Am Montag trafen die vier Kandidaten, die Justin Trudeau als Vorsitzenden der Liberalen Partei Kanadas und potenziell als Premierminister ablösen wollen, erstmals in einer französischsprachigen Debatte aufeinander. Dabei stand überraschenderweise nicht die Innenpolitik, sondern US-Präsident Donald Trump im Mittelpunkt.
Die Kandidaten: Erfahrung gegen Erneuerung
Auf der Bühne standen vier Bewerber:
- Mark Carney, ehemaliger Chef der Zentralbanken von Kanada und England und derzeitiger Favorit in den Umfragen,
- Chrystia Freeland, frühere Finanzministerin, deren Rücktritt im Dezember Trudeaus Niedergang einleitete,
- Karina Gould, bisherige Mehrheitsführerin im Parlament,
- Frank Baylis, Geschäftsmann und ehemaliger Abgeordneter.
Trump als „größte Bedrohung für Kanada seit dem Zweiten Weltkrieg“
Bereits in den ersten Minuten der Debatte warnte Freeland, dass Trump Kanada in den 51. US-Bundesstaat verwandeln wolle. Sie betonte ihre frühere Erfahrung in Verhandlungen mit Trump während seiner ersten Amtszeit und erklärte, dass ein zweites Trump-Präsidentschaftsjahrzehnt für Kanada noch gefährlicher werde.
„Trump will unsere Grenzen neu ziehen – genau wie Putin es in der Ukraine versucht,“ sagte sie und forderte eine Stärkung der Handelsbeziehungen mit der EU und Großbritannien als Gegenmaßnahme.
Auch Carney teilte diese Einschätzung: „Früher wollte Trump unsere Märkte – jetzt will er unser Land.“ Sollte Trump tatsächlich ab dem 4. März einen 25-Prozent-Zoll auf alle kanadischen Waren erheben, sprach sich Carney für Gegenmaßnahmen in Form gleicher Zölle auf US-Produkte aus.
Baylis schlug vor, ein wirtschaftliches Bündnis zwischen Kanada, Großbritannien, Neuseeland und Australien zu schaffen, um sich wirtschaftlich unabhängiger von den USA zu machen.
Weitere Themen: Wirtschaft, Ukraine, Klimawandel
Neben den USA diskutierten die Kandidaten auch klassische Wahlkampfthemen:
- Finanzpolitik: Alle Kandidaten äußerten sich zur Senkung des Haushaltsdefizits und zur Bekämpfung der steigenden Lebenshaltungskosten. Gould positionierte sich als „Kandidatin für die Zukunft“, die das Leben der Kanadier bezahlbarer machen wolle.
- Ukraine-Politik: Alle vier betonten die Notwendigkeit, die Ukraine weiter zu unterstützen. Freeland schlug vor, durch Sanktionen eingefrorenes russisches Geld für die Ukraine zu verwenden.
- Klimapolitik: Überraschend distanzierten sich Freeland und Carney von der umstrittenen CO₂-Steuer, die unter Trudeau eingeführt wurde und bei vielen Kanadiern auf Ablehnung stößt.
Wahlkampf gegen die Konservativen
Mehrfach richteten die Kandidaten ihre Angriffe auch gegen den konservativen Oppositionsführer Pierre Poilievre, der in den nationalen Umfragen aktuell vorne liegt. Sie warfen ihm vor, nicht in der Lage zu sein, Kanada vor Trump zu verteidigen. Poilievre konterte bereits vor der Debatte mit dem Vorwurf, dass ein Liberalismus unter Carney nicht anders als unter Trudeau wäre.
Wie geht es weiter?
Am Dienstag folgt eine zweite Debatte auf Englisch, bevor am 9. März die Parteimitglieder über ihren neuen Vorsitzenden abstimmen. Der Gewinner wird Kanadas nächster Premierminister, bis spätestens 20. Oktober Neuwahlen stattfinden müssen.
Besonders die französischsprachige Debatte hatte hohe Bedeutung, da die Stimmen der Québecer Wähler entscheidend für den Wahlausgang sein können.