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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime (Bautzen): „Photovoltaik klingt grün – ist aber nicht automatisch risikolos“

grass27 (CC0), Pixabay

Redaktion: Herr Reime, in Zeiten von Inflation, Krisen und schwankenden Märkten suchen viele Menschen nach einer „sicheren Geldanlage“. Anbieter werben mit Photovoltaik-Investments, staatlichen Vergütungen und enormen Steuervorteilen. Wie bewerten Sie das aus juristischer Sicht?

RA Jens Reime: Grundsätzlich gilt: Die perfekte, absolut risikofreie Geldanlage existiert nicht. Auch wenn Begriffe wie „staatlich garantiert“ oder „steuerlich optimiert“ für Sicherheit stehen sollen – dahinter verbergen sich oft komplexe, langfristige Verpflichtungen und Risiken, die von Laien leicht unterschätzt werden.

Redaktion: Viele Anbieter stellen Photovoltaik-Investments als inflationsgeschützt und steuerlich höchst attraktiv dar – mit EEG-Vergütungen über 20 Jahre. Was sagen Sie dazu?

Reime: Das ist juristisch korrekt – aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Die EEG-Vergütung ist zwar gesetzlich geregelt, aber sie garantiert keine wirtschaftliche Gesamtrendite. Technische Ausfälle, Standortprobleme, Projektverzögerungen, steigende Wartungskosten oder sogar Insolvenzen von Betreibern oder Generalunternehmern können die kalkulierten Erträge massiv drücken.

Redaktion: Einige Anbieter locken mit einer sofortigen Steuerersparnis von bis zu 50 % dank Investitionsabzugsbetrag (IAB). Ist das seriös?

Reime: Der IAB ist ein legitimes steuerliches Instrument, aber: Er setzt konkrete Voraussetzungen voraus. Das betrifft etwa die betriebliche Nutzung der Anlage, die Dokumentation gegenüber dem Finanzamt und den tatsächlichen Vollzug der Investition. Wer das nicht erfüllt – etwa, weil das Projekt scheitert oder die Lieferung sich verzögert – riskiert rückwirkende Steuernachzahlungen.

Redaktion: Sind solche Angebote aus Ihrer Sicht für „normale“ Kleinanleger überhaupt geeignet?

Reime: Eindeutig nein – zumindest nicht ohne professionelle Beratung. Diese Photovoltaik-Modelle sind oft nur für Personen mit sehr hohem Einkommen oder hohem Steuerdruck sinnvoll. Kleinanleger, die ihre Abfindung oder Altersvorsorge investieren möchten, laufen Gefahr, sich an ein langfristig gebundenes, unternehmerisches Investment mit hoher Komplexität zu binden. Das ist kein Sparbuch mit grünem Anstrich.

Redaktion: Wie erkennt man unseriöse Anbieter?

Reime: Wenn mit emotionalen Versprechen geworben wird – „Stabile Zukunft für Ihre Familie“, „Garantierte Rendite“, „Kein Risiko“ – sollten bei jedem seriösen Anleger die Alarmglocken schrillen. Auch übertriebene Google-Bewertungen oder fehlende Transparenz zu Projektverantwortlichen, Standorten oder technischen Details sind rote Flaggen.

Redaktion: Und was sagen Sie zu der allgemeinen Idee, Sachwerte wie Photovoltaik in ein Portfolio zu integrieren?

Reime: Das ist an sich eine kluge Idee, besonders angesichts von Inflation. Sachwerte wie Immobilien oder Energieanlagen können gut geeignet sein, wenn sie Teil einer diversifizierten Strategie sind. Aber: Anleger müssen sich bewusst sein, dass sie unternehmerisch tätig werden – mit allen Chancen und Risiken. Das ist keine bloße „Einzahlung = Auszahlung“-Logik, sondern oft ein Langzeitprojekt mit rechtlicher Komplexität.

Redaktion: Welche typischen Fehler machen Anleger bei solchen Investments?

Reime: Viele unterschätzen die Laufzeitbindung, glauben an „garantierte Steuerersparnisse“, oder lassen sich von Beratungsgesprächen ohne rechtliche Prüfung zu schnellen Entscheidungen drängen. Ich empfehle stets: Vor Vertragsabschluss einen spezialisierten Anwalt oder Steuerberater hinzuziehen. Das kann spätere rechtliche oder finanzielle Schäden vermeiden.

Redaktion: Ihr Fazit in einem Satz?

Reime: Photovoltaik ist spannend – aber nicht simpel. Wer sich darauf einlässt, sollte nicht nur an die Sonne denken, sondern auch an den Schatten.

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