Dark Mode Light Mode

Interview mit Rechtsanwältin Bontschev: Was bedeutet die zwangsweise Einziehung von Aktien?

popmelon (CC0), Pixabay

Frage: Die Agrar AG Unstruttal Großvargula plant auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 11. April 2025 die zwangsweise Einziehung bestimmter Aktien. Können Sie erklären, was eine zwangsweise Einziehung bedeutet?

Rechtsanwältin Bontschev: Die zwangsweise Einziehung von Aktien bedeutet, dass einem Aktionär sein Aktienbesitz gegen seinen Willen entzogen wird. Dies kann nach § 237 AktG geschehen, wenn die Satzung der Gesellschaft eine solche Maßnahme vorsieht und ein wichtiger Grund vorliegt. In diesem Fall beruft sich die Agrar AG Unstruttal Großvargula auf ein vereinfachtes Einziehungsverfahren gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 3 AktG in Verbindung mit ihrer Satzung.

Frage: In der Einladung zur Hauptversammlung wird als Grund für die Einziehung „Treueverletzung, gesellschaftswidriges und unternehmensschädigendes Verhalten“ eines bestimmten Aktionärs angegeben. Reicht dies aus, um eine solche Maßnahme zu rechtfertigen?

Rechtsanwältin Bontschev: Das hängt von den konkreten Umständen ab. Ein Unternehmen kann eine Einziehung nur dann durchführen, wenn tatsächlich ein erheblicher Verstoß des betroffenen Aktionärs gegen seine Treuepflicht nachgewiesen werden kann. Gesellschaftswidriges oder unternehmensschädigendes Verhalten muss objektiv nachvollziehbar sein und kann nicht nur auf einer subjektiven Einschätzung des Vorstands beruhen. Falls der betroffene Aktionär – hier Dr. Hartmut Wilk – die Vorwürfe bestreitet, könnte er rechtliche Schritte gegen die Einziehung einleiten.

Frage: Die Einziehung erfolgt „ohne Kapitalherabsetzung“, sodass sich der Anteil der übrigen Aktionäre am Grundkapital erhöht. Was bedeutet das für die verbleibenden Aktionäre?

Rechtsanwältin Bontschev: Das bedeutet, dass die eingezogenen Aktien nicht ersetzt werden. Stattdessen wird der Nennwert der restlichen Aktien rechnerisch angehoben, da das Grundkapital der Gesellschaft gleich bleibt. In der Praxis bedeutet dies, dass die verbleibenden Aktionäre eine größere prozentuale Beteiligung an der Gesellschaft erhalten.

Frage: Gibt es für den betroffenen Aktionär eine Möglichkeit, sich gegen die Einziehung seiner Aktien zu wehren?

Rechtsanwältin Bontschev: Ja, der Aktionär kann gegen diesen Beschluss vorgehen. Er könnte eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nach § 243 AktG bzw. § 249 AktG beim zuständigen Landgericht einreichen. Falls die Einziehung willkürlich oder unbegründet erfolgt ist oder formale Fehler aufweist, könnte ein Gericht die Maßnahme für unwirksam erklären. Zudem könnte eine Schadensersatzklage gegen die Gesellschaft geprüft werden, wenn dem Aktionär durch die Einziehung ein finanzieller Schaden entstanden ist.

Frage: Gibt es vergleichbare Fälle, in denen Aktionäre erfolgreich gegen eine zwangsweise Einziehung ihrer Aktien geklagt haben?

Rechtsanwältin Bontschev: Ja, es gab bereits Fälle, in denen Gerichte Einziehungsbeschlüsse aufgehoben haben, weil entweder die Satzung eine solche Einziehung nicht eindeutig geregelt hatte oder weil der vorgebrachte „wichtige Grund“ nicht ausreichend belegt werden konnte. Die Gerichte achten besonders darauf, dass eine Einziehung nicht als Instrument zur Verdrängung unliebsamer Aktionäre missbraucht wird.

Frage: Was sollten Aktionäre der Agrar AG Unstruttal Großvargula nun beachten?

Rechtsanwältin Bontschev: Betroffene Aktionäre sollten ihre Rechte genau prüfen und sich rechtzeitig beraten lassen. Falls sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgangs haben, sollten sie erwägen, sich auf der Hauptversammlung zu äußern oder rechtliche Schritte einzuleiten. Auch andere Aktionäre sollten aufmerksam sein, denn eine solche Maßnahme kann ein Präzedenzfall für künftige Einziehungen sein.

Frage: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Frau Bontschev.

Rechtsanwältin Bontschev: Sehr gern.

Kommentar hinzufügen Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Previous Post

Analyse des Jahresabschlusses 2023 der Elfte Westwind Windpark GmbH & Co. KG aus Anlegersicht

Next Post

ELEMENT Insurance AG: Insolvenzverfahren eröffnet – Das müssen Versicherte jetzt wissen