen Einzug zu befreien. Eine Antwort auf unseren Brief steht bisher aus.
Immer wieder Ärger
Wir haben schon mehrfach berichtet, mit welchen Methoden die Praxisgebühr von 10 Euro, die bis Ende 2012 bei jedem Arztbesuch fällig war, Jahre später noch eingetrieben wird – von einer Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Mehr lesen Sie in unseren Beiträgen Und das wegen 10 Euro? sowie Post vom Anwalt.