Der Wechsel von der Ampel-Koalition zur neuen Koalition aus CDU/CSU und SPD markiert nicht nur einen politischen Machtwechsel, sondern auch einen Wandel in politischen Prioritäten, Tonalität und Umsetzungslogik. Beide Koalitionsverträge zeigen ambitionierte Zielsetzungen, setzen jedoch sehr unterschiedliche Mittel ein, um diese zu erreichen. Die folgende Gegenüberstellung beleuchtet die wichtigsten Felder.
1. Klimapolitik und Energie
Die Ampel-Koalition hatte sich der „sozial-ökologischen Transformation“ verschrieben. Sie strebte eine entschlossene Klimapolitik an, mit dem Ziel, Deutschland spätestens bis 2045 klimaneutral zu machen. Das zentrale Instrument war dabei ein regulatorischer Ansatz, etwa das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das für Neubauten und Heizungssysteme verbindliche Standards setzte – nicht zuletzt der Einbau von Wärmepumpen und der Ausstieg aus fossilen Heiztechniken sorgten für große Debatten.
Die neue Koalition stellt dieses Gesetz deutlich infrage. Stattdessen soll ein neues Gebäudeenergiegesetz geschaffen werden, das auf Technologieoffenheit setzt und die tatsächliche CO₂-Vermeidung als Maßstab in den Vordergrund rückt. Das bisherige Gesetz wird abgeschafft, eine klare Abkehr von den strikten Vorgaben der Ampel. Gleichzeitig bekennt sich auch die neue Regierung zur Einhaltung der Pariser Klimaziele – jedoch unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit und Planbarkeit. Damit setzt die neue Koalition weniger auf Verbote, sondern auf marktwirtschaftliche Steuerung.
2. Sozialpolitik und Rente
In der Sozialpolitik zeigt sich eine gewisse Kontinuität, jedoch mit unterschiedlicher Umsetzung. Die Ampel führte das Bürgergeld als neue Grundsicherung ein und versprach, das Rentenniveau bei 48 % zu sichern. Sie legte erstmals einen Kapitalstock zur Rentenfinanzierung an und reformierte die private Altersvorsorge.
Die neue Koalition garantiert das Rentenniveau bis 2031 ebenfalls, allerdings ohne Kapitalfonds. Sie setzt stattdessen auf Steuermittel. Zudem führt sie mit der sogenannten „Frühstart-Rente“ eine neue, langfristig angelegte Vorsorgeform ein: Ab 2026 sollen für jedes Kind monatlich Beiträge in ein staatlich gefördertes, aber privatwirtschaftlich organisiertes Vorsorgekonto eingezahlt werden. Diese neue Art der Altersvorsorge beginnt früh und zielt auf Eigenverantwortung und langfristige Absicherung.
3. Wehrdienst und Verteidigung
Ein deutlicher Bruch zeigt sich im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Ampel betonte eine professionelle Freiwilligenarmee, die Attraktivität der Bundeswehr und feministische Außenpolitik. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht wurde ausgeschlossen.
Die neue Koalition hingegen plant einen neuen freiwilligen Wehrdienst, angelehnt an das schwedische Modell. Darüber hinaus sollen noch 2025 rechtliche Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und -überwachung geschaffen werden – ein Schritt, der mittelfristig die Wiedereinführung einer strukturellen Wehrpflicht ermöglichen könnte. Auch die Reserve und der Heimatschutz sollen personell und materiell gestärkt werden. Der Ton ist deutlich sicherheits- und resilienzorientierter.
4. Cannabis und Gesundheit
Die Ampel-Koalition hatte als erste Bundesregierung die Legalisierung von Cannabis beschlossen, inklusive kontrollierter Abgabe und Qualitätskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften. Ziel war es, Konsumentenschutz zu erhöhen, den Schwarzmarkt zurückzudrängen und polizeiliche Ressourcen zu entlasten.
Die neue Koalition übernimmt diesen Beschluss formell, kündigt jedoch eine ergebnisoffene Evaluierung im Herbst 2025 an. Damit wird die Legalisierung nicht direkt rückgängig gemacht, aber ihr Fortbestand hängt von der Bewertung der Auswirkungen ab. Der Ton ist zurückhaltender, skeptischer – mit mehr Gewicht auf Ordnungspolitik und gesellschaftlicher Wirkung.
5. Migration und Integration
Unter der Ampel wurde das Migrationsrecht modernisiert, u. a. durch das Chancen-Aufenthaltsrecht und eine klare Orientierung an Fachkräftegewinnung. Integration wurde vor allem als Teilhabe- und Bildungsthema verstanden.
Die neue Koalition verknüpft Integration stärker mit Sicherheitspolitik und gesellschaftlicher Verpflichtung. Sie schlägt vor, Menschen mit Migrationsgeschichte gezielt für Bundeswehr und Bevölkerungsschutz zu gewinnen, um gesellschaftliche Teilhabe zu stärken. Verfahren sollen digitalisiert, beschleunigt, aber auch strenger kontrolliert werden. Der Fokus liegt auf „Integration durch Beitrag“, nicht primär auf Förderung.
6. Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung
Beide Koalitionen betonen die Bedeutung von Digitalisierung. Die Ampel legte ambitionierte Pläne zur Modernisierung der Verwaltung vor, einschließlich eines Digitalbudgets, der Registermodernisierung und Open-Source-Standards. Sie wollte das Onlinezugangsgesetz umfassend weiterentwickeln.
Die neue Koalition greift diese Punkte auf, legt den Schwerpunkt jedoch auf Effizienz, Automatisierung und Entbürokratisierung. Sozialleistungen sollen durch eine Kommission neu gebündelt und über „einfach zu bedienende digitale Plattformen“ bereitgestellt werden. Insgesamt verfolgt die neue Koalition hier eine pragmatisch-technokratische Linie.
7. Außen- und Europapolitik
Die Ampel verstand sich als Vertreterin einer wertebasierten, feministisch geprägten Außenpolitik, mit klarem Bekenntnis zu Menschenrechten, Klimaaußenpolitik und Multilateralismus.
Die neue Koalition bleibt europafreundlich, rückt aber Sicherheitsinteressen, technologische Souveränität und geopolitische Resilienz stärker in den Vordergrund. Der Fokus liegt auf militärischer Aufwuchsfähigkeit, aktiver Cyberabwehr und wirtschaftlicher Sicherheit, insbesondere im Spannungsfeld mit autoritären Staaten.
Fazit
Die neue Koalition betont Kontinuität in den großen politischen Zielen – Klimaneutralität, soziale Sicherheit, Digitalisierung – aber sie ändert die Methoden, mit denen diese erreicht werden sollen. Statt regulativer Vorgaben stehen steuernde, technikoffene und sozial verträgliche Lösungen im Vordergrund. Der Ton ist insgesamt pragmatischer, ordnungspolitischer und sicherheitsbewusster. In der Summe lässt sich ein deutlicher Richtungswechsel erkennen – weg von idealistischen, normativ aufgeladenen Projekten der Ampel, hin zu praktikabler, durchsetzungsorientierter Politik, die auf gesellschaftliche Akzeptanz und Stabilität setzt.