Interviewer: Herr Schlautmann, das US-Justizministerium fordert im laufenden Kartellrechtsprozess gegen Google, dass der Konzern seinen Chrome-Browser abstoßen muss. Wie bewerten Sie diese Forderung?
Tim Schlautmann: Das wäre ein Paukenschlag für die gesamte Tech-Welt. Chrome ist nicht nur der weltweit meistgenutzte Browser, sondern ein zentraler Bestandteil von Googles Ökosystem. Die Integration von Chrome mit der Google-Suche und Werbediensten sorgt dafür, dass der Konzern seine Marktmacht enorm ausbauen konnte. Sollte Google tatsächlich gezwungen werden, Chrome abzustoßen, wäre das ein historischer Schritt im Kampf gegen digitale Monopole.
Interviewer: Das US-Justizministerium argumentiert, dass Google mit Chrome und hohen Zahlungen an Unternehmen wie Apple und Samsung seinen Suchmaschinen-Marktanteil künstlich hochhält. Ist das ein legitimer Kritikpunkt?
Tim Schlautmann: Ja und nein. Google hat durch seine Verträge mit Apple, Samsung und anderen Tech-Konzernen enormen Einfluss darauf, welche Suchmaschine standardmäßig genutzt wird. 2021 zahlte Google über 26 Milliarden Dollar, um sicherzustellen, dass Google Search die Standard-Suchmaschine auf Millionen von Geräten bleibt. Das ist definitiv eine Markteintrittsbarriere für Konkurrenten wie Bing oder DuckDuckGo.
Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass Nutzer Chrome und Google-Suche oft bewusst wählen, weil die Produkte einfach gut sind. Ein Zwangsverkauf von Chrome würde daher nicht automatisch bedeuten, dass Google seinen Such-Marktanteil verliert.
Interviewer: Google selbst lehnt eine Abspaltung von Chrome strikt ab und schlägt stattdessen vor, bestimmte Vertragsklauseln zu ändern. Reicht das aus?
Tim Schlautmann: Das ist der klassische Verhandlungsansatz eines Tech-Giganten. Google weiß, dass ein Verkauf von Chrome Milliarden kosten würde und die eigene Marktstellung schwächen könnte. Daher versucht das Unternehmen, mit kleinen Zugeständnissen einer harten Strafe zu entgehen.
Aus Sicht der Wettbewerbsbehörden reicht das aber vermutlich nicht aus. Denn auch ohne exklusive Verträge hätte Google durch seine bestehende Marktposition immer noch massive Vorteile gegenüber der Konkurrenz.
Interviewer: Was würde passieren, wenn Google tatsächlich Chrome abgeben müsste?
Tim Schlautmann: Das wäre ein massiver Einschnitt für Google – und auch für die Nutzer. Chrome ist tief mit Google-Diensten wie Gmail, Google Docs und der Suche verknüpft. Ein Verkauf würde Google zwingen, seine Geschäftsstrategie radikal anzupassen.
Andererseits könnte eine Unabhängigkeit von Chrome neue Innovationsimpulse im Browser-Markt setzen. Derzeit dominieren Google und Apple den Browser-Sektor – ein eigenständiger Chrome-Browser könnte mehr Wettbewerb und vielleicht sogar mehr Datenschutz für Nutzer bedeuten.
Interviewer: Glauben Sie, dass es wirklich zu einer Abspaltung kommt?
Tim Schlautmann: Das ist schwer zu sagen. Google wird alle juristischen Mittel ausschöpfen und auf einen milderen Vergleich hinarbeiten. Aber der politische Druck, Big Tech stärker zu regulieren, wächst – gerade unter der neuen Trump-Regierung.
Sollte das US-Gericht an der Forderung festhalten, könnte das ein Präzedenzfall werden, der auch in Europa und anderen Ländern für neue Kartellverfahren gegen Google sorgt.
Interviewer: Vielen Dank für das Gespräch!
Tim Schlautmann: Sehr gerne!