China steckt in einem wirtschaftlichen Dilemma: Die Menschen geben zu wenig Geld aus, die Preise fallen und das Wachstum stockt. Um den Konsum anzukurbeln, greift die chinesische Regierung nun zu drastischen Maßnahmen. Milliarden werden in soziale Wohlfahrtsprogramme, Lohnerhöhungen und Rabatte für Konsumgüter investiert – von Elektroautos über Haushaltsgeräte bis hin zu Smartwatches. Doch reicht das aus, um die Kauflaune der Bevölkerung nachhaltig zu steigern?
Warum die Chinesen ihr Geld horten
Während viele westliche Länder mit Inflation kämpfen, erlebt China das Gegenteil: Deflation – also sinkende Preise. Was für Verbraucher zunächst gut klingt, kann die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale führen:
📉 Preise sinken → Unternehmen verdienen weniger → weniger Investitionen → geringere Löhne → noch weniger Konsum.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig:
✅ Unsicherheit über die Zukunft: Viele Chinesen fürchten steigende Arbeitslosigkeit und halten ihr Geld zusammen.
✅ Zusammenbruch des Immobilienmarkts: Da Immobilien einen Großteil des Vermögens vieler Haushalte ausmachen, sorgen fallende Preise für ein Gefühl der Unsicherheit.
✅ Fehlende soziale Absicherung: Ein großer Teil der Bevölkerung, insbesondere Wanderarbeiter, hat nur eingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen und spart deshalb vorsorglich.
Laut einer Studie haben chinesische Haushalte 2024 32 % ihres verfügbaren Einkommens gespart – ein Rekordwert. Zum Vergleich: In den USA und Großbritannien fließen über 80 % der Wirtschaftsleistung in den Konsum, in Indien etwa 70 %. In China lag dieser Anteil in den letzten Jahren meist nur zwischen 50 und 55 %.
Regierung greift ein: Milliarden für Konsumanreize
Präsident Xi Jinping hat das Problem erkannt. Um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, setzt China auf zwei große Maßnahmen:
📌 Milliarden-Subventionen und Rabatte
– 41 Mrd. US-Dollar für Konsumgüter-Rabatte: Von Elektroautos bis hin zu Haushaltsgeräten.
– Geplante Steuersenkungen und staatliche Anreize für Unternehmen, um Löhne zu erhöhen.
📌 Soziale Absicherung ausbauen
– Bessere Löhne und bezahlter Urlaub sollen die finanzielle Sicherheit erhöhen.
– Kinderbetreuungszuschüsse sollen Familien entlasten und die niedrige Geburtenrate bekämpfen.
Analysten begrüßen die Maßnahmen, bezweifeln jedoch, dass sie ausreichen. „Das eigentliche Problem ist, dass das Einkommen der Haushalte zu niedrig ist und das Sparverhalten tief verwurzelt ist“, sagt Gerard DiPippo vom Think-Tank Rand Corporation.
Immobilienkrise als Schlüsselproblem
Besonders kritisch ist der angeschlagene Immobilienmarkt. In China sind Wohnungen nicht nur Wohnraum, sondern die wichtigste Kapitalanlage für viele Bürger. Fallen die Preise, sinkt auch das Vertrauen in die Wirtschaft.
📉 Die Folge:
– Weniger Investitionen in neue Immobilien.
– Konsumzurückhaltung, weil Menschen sich ärmer fühlen.
Laut Experten wird sich der Konsum erst dann erholen, wenn sich der Immobilienmarkt stabilisiert.
Von der Shopping-Nation zur Spar-Nation
Früher war China ein Paradies für Shopaholics: An „Double 11“, dem chinesischen Black Friday, wurden 2019 in nur 24 Stunden 57 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Doch seit der Pandemie ist die Kauflaune stark gesunken.
🔸 Online-Händler wie Alibaba und JD.com veröffentlichen keine Umsatzzahlen mehr – aus Angst vor schlechten Ergebnissen.
🔸 Luxusmarken wie LVMH und Burberry melden sinkende Verkäufe in China.
🔸 Soziale Medien sind voll mit Spartipps: „Tiger Balm ist das neue Kaffee“ und „Parfüm wird nur noch für sich selbst aufgetragen.“
Chinas Konsumboom war nie so stark wie in westlichen Ländern. Das war lange kein Problem, weil der Export als Wachstumsmotor diente. Doch mit zunehmenden Handelskonflikten und globaler Diversifizierung verliert China diesen Vorteil.
Wird Xi Jinping das Wirtschaftssystem umkrempeln?
Einige Experten glauben, dass China eine tiefgreifendere Veränderung braucht, um langfristig den Konsum zu steigern. Doch genau hier liegt die Schwierigkeit:
🔹 China müsste Macht vom Staat auf die Bürger verlagern – und das könnte politisch nicht gewollt sein.
🔹 Historisch gesehen hat China auf staatlich gelenkte Investitionen und Exporte gesetzt, nicht auf einen konsumgetriebenen Binnenmarkt.
🔹 Ein Wandel würde bedeuten, dass die Regierung den Banken weniger Kontrolle über das Kapital gibt – ein riskanter Schritt.
Michael Pettis von der Carnegie Stiftung warnt: „Chinas extrem niedrige Konsumquote ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Jahrzehnten gezielter Wirtschaftspolitik. Das zu ändern, wird nicht einfach.“
Fazit: Mehr Konsum oder nur kurzfristige Effekte?
China hat die wirtschaftlichen Herausforderungen erkannt und reagiert mit Milliardenprogrammen, um den Konsum anzukurbeln. Doch ob das ausreicht, bleibt fraglich:
✅ Kurzfristig könnten Rabatte und Lohnerhöhungen den Konsum leicht ankurbeln.
❌ Langfristig wird die Sparmentalität bleiben, solange Unsicherheit und wirtschaftliche Risiken hoch sind.
❌ Der Immobilienmarkt bleibt ein Problem – ohne Stabilisierung wird es schwer, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen.
China steckt in einem wirtschaftlichen Spagat: Es will die Binnenwirtschaft stärken, aber ohne sein zentral gesteuertes System zu lockern. Doch genau das könnte der entscheidende Punkt sein, ob das Land in eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung startet – oder ob es weiterhin Milliarden ausgeben muss, um die Kauflaune künstlich zu beleben.