Ein Interview mit Rechtsanwalt Michael Iwanow aus Dresden
Nachhaltige Geldanlagen werden immer beliebter, doch viele Anleger sind unsicher: Was genau macht eine Geldanlage „grün“? Welche Risiken gibt es? Und worauf sollte man achten, um nicht auf Greenwashing hereinzufallen? Rechtsanwalt Michael Iwanow aus Dresden gibt im Interview einen Überblick über die wichtigsten rechtlichen und finanziellen Aspekte nachhaltiger Geldanlagen.
Herr Iwanow, nachhaltige Geldanlagen sind ein wachsender Markt. Warum interessieren sich immer mehr Menschen dafür?
Michael Iwanow: Das hat mehrere Gründe. Einerseits wächst das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz. Viele Menschen wollen ihr Geld nicht in Unternehmen investieren, die fossile Energien fördern oder Umweltzerstörung vorantreiben. Andererseits gibt es inzwischen eine größere Auswahl an nachhaltigen Finanzprodukten – von „grünen“ Girokonten über nachhaltige Fonds bis hin zu Direktinvestitionen in erneuerbare Energien. Zudem fragen Banken seit August 2022 bei der Anlageberatung gezielt nach den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden, was das Thema noch stärker in den Fokus rückt.
Was macht eine Geldanlage denn überhaupt „nachhaltig“? Gibt es feste Kriterien?
Iwanow: Hier liegt eine der großen Herausforderungen. Es gibt keine einheitliche, weltweit anerkannte Definition. In der EU gibt es zwar die sogenannte EU-Taxonomie, die festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten. Doch diese Liste ist nicht unumstritten – zum Beispiel wurde auch Atomenergie als „nachhaltig“ eingestuft. Neben der Taxonomie gibt es weitere Standards wie ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) oder Nachhaltigkeitssiegel wie das FNG-Siegel für Investmentfonds. Anleger müssen aber genau hinschauen: Begriffe wie „grün“ oder „klimafreundlich“ sind nicht geschützt und können irreführend sein.
Wie können Anleger vermeiden, auf Greenwashing hereinzufallen?
Iwanow: Zunächst einmal sollten sie sich genau informieren, in welche Projekte ihr Geld tatsächlich fließt. Ein nachhaltiger Fonds, der in Unternehmen investiert, die zwar „grün“ erscheinen, aber trotzdem hohe CO₂-Emissionen verursachen, wäre nicht wirklich nachhaltig. Hilfreich ist es, nach Siegeln wie dem FNG-Siegel zu suchen oder Fonds zu wählen, die an Paris-Aligned Benchmarks (PAB) oder Climate Transition Benchmarks (CTB) ausgerichtet sind. Diese haben klare Klimaschutzvorgaben. Außerdem lohnt sich eine unabhängige Beratung, zum Beispiel bei Verbraucherzentralen.
Nachhaltige Geldanlagen werden oft als sichere Investition beworben. Gibt es trotzdem Risiken?
Iwanow: Ja, auf jeden Fall. Es gibt zwar nachhaltige Sparprodukte mit Einlagensicherung, aber viele nachhaltige Investitionen sind risikobehaftet – genau wie konventionelle Investments. Aktien oder Direktbeteiligungen in erneuerbare Energien oder nachhaltige Start-ups können hohe Gewinne bringen, aber auch Verluste. Wichtig ist, dass Anleger ihr Risiko streuen und nicht ihr gesamtes Kapital in eine einzige nachhaltige Anlageform investieren.
Sind nachhaltige Geldanlagen genauso rentabel wie klassische Investments?
Iwanow: Das hängt von der Anlageform ab. Nachhaltige Fonds oder ETFs können langfristig genauso rentabel sein wie konventionelle Anlagen – oder sogar erfolgreicher, wenn klimafreundliche Unternehmen in Zukunft stärker wachsen. Direktbeteiligungen, etwa in Windparks oder Solarprojekte, können ebenfalls attraktive Renditen bringen, sind aber oft mit längeren Laufzeiten und einem höheren Risiko verbunden. Anleger sollten also immer eine Balance zwischen Sicherheit, Liquidität und Ertrag finden.
Viele Hausbesitzer investieren in Photovoltaikanlagen oder energetische Sanierungen. Ist das auch eine Form der nachhaltigen Geldanlage?
Iwanow: Absolut. Wer sein eigenes Haus mit einer Photovoltaikanlage ausstattet oder energetisch saniert, investiert in eine nachhaltige Zukunft und spart langfristig Energiekosten. Gerade mit den aktuellen Förderprogrammen in Deutschland sind solche Maßnahmen finanziell attraktiv. Außerdem leisten sie einen direkten Beitrag zum Klimaschutz, während Fonds oder Aktien oft nur indirekte Effekte haben.
Was raten Sie Menschen, die nachhaltig investieren möchten, aber unsicher sind?
Iwanow: Erstens: Sich gut informieren. Anleger sollten sich genau überlegen, welchen Einfluss sie mit ihrem Geld nehmen wollen und welche Risiken sie eingehen möchten. Zweitens: Sich beraten lassen – unabhängige Finanzberatungen oder Verbraucherzentralen helfen, Greenwashing zu erkennen. Drittens: Das Risiko streuen und nicht alles in eine einzige Anlageform stecken. Und viertens: Nicht nur auf die Rendite schauen, sondern auch auf die tatsächlichen ökologischen und sozialen Effekte der Geldanlage.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Iwanow.
Fazit:
Nachhaltige Geldanlagen bieten große Chancen, sowohl für Anleger als auch für den Klimaschutz. Doch nicht alles, was „grün“ klingt, ist auch wirklich nachhaltig. Wer sich umfassend informiert, auf geprüfte Siegel achtet und sein Risiko gut verteilt, kann sein Geld sinnvoll investieren – und dabei einen Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Zukunft leisten.