Seit Monaten protestieren Tausende Georgier gegen die Regierung der Georgian Dream (GD)-Partei. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, die Parlamentswahlen von Oktober 2024 manipuliert zu haben und Georgien weg von Europa und zurück in Russlands Einflussbereich zu steuern.
Im Zentrum der Kritik steht Bidzina Iwanischwili, der heimliche starke Mann Georgiens. Er gründete Georgian Dream vor über einem Jahrzehnt und obwohl er kein offizielles Amt mehr innehat, gilt er als der wahre Machthaber hinter den Kulissen.
Während viele Georgier ihn als russlandfreundlichen Oligarchen sehen, der die Demokratie untergräbt, wird er in seinem Heimatdorf Chorwila als Volksheld gefeiert.
Ein Dorf im Zeichen von Georgian Dream
In Chorwila, wo Iwanischwili aufwuchs, scheint es keine Kritik an ihm zu geben. Die Straßen sind asphaltiert, Häuser renoviert, Schulen modern ausgestattet – alles, so sagen die Dorfbewohner, dank ihres großzügigen Wohltäters.
„Ohne ihn wäre hier nichts. Er hat alles für uns getan“, schwärmt ein Bewohner.
Die Unterstützung für Georgian Dream ist allgegenwärtig. Der Geschichtslehrer Temuri Kapanadze berichtet, dass Iwanischwili jedem frisch verheirateten Paar 3.000 US-Dollar schenkt, Familien finanziell unterstützt und selbst die Dächer im ganzen Dorf erneuert hat.
Doch nicht alle in Georgien sind so dankbar.
Massenproteste gegen Iwanischwilis Einfluss
In der Hauptstadt Tiflis ist die Stimmung eine völlig andere. Seit Monaten protestieren junge Menschen täglich gegen die Regierung. Einer der zentralen Slogans lautet: „Feuer der Oligarchie“ – eine direkte Anspielung auf Iwanischwilis Macht.
Tamara Arweladse (26), eine der Demonstrantinnen, ist überzeugt:
„Georgien wird von einem Oligarchen regiert, der eine russische Agenda verfolgt. Er sieht dieses Land als sein Privateigentum.“
Die Proteste eskalierten im Februar, als die Regierung die Verhandlungen mit der EU einseitig aussetzte. Kritiker vermuten, dass Iwanischwili Georgien bewusst in Russlands Einflussbereich halten will.
Repressionen gegen Demonstranten
Die Antwort der Regierung auf die Proteste war hart:
- Teilnehmer wurden mit hohen Geldstrafen belegt – eine einfache Straßenblockade kann nun das Zehnfache der bisherigen Strafe kosten.
- Sicherheitskräfte setzen Gesichtserkennungstechnologien ein, um Demonstranten zu identifizieren.
- Hunderte von Regierungsangestellten wurden entlassen, weil sie Online-Petitionen gegen die Regierung unterzeichnet hatten.
Die Juristin Tamar Oniani spricht von einer gezielten „Säuberung“ des öffentlichen Dienstes:
„Die Regierung entfernt alle, die nicht absolut loyal sind.“
Russland oder Europa? Ein Land ist gespalten
Während Premierminister Irakli Kobachidse die Protestierenden als „formlose Masse“ verspottet und sich über die hohen Strafen lustig macht, warnen westliche Beobachter vor einer Erosion der Demokratie in Georgien.
Für viele junge Georgier steht nicht nur die Zukunft ihres Landes, sondern auch ihre persönliche Freiheit auf dem Spiel.
Tamara Arweladse, die Demonstrantin aus Tiflis, bringt es auf den Punkt:
„Sie wollen uns ein zweites Belarus oder ein zweites Russland aufzwingen. Aber wir werden nicht aufgeben.“