Die Zeiten, in denen das Gehalt das Maß aller Dinge war, scheinen endgültig vorbei zu sein. Zumindest, wenn man den neuesten Ergebnissen der jährlichen Randstad-Umfrage glaubt. Diese zeigt: Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Work-Life-Balance) ist inzwischen der wichtigste Faktor für Arbeitnehmer – noch vor dem Einkommen. Sicherheit im Job bleibt ebenfalls weit oben auf der Wunschliste.
Work-Life-Balance schlägt Gehalt – erstmals in 22 Jahren
Es ist eine Premiere in der 22-jährigen Geschichte des „Randstad Workmonitors“: Die Work-Life-Balance hat das Gehalt als Top-Kriterium für einen guten Job überholt. 83 Prozent der weltweit befragten Arbeitnehmer nannten sie als entscheidenden Faktor für ihre Berufswahl – genauso viele wie die Arbeitsplatzsicherheit. Erst knapp dahinter folgt das Einkommen mit 82 Prozent.
Laut Randstad ist dieser Wandel eine direkte Folge der Coronavirus-Pandemie, die die Prioritäten vieler Arbeitnehmer grundlegend verändert hat. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten und technologischem Wandel wollen Menschen mehr von ihrem Job als nur ein gutes Gehalt.
Flexibilität wird immer wichtiger
Auch die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, gewinnt weiter an Bedeutung. Besonders hybrides Arbeiten – eine Mischung aus Homeoffice und Büro – ist für viele Arbeitnehmer inzwischen Standard. Die Zahlen zeigen einen klaren Trend:
- 65 Prozent der Befragten legen Wert auf flexible Arbeitszeiten (2024 waren es noch 57 Prozent).
- 60 Prozent wünschen sich die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten (2024: 51 Prozent).
- 64 Prozent möchten ihr Arbeitspensum selbst bestimmen.
Gleichzeitig zeigt die Umfrage, dass Arbeitnehmer zunehmend bereit sind, Konsequenzen zu ziehen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Fast die Hälfte (45 Prozent) der Befragten gab an, sich aktiv für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt zu haben. Ein Drittel (31 Prozent) hat sogar bereits einen Job gekündigt, weil es an Flexibilität mangelte.
Geld spielt weiterhin eine Rolle – aber nicht für alle gleich
Die Studie zeigt auch, dass das Einkommen je nach Altersgruppe unterschiedlich gewichtet wird.
- Generation Z (geboren nach 1996): 76 Prozent dieser jungen Menschen priorisieren Work-Life-Balance, während nur 63 Prozent das Gehalt an erste Stelle setzen.
- Millennials (1981–1995): Arbeitsplatzsicherheit ist hier das wichtigste Kriterium (86 Prozent). Trotzdem sind 55 Prozent bereit zu kündigen, wenn der Job nicht ihren Erwartungen entspricht.
- Babyboomer (1959–1970): Hier zeigt sich ein anderes Bild: Für 87 Prozent ist das Gehalt entscheidend, knapp dahinter folgt die Work-Life-Balance mit 88 Prozent. Offenbar gewinnt das Einkommen für viele Menschen mit zunehmendem Alter wieder an Bedeutung.
Österreich liegt im Trend – aber mit einem kleinen Unterschied
Die Ergebnisse aus Österreich entsprechen größtenteils dem globalen Durchschnitt. Ein Unterschied zeigt sich allerdings bei der Nachfrage nach flexiblen Arbeitsbedingungen – hierzulande ist sie etwas geringer als in anderen Ländern.
Eine weitere Studie, die von der BAWAG und SkillsAustria durchgeführt wurde, bestätigt diese Trends. 74 Prozent der Generation Z in Österreich halten gute Arbeitsbedingungen für „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Genauso viele legen Wert auf finanziellen Erfolg. Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Beitrag sind hingegen weniger priorisiert.
Selbstständigkeit? Vielleicht, aber nicht für immer
Ein weiteres interessantes Ergebnis: Viele junge Menschen können sich vorstellen, selbstständig zu arbeiten – allerdings nimmt dieser Wunsch mit zunehmendem Alter ab.
- 64 Prozent der 16- bis 18-Jährigen würden sich eine Selbstständigkeit zutrauen.
- Bei den 22- bis 25-Jährigen sinkt der Anteil bereits auf 55 Prozent.
Ein möglicher Grund: Die wachsende Unsicherheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Demografischer Wandel verändert den Arbeitsmarkt
Neben den individuellen Prioritäten der Arbeitnehmer gibt es noch eine größere Herausforderung: den demografischen Wandel. Der Präsident von SkillsAustria, Josef Herk, beschreibt es drastisch: „Der wertvollste Bodenschatz der Republik wird weniger.“
In den letzten 40 Jahren hat sich die Anzahl junger Menschen fast halbiert. Um den Arbeitsmarkt stabil zu halten, müsse man deshalb verstärkt auf qualifizierte Zuwanderung und die Aktivierung vorhandener Potenziale setzen. Dazu zählt beispielsweise, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern oder Anreize für Vollzeitarbeit zu schaffen.
Technologie beeinflusst Berufswahl
Interessant ist auch, dass ein Drittel der Befragten seine Berufswahl bereits aufgrund möglicher KI-Übernahme überdacht hat. Die Angst, dass der eigene Job bald von einer Maschine erledigt wird, beeinflusst also zunehmend die Karriereentscheidungen.
Fazit: Arbeiten muss sich lohnen – aber nicht nur finanziell
Die Ergebnisse zeigen klar: Ein hoher Lohn reicht heute nicht mehr aus, um Arbeitnehmer langfristig zu binden. Wer Talente gewinnen und halten will, muss mehr bieten – Flexibilität, Sicherheit und eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben stehen an erster Stelle.
Die Unternehmen sind also gefragt, sich anzupassen. Denn eines ist sicher: Die Arbeitswelt von morgen wird nicht nur durch technologische Entwicklungen geprägt, sondern vor allem durch die veränderten Erwartungen der Arbeitnehmer