Während die geprellten Wirecard-Anleger weiterhin auf Gerechtigkeit warten, gibt es zumindest eine Berufsgruppe, die in diesem Skandal garantiert nicht auf der Strecke bleibt: die Rechtsanwälte. Denn egal, ob sie gewinnen oder verlieren – ihre Rechnungen werden immer pünktlich bezahlt.
Der neueste Akt in diesem Justiz-Drama: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY nicht für die fehlerhaften Wirecard-Bilanzen haftbar gemacht werden kann. Schließlich seien die Prüfer ja nicht für die Kommunikation des Konzerns zuständig, sondern nur für das, was in den Zahlen steht. Dass diese Zahlen so zuverlässig waren wie ein Flugplan der Deutschen Bahn, ist da eher nebensächlich.
Anleger empört – Anwälte erfreut
Bei den Klägern löste die Entscheidung – wenig überraschend – Enttäuschung aus. „Wir halten das für falsch“, erklärte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die sich wohl insgeheim eine zügige Lösung des Falls erhofft hatte. Ein gewagter Wunsch in einem Land, in dem Prozesse oft länger dauern als ein Berliner Flughafenbau.
Doch die Anwälte der Klägerseite geben nicht auf! Peter Mattil, der Münchener Rechtsanwalt des Musterklägers, kündigte an, den Bundesgerichtshof zu bemühen – denn wo ein verlorenes Verfahren ist, da ist auch eine nächste Instanz! Die Zeit vergeht, die Rechnungen fließen weiter, und die Justiz arbeitet sich langsam aber sicher durch einen Berg von Feststellungszielen, die noch zu klären sind.
EY: „Schadenersatz? Das sehen wir anders.“
EY selbst gibt sich gelassen und sieht gar keinen Anlass zur Sorge. Das Unternehmen ließ schriftlich mitteilen, dass „keine Ansprüche gegen EY Deutschland auf Schadensersatz bestehen“ – unabhängig davon, ob die Klagen als Einzel- oder Sammelklagen verhandelt werden. Das ist eine clevere Strategie: Einfach so lange betonen, dass man nicht schuld ist, bis es irgendwann keiner mehr hinterfragt.
Wirecard-Prozess: Noch Jahre im Wartezustand
Während EY durchatmet, ist das Kapitalmusterverfahren noch lange nicht am Ende. Schließlich gibt es noch zahlreiche andere Aspekte, die geklärt werden müssen – also genug Arbeit für die Juristen, die sich mit Hingabe durch Tausende von Seiten Gutachten, Klageschriften und Erwiderungen kämpfen.
In einer ganz anderen Liga spielen übrigens die Hauptakteure des Wirecard-Skandals: Ex-Vorstandschef Markus Braun, Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa und Dubai-Statthalter Oliver Bellenhaus sitzen bereits auf der Anklagebank des Landgerichts München – wegen bandenmäßigen Betrugs. Ihr Urteil ist genauso wenig in Sicht wie ein verschollener Wirecard-Kontostand auf den Philippinen.
Justiz im Schneckentempo – aber bitte stilvoll
Dass sich das Kapitalmusterverfahren noch Jahre hinziehen wird, überrascht niemanden mehr. Als es 2022 begann, musste das Gericht wegen der vielen Kläger in die Wappenhalle auf dem ehemaligen Flughafen München-Riem ausweichen – ein symbolträchtiger Ort, denn schneller als die deutsche Justiz war in München-Riem auch selten jemand gestartet. Die aktuelle Verhandlung fand im deutlich kleineren Saal 134 im Justizpalast statt. Die Symbolik? Noch weniger Platz für schnelle Urteile.
Immerhin ist eine Sache bereits geklärt: Eine Kanzlei, die zum Auftakt des Verfahrens anzweifelte, ob das Oberste Landesgericht überhaupt zuständig ist, wurde vom Senat höflich, aber bestimmt zurechtgewiesen. Nach zwei Jahren Arbeit an dem Fall sei die Zuständigkeit doch nun wirklich geklärt. Schön zu wissen, dass manche Fragen schneller gelöst werden als andere.
Fazit: Während geschädigte Anleger weiter auf eine Entscheidung warten, kassieren die Anwälte sicher ihre Honorare. Denn wie heißt es so schön? Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge – aber Anwälte werden immer bezahlt.