Man sollte meinen, Fluggäste hätten sich längst an den neuen Standard im Luftverkehr gewöhnt: Verspätungen, Annullierungen und der unermüdliche Kampf um Entschädigungen. Doch weit gefehlt! Statt einfach stoisch am Gate zu verharren und sich mit überteuerten Snacks zu trösten, sind die Passagiere tatsächlich auf die Idee gekommen, ihre Rechte durchzusetzen – und das auch noch vor Gericht.
Laut Deutschem Richterbund gab es im vergangenen Jahr rund 131.000 Klagen gegen Fluggesellschaften – ein neuer Rekord. Das sind 6.000 mehr als im Jahr zuvor. Offenbar haben es die Passagiere satt, mit Standardfloskeln und warmen Worten abgespeist zu werden. Stattdessen erwarten sie doch tatsächlich eine Entschädigung für ausgefallene oder massiv verspätete Flüge. Unverschämt!
Die drei großen Übeltäter: Streiks, Wetter und Technik
Natürlich fragen sich die Airlines nun, woher diese Welle der Empörung plötzlich kommt. Dabei sind die Gründe denkbar einfach: Streiks, Extremwetter und IT-Ausfälle – drei Faktoren, die sich ganz bestimmt nicht vorhersehen oder gar vermeiden lassen. Schließlich ist es ja ein völlig neues Phänomen, dass im Winter Schnee fällt oder im Sommer Hitzewellen auftreten. Und dass Fluggesellschaften auf die waghalsige Idee kommen, ihre IT-Systeme jahrzehntelang mit Klebeband und guten Wünschen zusammenzuhalten, ist nun wirklich kein Grund für Beschwerden.
Die Schlichtungsstelle Reise & Verkehr verzeichnete parallel einen Anstieg der Beschwerden um 14 Prozent. Das bedeutet, dass selbst jene Passagiere, die noch an das Prinzip der friedlichen Problemlösung geglaubt haben, langsam die Geduld verlieren. Dabei hätten sie doch wissen müssen: Wer ein Ticket kauft, bucht automatisch ein kleines Glücksspiel mit. Man weiß nie, ob man sein Ziel pünktlich oder überhaupt erreicht.
Airlines am Rande der Verzweiflung – Serviceoffensive bleibt aus
Nun stellt sich die große Frage: Wie reagieren die Airlines auf diese Welle der Klagen? Werden sie vielleicht ihre Prozesse verbessern, besser planen oder gar kundenfreundlicher werden? Natürlich nicht! Stattdessen wird es wohl weiterhin darauf hinauslaufen, dass Kunden wochenlang auf Antworten warten, Hotlines ins Nirgendwo führen und Entschädigungsanträge in einer Art Blackbox verschwinden.
Vielleicht müssen die Passagiere einfach lernen, die Schönheit des Wartens neu zu entdecken. Stundenlang am Gate verharren, ein neues Terminal-Bistro entdecken oder einfach den Nervenkitzel genießen, ob die Reise heute oder doch erst morgen weitergeht – schließlich geht es beim Fliegen nicht nur ums Ankommen, sondern ums Erlebnis.
Bleibt abzuwarten, ob die Airlines aus dieser Klageflut etwas lernen. Oder ob sie einfach darauf setzen, dass den Fluggästen irgendwann die Lust am Klagen vergeht – genauso wie die Hoffnung auf pünktliche Flüge.