Der Jahresabschluss der Windpark Kemberg GmbH & Co. KG zum 31. Dezember 2023 gibt auf den ersten Blick ein positives Bild ab, insbesondere mit Blick auf die gestiegene Eigenkapitalbasis. Doch bei näherer Betrachtung zeigen sich aus Sicht potenzieller oder bereits beteiligter Anleger auch mehrere kritische Punkte, die auf strukturelle Risiken hinweisen – insbesondere im Hinblick auf die Liquiditätssituation und die Forderungsstruktur.
1. Eigenkapitalentwicklung – solide, aber ohne Ergebniswirkung
Die Eigenkapitalbasis hat sich gegenüber dem Vorjahr von rund 1,58 Mio. Euro auf etwa 2,25 Mio. Euro erhöht. Dies entspricht einem Anstieg um rund 670.000 Euro. Da kein Bilanzgewinn ausgewiesen wird, ist davon auszugehen, dass diese Stärkung des Eigenkapitals vor allem auf Einlagen der Gesellschafter zurückzuführen ist – nicht auf operative Gewinne. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass die Gesellschaft Kapitalzuführungen benötigt, um ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Für Anleger ist das ein zweischneidiges Signal: Auf der einen Seite zeigt es die Bereitschaft der Gesellschafter, die Gesellschaft zu stützen; auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach der Rentabilität des laufenden Geschäftsbetriebs.
2. Auffällige Entwicklung bei den Forderungen – hohes Klumpenrisiko
Die Position „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht – von rund 2,2 Mio. Euro auf knapp 2,75 Mio. Euro. Auffällig ist, dass hiervon allein 2,44 Mio. Euro auf Forderungen gegen Gesellschafter entfallen. Damit entfallen rund 89 % des gesamten Umlaufvermögens auf interne Forderungen. Aus Anlegersicht ist dies problematisch, da diese Forderungen nicht der kurzfristigen Finanzierung des operativen Geschäfts dienen, sondern Liquidität in der Gesellschafterstruktur bindet. Es handelt sich hierbei um eine erhebliche Konzentration von Ausfallrisiken innerhalb eines nicht neutralen Beteiligtenkreises. Zudem ist unklar, ob diese Mittel zeitnah zurückfließen oder ob sie auf langfristigen internen Finanzierungsbeziehungen basieren.
3. Deutlicher Rückgang beim Anlagevermögen – Abschreibungen oder Desinvestitionen?
Das Sachanlagevermögen hat sich im Berichtszeitraum von 442.000 Euro auf nur noch rund 272.000 Euro reduziert – ein Rückgang um über 38 %. Dieser deutliche Wertverlust muss aus Anlegersicht genau hinterfragt werden. Handelt es sich um planmäßige Abschreibungen auf ältere Windenergieanlagen? Oder wurden Anlagenteile veräußert oder außer Betrieb genommen? Beide Szenarien wären kritisch: Im ersten Fall drohen mittelfristig Ersatzinvestitionen, im zweiten Fall wäre fraglich, in welchem Umfang überhaupt noch Energieerzeugung erfolgt und Erträge erzielt werden können.
4. Schuldenabbau – positiver Trend mit Vorbehalt
Die Verbindlichkeiten wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduziert – von etwa 405.000 Euro auf knapp 196.000 Euro. Davon sind über 95 % kurzfristiger Natur. Zwar ist dies auf den ersten Blick eine positive Entwicklung, doch der Schuldenabbau könnte auch im Zusammenhang mit der Zunahme der Gesellschafterforderungen stehen – also einem internen Umschulden. Hinzu kommt, dass ein Großteil der verbliebenen Verbindlichkeiten (188.000 Euro) durch die Verpfändung der Stromerlöse besichert ist. Das reduziert den finanziellen Spielraum und schränkt künftige Flexibilität ein.
5. Rückstellungen und sonstige Verpflichtungen – solide, aber wachsam zu beobachten
Die Rückstellungen wurden von rund 671.000 Euro auf knapp 583.000 Euro reduziert. In welchem Umfang dies durch Auflösung oder niedrigere Zuführungen geschah, bleibt unklar. Die bestehende Pachtverpflichtung in Höhe von 81.730 Euro ist branchenüblich, sollte aber im Kontext der aus den Anlagen erzielbaren Erlöse betrachtet werden. Nicht genannt wird, ob Rückstellungen für Rückbauverpflichtungen enthalten sind – was für Windparkbetreiber ein essenzielles Thema darstellt.
6. Liquiditätslage – hohe Forderungen, aber kaum freie Mittel
Trotz der Bilanzsumme von über 3 Mio. Euro und hoher Forderungsbestände fehlt in der Aufstellung jeglicher Hinweis auf liquide Mittel (z. B. Bankguthaben oder Kassenbestände). Da nahezu das gesamte Umlaufvermögen in Forderungen steckt – insbesondere gegenüber Gesellschaftern – bleibt unklar, ob die Gesellschaft kurzfristig zahlungsfähig ist. Dies stellt ein potenzielles Liquiditätsrisiko dar.
Fazit aus Anlegersicht
Die Windpark Kemberg GmbH & Co. KG weist im Jahresabschluss 2023 sowohl Licht als auch Schatten auf:
Positiv hervorzuheben sind der Schuldenabbau, die verbesserte Eigenkapitalquote und die formal korrekte Bilanzierung.
Kritisch zu bewerten sind dagegen:
der drastische Rückgang des Sachanlagevermögens,
der extrem hohe Anteil an Forderungen gegenüber Gesellschaftern (und damit verbunden das Klumpenrisiko),
sowie die unklare Liquiditätssituation.
Ob das Unternehmen langfristig stabile Ausschüttungen leisten kann, bleibt angesichts der fehlenden Informationen zur Ertragslage und der unsicheren Vermögensstruktur offen. Für Anleger wäre insbesondere eine transparente Offenlegung der Cashflows, der Stromerträge und der weiteren Finanzplanung erforderlich, um eine fundierte Bewertung vornehmen zu können. In der aktuellen Form bleibt der Jahresabschluss aus Investorensicht nur eingeschränkt belastbar.