Frage: Herr Schlautmann, beim Vorlesungstag des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig stand der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Versicherungsbranche im Fokus. Welche Aspekte wurden dabei besonders betont?
Tim Schlautmann: Ein zentrales Thema war die Nutzung von KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Versicherer. Unternehmen erhoffen sich dadurch effizientere Prozesse, eine bessere Kundenbetreuung und natürlich auch Umsatzsteigerungen. Gleichzeitig wurde betont, dass sowohl die Unternehmen als auch die Aufsicht noch viel darüber lernen, welche Möglichkeiten und Grenzen es gibt. Die Versicherungsaufsicht arbeitet eng mit der Industrie und der Wissenschaft zusammen, um sinnvolle Regelungen zu entwickeln.
Frage: Welche Risiken wurden im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI identifiziert?
Tim Schlautmann: Die größten Bedenken betreffen automatisierte Entscheidungsprozesse, die bestehende Diskriminierungsrisiken verstärken könnten. Es gibt die Gefahr, dass der Zugang zu Finanzdienstleistungen für bestimmte Kundengruppen erschwert oder sogar unmöglich wird. Das darf nicht passieren, weshalb Versicherer strenge Maßnahmen ergreifen müssen, um diskriminierende Algorithmen zu vermeiden. Zudem wurde betont, dass Unternehmen, die KI nutzen, eine solide Governance-Struktur benötigen, um sicherzustellen, dass Risiken systematisch erfasst und Modelle nachvollziehbar bleiben.
Frage: Was bedeutet das für die Aufsicht und die Unternehmen?
Tim Schlautmann: Die Aufsicht, insbesondere die BaFin, arbeitet auf europäischer Ebene an Mindestanforderungen für eine KI-Governance. Unternehmen sind in der Verantwortung, sicherzustellen, dass ihre KI-Systeme transparent und nachvollziehbar sind. Dazu gehört eine kontinuierliche Prüfung der Modelle, um Verzerrungen und unerwartete Ergebnisse zu identifizieren. Die Herausforderung besteht darin, Innovation und regulatorische Anforderungen in Einklang zu bringen, sodass einerseits neue Produkte entstehen können, andererseits aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden.
Frage: Was sind Ihre Schlussfolgerungen aus dieser Diskussion?
Tim Schlautmann: Es ist klar, dass KI ein enormes Potenzial für die Versicherungsbranche bietet, aber der verantwortungsvolle Umgang mit dieser Technologie essenziell ist. Unternehmen müssen sich bewusst sein, dass sie für die Folgen ihrer KI-gestützten Entscheidungen haften. Die Regulierung ist im Wandel, aber sie sollte Innovation nicht verhindern, sondern gezielt steuern. Letztlich liegt die Verantwortung für einen fairen und ordnungsgemäßen Einsatz von KI bei den Unternehmen selbst.