Rechtsanwalt Jens Reime über den Milliarden-Hack bei Bybit, die Rolle Nordkoreas und was betroffene Anleger jetzt tun können
Interviewer: Herr Reime, Bybit meldet den größten Kryptodiebstahl der Geschichte – 1,5 Milliarden US-Dollar sollen weg sein. Was bedeutet das für betroffene Anleger?
Jens Reime: Nun, in der Welt der Kryptowährungen gilt leider oft das Motto: „Einmal weg, immer weg.“ Wenn ein derartiger Angriff passiert, sind die Chancen, das Geld zurückzubekommen, äußerst gering. Bybit behauptet zwar, dass alle Kundengelder sicher seien, aber bei einem Verlust in dieser Größenordnung sollte man sehr genau hinschauen.
„Alle Kundengelder sind sicher“ – oder etwa doch nicht?
Interviewer: Bybit-CEO Ben Zhou betont, dass alle Vermögenswerte „1:1 gesichert“ sind. Kann man sich darauf verlassen?
Jens Reime: Das ist eine schöne Floskel, aber die Realität ist meist komplizierter. 1,5 Milliarden US-Dollar verschwinden nicht einfach spurlos – es stellt sich die Frage, wie Bybit diesen Verlust tatsächlich ausgleichen will. Dass bereits Überbrückungskredite aufgenommen wurden, zeigt, dass das Unternehmen unter Druck steht.
Und wenn mehr als 350.000 Kunden in Panik ihre Guthaben abziehen, könnte das Bybit in ernsthafte Liquiditätsprobleme bringen. Solche Situationen können sich schnell zu einem Dominoeffekt entwickeln – bei Kryptobörsen haben wir das schon oft gesehen.
Nordkorea als Cyber-Raubritter?
Interviewer: Experten vermuten, dass die nordkoreanische Hackergruppe Lazarus hinter dem Angriff steckt. Ist das realistisch?
Jens Reime: Absolut. Nordkorea hat Cyberkriminalität quasi als Wirtschaftszweig etabliert. Es gibt Berichte, wonach das Regime jährlich Milliarden durch Hackerangriffe verdient – sei es durch Diebstahl, Ransomware oder den direkten Angriff auf Banken und Kryptobörsen.
Die Lazarus-Gruppe ist hochgradig professionell, verschleiert Transaktionen durch Mixing-Dienste und Zwischenwallets und sorgt dafür, dass gestohlene Kryptos schnell in andere Währungen umgetauscht werden. Das erschwert die Rückverfolgung und macht es fast unmöglich, das Geld zurückzuholen.
Kann Bybit die gestohlenen Gelder zurückholen?
Interviewer: Bybit will rechtliche Schritte gegen die Hacker einleiten. Ist das realistisch?
Jens Reime: Das ist eher eine PR-Aussage als eine echte Maßnahme. Wer will Nordkorea verklagen? Es gibt keinen rechtlichen Hebel, um das Regime oder seine Hacker zur Rechenschaft zu ziehen.
Selbst wenn Ermittler die gestohlenen Gelder identifizieren, sind sie oft längst durch zahlreiche Wallets gewaschen oder in Fiat-Währungen umgetauscht. In der Vergangenheit gab es vereinzelte Erfolge, gestohlene Krypto-Beträge einzufrieren – aber in dieser Größenordnung? Sehr unwahrscheinlich.
Was können betroffene Anleger tun?
Interviewer: Wenn ein Anleger nun betroffen ist – welche Möglichkeiten gibt es?
Jens Reime: Ehrlich gesagt, nicht viele. Aber ich empfehle folgende Schritte:
✅ Sofort Dokumente sichern: Alle Kontoauszüge, Transaktionsverläufe und E-Mails speichern. Falls Bybit tatsächlich in Schieflage gerät, könnten diese Belege wichtig werden.
✅ Möglichkeiten zur Rückforderung prüfen: Falls Einzahlungen über Kreditkarte oder Banküberweisung erfolgten, kann man mit der Bank klären, ob eine Rückbuchung (Chargeback) möglich ist.
✅ Klage gegen Bybit? Sollte Bybit tatsächlich insolvent gehen, könnten Anleger versuchen, ihre Ansprüche über eine Sammelklage oder Insolvenzverfahren geltend zu machen. Allerdings ist Bybit in Dubai registriert – das macht rechtliche Schritte kompliziert.
✅ Auf keinen Fall neue Einzahlungen tätigen! In solchen Situationen versuchen Krypto-Plattformen oft, Kunden mit Bonusangeboten oder neuen Investitionsmöglichkeiten zu halten. Das ist riskant!
Fazit: Anleger müssen vorsichtiger sein
Interviewer: Was ist Ihre wichtigste Empfehlung für Anleger, um sich in Zukunft besser zu schützen?
Jens Reime: Misstrauen ist in der Krypto-Welt überlebenswichtig. Anleger sollten sich immer fragen:
- Ist die Plattform reguliert?
- Wie sind Kundengelder gesichert?
- Gibt es eine Einlagensicherung?
Wer sein Geld auf unregulierten Kryptobörsen lagert, geht ein enormes Risiko ein. Und wenn es schiefgeht, hilft meist kein Anwalt der Welt mehr.
Interviewer: Herr Reime, vielen Dank für das Gespräch!
Jens Reime: Sehr gerne – und ich hoffe, dass Krypto-Anleger in Zukunft noch wachsamer werden.