Die warme Jahreszeit steht bevor – und mit ihr beginnt die Hochsaison der Zecken. Während viele Menschen sich inzwischen der Gefahr durch die kleinen Blutsauger bewusst sind, warnt der renommierte Zeckenexperte Gerhard Dobler nun vor einem weniger offensichtlichen Risiko: der fehlerhaften Einschätzung durch Hausärzte.
Im Gespräch mit dem MDR äußerte der Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) seine Sorge, dass zahlreiche Ärztinnen und Ärzte die FSME-Risikokarte des Robert-Koch-Instituts (RKI) falsch deuten. „Immer wieder erleben wir, dass in vermeintlich sicheren Regionen FSME-Fälle übersehen oder falsch diagnostiziert werden“, so Dobler. Das Problem: Viele Mediziner halten die Karte fälschlicherweise für eine Art „Landkarte der Zecken“, dabei handelt es sich in Wahrheit um eine Darstellung der gemeldeten Erkrankungsfälle – nicht der tatsächlichen Virusverbreitung.
Diese Unterscheidung ist entscheidend, denn das FSME-Virus kann grundsätzlich in weitaus mehr Regionen vorkommen, als die Karte vermuten lässt. Die erfassten Risikogebiete zeigen lediglich an, wo in den letzten Jahren überdurchschnittlich viele FSME-Erkrankungen gemeldet wurden – doch Infektionen sind auch außerhalb dieser Regionen möglich.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland knapp 700 FSME-Fälle registriert – ein Wert, der laut Dobler vermutlich nur einen Teil des tatsächlichen Infektionsgeschehens widerspiegelt. Besonders tückisch: Die Symptome ähneln anfangs oft einer Grippe – Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen –, können aber in der zweiten Krankheitsphase zu schweren neurologischen Komplikationen wie Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen führen.
Dobler appelliert daher eindringlich an die Ärzteschaft, FSME als mögliche Diagnose auch außerhalb der bekannten Risikozonen in Betracht zu ziehen – besonders dann, wenn Patientinnen und Patienten über einen Zeckenstich berichten. Gleichzeitig empfiehlt er eine Ausweitung der Impfempfehlung und eine bessere Aufklärung, auch in bislang weniger beachteten Regionen.
Für die Bevölkerung bedeutet dies vor allem eines: Wachsamkeit. Wer sich in der Natur bewegt – sei es beim Wandern, Gärtnern oder Spazierengehen – sollte sich konsequent gegen Zecken schützen, auch wenn der eigene Wohnort nicht auf der Risikokarte auftaucht. Denn Zecken halten sich nicht an Landkreise, und FSME ist überall dort möglich, wo die Natur sie zulässt.