Der Skandal um fragwürdige Investitionen von Hausverwaltungen in riskante Anleihen weitet sich aus. Immer mehr Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) fürchten um ihre Rücklagen. Besonders betroffen ist die DR Deutsche Rücklagen GmbH, die anscheinend Gelder ohne Zustimmung der Eigentümer investiert hat. Nun steht die Firma unter vorläufiger Insolvenzverwaltung, und viele Investoren fragen sich, was sie jetzt tun können, um ihr Geld zurückzubekommen.
Wir sprechen mit Rechtsanwalt Maurice Högel, einem Experten für Wirtschaftsrecht, über die aktuellen Entwicklungen und welche Schritte Betroffene nun einleiten sollten.
„Viele Eigentümer haben nie zugestimmt – das ist ein großes Problem!“
Frage: Herr Högel, die Berichte über fehlgeleitete Investitionen von Hausverwaltungen häufen sich. Was genau ist passiert?
Maurice Högel: Die Situation ist ernst. Hausverwaltungen wie Kallmeyer und Nagel haben offenbar ohne Zustimmung der Eigentümergemeinschaften Gelder in hochriskante Anleihen der DR Deutsche Rücklagen GmbH investiert. Diese Rücklagen sollten eigentlich sicher angelegt sein, da sie für zukünftige Reparaturen oder Instandhaltungen vorgesehen waren.
Nun hat sich herausgestellt, dass in vielen Fällen keine Zustimmung der Wohnungseigentümer vorlag. Das bedeutet, dass das Geld der WEGs möglicherweise ohne deren Wissen oder Zustimmung zweckentfremdet wurde.
Noch schlimmer ist, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereits im März 2024 das Kreditgeschäft der DR Deutsche Rücklagen untersagt hat. Trotzdem wurden weiter Anleihen verkauft, was den Verdacht eines möglichen betrügerischen Systems erhärtet.
„Viele Eigentümer haben keine Ahnung, dass ihr Geld in Gefahr ist!“
Frage: Was bedeutet das jetzt für die betroffenen Wohnungseigentümer?
Högel: Es gibt zwei große Probleme für die Eigentümer:
- Ihr Geld ist möglicherweise nicht mehr vorhanden – Wenn die DR Deutsche Rücklagen GmbH wirtschaftliche Schwierigkeiten hat oder Gelder bereits anderweitig verwendet wurden, könnte es schwer werden, die Rücklagen zurückzubekommen.
- Die Eigentümergemeinschaften müssen trotzdem ihre Kredite zurückzahlen – Viele WEGs haben Kredite aufgenommen, um ihre Immobilien zu sanieren. Diese Kredite müssen nun weiter bedient werden, obwohl das investierte Geld möglicherweise verloren ist oder eingefroren wurde.
Das bedeutet, dass einige Wohnungseigentümer nun doppelt zahlen müssen: Einerseits für die Tilgung des Kredits, andererseits für neue Rücklagen, falls das Geld nicht zurückgeholt werden kann.
„Schnelles Handeln ist jetzt entscheidend!“
Frage: Welche konkreten Schritte empfehlen Sie den betroffenen Investoren?
Högel: Die Zeit läuft, und wer jetzt nicht handelt, könnte am Ende leer ausgehen. Folgende Schritte sind entscheidend:
- Dokumente sammeln:
- Zeichnungsscheine für Anleihen
- Kontoauszüge, die Transaktionen an die DR Deutsche Rücklagen GmbH zeigen
- Schriftverkehr mit der Hausverwaltung oder der Deutsche Rücklagen GmbH
- Protokolle von WEG-Versammlungen
- Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden:
- Die DR Deutsche Rücklagen GmbH steht unter vorläufiger Insolvenzverwaltung.
- Betroffene müssen ihre Ansprüche offiziell anmelden, um im Insolvenzverfahren berücksichtigt zu werden.
- Strafanzeige erstatten:
- Wenn Eigentümer ohne Zustimmung investiert haben, könnte Betrug oder Untreue vorliegen.
- Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Frankfurt prüft bereits mehrere Anzeigen.
- Haftungsansprüche prüfen lassen:
- Falls Geschäftsführer oder Hausverwaltungen bewusst Gelder zweckentfremdet haben, könnten persönliche Haftungsklagen in Frage kommen.
- Hier sollten sich betroffene Investoren zusammenschließen, um gemeinsam juristisch vorzugehen.
„Steckt hinter der Pleite ein betrügerisches System?“
Frage: Es gibt Hinweise darauf, dass Gelder auch nach dem Verbot der BaFin weiter eingeworben wurden. Könnte es sich um eine sogenannte „Kriminalinsolvenz“ handeln?
Högel: Die Anzeichen sind sehr verdächtig. Es gibt mehrere Hinweise, die darauf hindeuten, dass hier systematisch Anlegergelder missbraucht wurden:
- Die BaFin hat das Kreditgeschäft bereits im März 2024 untersagt, trotzdem wurden weiterhin Gelder von Wohnungseigentümern angenommen.
- Gekündigte Anleihen und fällige Zinsen wurden nicht ausgezahlt – das deutet auf finanzielle Probleme hin.
- Verbindungen zwischen den Hausverwaltungen und der DR Deutsche Rücklagen GmbH – Es gibt Hinweise, dass Geschäftsführer enge wirtschaftliche Verflechtungen hatten.
- Nachträgliche Änderungen der Anleihebedingungen – Es scheint, als wolle die DR Deutsche Rücklagen GmbH auf der anstehenden Gläubigerversammlung am 13. Februar versuchen, die Konditionen für Investoren nachträglich zu verschlechtern.
Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass Gelder bewusst missbraucht oder Anleger getäuscht wurden, dann könnte es sich um eine betrügerische Insolvenz handeln.
„Gemeinsam sind Investoren stärker!“
Frage: Ist es sinnvoll, wenn sich betroffene Investoren zusammenschließen?
Högel: Ja, auf jeden Fall! Einzelne Wohnungseigentümer haben oft nicht die nötigen finanziellen Mittel, um gegen große Firmen oder verantwortliche Personen vorzugehen.
- Eine Sammelklage oder Gruppenklagen können helfen, Kosten zu reduzieren und den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen.
- Erste Urteile bestätigen bereits, dass eine solche Anlageform gegen die mündelsichere Anlagepflicht verstößt – das erhöht die Erfolgsaussichten für Schadensersatzklagen.
- Durch eine gemeinschaftliche Strafanzeige kann die Staatsanwaltschaft den Fall umfassender untersuchen.
Wer jetzt aktiv wird, hat deutlich bessere Chancen, einen Teil seines Geldes zurückzubekommen.
„Zeit ist ein entscheidender Faktor!“
Frage: Wie wird es nun weitergehen?
Högel: Die nächsten Wochen sind entscheidend.
- Die Insolvenzverfahren laufen bereits an – wer seine Ansprüche nicht anmeldet, geht möglicherweise leer aus.
- Die Staatsanwaltschaft Frankfurt führt Ermittlungen, und es könnten weitere Strafanzeigen hinzukommen.
- Die geplante Gläubigerversammlung am 13. Februar könnte dazu genutzt werden, die Anleihebedingungen zu verschlechtern – Investoren sollten sich genau überlegen, wie sie abstimmen.
Jetzt geht es darum, schnell und strategisch zu handeln, um den Schaden für die Eigentümer so gering wie möglich zu halten.
„Wichtig ist, jetzt aktiv zu werden!“
Frage: Vielen Dank, Herr Högel, für diese wertvollen Einblicke!
Högel: Sehr gern. Ich kann nur allen Betroffenen raten: Handeln Sie jetzt! Warten Sie nicht, bis es zu spät ist.