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Interview mit Verbraucheranwalt Maurice Högel zum BGH-Urteil zum Widerruf von Lebens- und Rentenversicherungen

Tumisu (CC0), Pixabay

Frage: Herr Högel, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch nach einer Kündigung oder Beitragsfreistellung einer Lebensversicherung ein Widerruf weiterhin möglich ist. Was bedeutet dieses Urteil für Verbraucher?

Maurice Högel: Das Urteil ist ein enormer Erfolg für Verbraucher. Es stellt klar, dass Versicherte nicht automatisch ihr Recht auf Widerspruch verlieren, nur weil sie ihren Vertrag gekündigt oder Beitragsanpassungen vorgenommen haben. Viele Menschen haben sich in der Vergangenheit mit einem geringen Rückkaufswert zufriedengegeben, obwohl ihnen durch eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung eine deutlich höhere Auszahlung zugestanden hätte. Nun haben sie eine erneute Chance, ihren Vertrag rückabzuwickeln und einen finanziellen Nachschlag zu erhalten.

Frage: Welche Versicherungen sind besonders betroffen?

Maurice Högel: Nach unseren Erfahrungen weisen viele Policen Fehler auf, die eine Rückabwicklung ermöglichen. Besonders auffällig sind hierbei Verträge von Allianz Lebensversicherung, Canada Life, Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung, Gothaer Lebensversicherung, Generali Deutschland, Nürnberger Versicherung und weiteren Gesellschaften. Es lohnt sich daher für Verbraucher, ihre Verträge von einem spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen.

Frage: Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Widerruf erfolgreich ist?

Maurice Högel: Ja, entscheidend ist, dass die Versicherungsunternehmen damals keine korrekte Widerrufsbelehrung gegeben haben oder die Verbraucherinformationen unvollständig waren. Dies war in vielen Fällen der Fall. Sofern solche Mängel vorliegen, ist ein Widerspruch auch Jahre nach Vertragsabschluss noch möglich.

Frage: Was bedeutet das konkret für Betroffene?

Maurice Högel: Viele Kunden, die ihre Lebensversicherung vorzeitig gekündigt haben oder deren Verträge nur eine geringe Rendite erzielt haben, könnten jetzt eine ordentliche Nachzahlung erhalten. In einigen Fällen kann sich das um mehr als 10.000 Euro handeln. Gerade bei der Basisrente oder Rürup-Rente, die eigentlich nicht kündbar ist, bietet der Widerruf eine einmalige Chance, an das eingezahlte Geld zu kommen.

Frage: Wie sollten Verbraucher jetzt vorgehen?

Maurice Högel: Der erste Schritt ist eine professionelle Prüfung der Vertragsunterlagen. Dies kann oft kostenlos und unverbindlich geschehen, etwa durch Initiativen wie die Interessengemeinschaft Widerruf oder spezialisierte Anwaltskanzleien. Verbraucher sollten sich nicht darauf verlassen, dass die Versicherung den Widerruf freiwillig akzeptiert. Oft ist es notwendig, rechtlichen Druck auszuüben, um eine faire Auszahlung zu erhalten.

Frage: Erwarten Sie, dass die Versicherungsunternehmen nun verstärkt mit Widerspruchsanträgen konfrontiert werden?

Maurice Högel: Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Dieses Urteil sorgt für eine neue Dynamik, da viele Kunden nun ihre alten Verträge nochmals hinterfragen werden. Ich rechne damit, dass sich zahlreiche Verbraucher ihre möglichen Ansprüche sichern wollen. Natürlich werden sich die Versicherungen wehren, aber mit einem klaren BGH-Urteil im Rücken haben Verbraucher nun eine deutlich bessere Ausgangsposition.

Frage: Gibt es eine Verjährungsfrist für diesen Widerspruch?

Maurice Högel: Grundsätzlich nicht, da der BGH festgelegt hat, dass das Widerspruchsrecht auch Jahrzehnte nach Vertragsabschluss bestehen kann, sofern die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Verbraucher sollten aber nicht zu lange zögern, da in Einzelfällen juristische Besonderheiten existieren könnten.

Frage: Ihr abschließender Rat an Verbraucher?

Maurice Högel: Prüfen Sie Ihre Versicherungsverträge! Ein Widerruf kann Ihnen mehrere tausend Euro einbringen, gerade wenn Ihre Lebens- oder Rentenversicherung nicht die erhoffte Rendite gebracht hat. Da das Urteil des BGH nun klare Regeln aufgestellt hat, ist jetzt der ideale Zeitpunkt, um aktiv zu werden. Lassen Sie sich nicht von den Versicherungen abspeisen, sondern holen Sie sich juristischen Beistand, um Ihre Rechte durchzusetzen!

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