Redaktion: Herr Högel, die Wallraff-Recherche hat Hygienemängel in 48 von 50 überprüften Kaufland-Filialen dokumentiert – darunter Schimmel in Kühltruhen, Fäkalbakterien und defekte Kühltechnik. Was sagen Sie zu diesen Erkenntnissen?
Maurice Högel: Die Berichte sind erschreckend und aus Sicht des Verbraucherschutzes höchst problematisch. Es geht hier nicht um Einzelfälle, sondern um offenbar systemische Mängel in der Lebensmittellagerung und -hygiene. Wenn solche Zustände in fast jeder untersuchten Filiale festgestellt werden, dann ist das kein Ausrutscher – dann liegt ein ernsthaftes strukturelles Problem vor.
Redaktion: Viele Menschen stellen sich nun die Frage: Kann man überhaupt noch bei Kaufland einkaufen gehen?
Maurice Högel: Die Antwort ist: Mit Vorsicht, ja – aber mit offenen Augen. Ich würde niemandem pauschal davon abraten, bei Kaufland einzukaufen. Aber Kundinnen und Kunden sollten sich bewusst sein, dass sie in bestimmten Bereichen – insbesondere bei frischen und tiefgekühlten Produkten – derzeit sehr sorgfältig prüfen müssen, was sie in den Wagen legen. Wer offensichtliche Mängel sieht, sollte die Produkte liegen lassen und idealerweise auch eine Meldung beim Markt oder der zuständigen Lebensmittelüberwachung machen.
Redaktion: Wie gefährlich ist Schimmel in Kühltruhen wirklich? Die Lebensmittel sind doch meist verpackt.
Maurice Högel: Das stimmt nur zum Teil. Verpackungen bieten zwar einen gewissen Schutz, aber nicht immer einen vollständigen. Besonders bei Pappverpackungen oder beschädigten Plastikverpackungen kann Feuchtigkeit eindringen, Schimmelsporen können übertragen werden. Und: Auch über die Hände kann Schimmel verschleppt werden – etwa, wenn ich an einer verschimmelten Kühltheke ein Produkt herausnehme und anschließend Obst oder Backwaren anfasse. Hinzu kommt: Temperaturschwankungen können die Haltbarkeit von Lebensmitteln erheblich verkürzen – da geht es nicht nur um Schimmel, sondern auch um Keime.
Redaktion: Kaufland verteidigt sich: Man habe Altgeräte, aber kontrolliere Temperaturen täglich. Wie bewerten Sie das?
Maurice Högel: Natürlich klingt das in der Theorie gut. Doch die Wallraff-Recherche zeigt, dass zwischen Theorie und Praxis eine große Lücke klafft. Wenn trotz täglicher Temperaturprotokolle tiefgefrorene Waren auftauen oder stark vereisen, dann funktionieren die Kontrollmechanismen offenbar nicht ausreichend. Auch das Argument mit den Altgeräten ist aus meiner Sicht nur bedingt stichhaltig – wenn Geräte veraltet sind und hygienische Standards gefährden, müssen sie sofort ersetzt werden, nicht irgendwann.
Redaktion: Was können Verbraucherinnen und Verbraucher konkret tun?
Maurice Högel: Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte besonders bei frischen oder tiefgekühlten Produkten auf folgende Punkte achten:
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Verpackung unversehrt? Wenn sie aufgequollen, beschädigt oder nass ist: liegen lassen.
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Produkte angefroren oder „klumpig“? Dann war es vermutlich einmal aufgetaut – das ist ein Warnsignal.
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Kühltheken beschlagen oder tropfnass? Dann lieber Abstand halten.
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Verdacht auf Schimmel? Sofort melden – entweder im Markt oder beim örtlichen Verbraucherschutz.
Zudem empfehle ich: Quittung aufbewahren, insbesondere bei empfindlicher Ware. Falls es zu gesundheitlichen Problemen kommt, kann das später wichtig sein.
Redaktion: Was erwarten Sie nun von Kaufland?
Maurice Högel: Eine glaubhafte, transparente Aufarbeitung. Kaufland muss jetzt mehr tun als auf Pressemeldungen zu verweisen. Es braucht echte Konsequenzen, regelmäßige externe Kontrollen – und vor allem: eine öffentliche Rückmeldung darüber, was konkret verbessert wurde. Wenn das nicht passiert, steht das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig auf dem Spiel.
Redaktion: Vielen Dank, Herr Högel, für Ihre Einschätzung.
Maurice Högel: Gern geschehen – und bleiben Sie kritisch beim Einkaufen.