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Weltweite Experten: Neue Definition von Adipositas dringend nötig

Terranaut (CC0), Pixabay

Adipositas (Fettleibigkeit) wird laut einem neuen Bericht globaler Experten oft zu undifferenziert diagnostiziert. Es bestehe die Gefahr, dass zu viele Menschen fälschlicherweise als adipös eingestuft werden, während eine präzisere und differenziertere Definition notwendig sei, heißt es im Bericht, der in der Fachzeitschrift The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht wurde.

„Adipositas ist ein Spektrum“

Der Bericht fordert, dass Ärzte bei der Diagnose von Adipositas nicht allein auf den Body-Mass-Index (BMI) schauen, sondern die Gesundheit der Patienten insgesamt berücksichtigen.

„Adipositas ist ein Spektrum“, erklärt Prof. Francesco Rubino vom King’s College London, der die Expertengruppe leitete.
„Einige Menschen können trotz Übergewicht ein normales Leben führen. Andere leiden unter erheblichen Gesundheitsproblemen wie Atemnot, Bewegungseinschränkungen oder chronischen Krankheiten.“

Deshalb schlagen die Experten eine neue Klassifizierung vor:

  • Klinische Adipositas: Patienten, die bereits unter Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkschmerzen leiden.
  • Präklinische Adipositas: Patienten mit Übergewicht, aber ohne gesundheitliche Probleme, die jedoch ein erhöhtes Risiko für Krankheiten in der Zukunft haben.

BMI als Diagnosemaßstab unzureichend

Derzeit wird Adipositas in vielen Ländern über den BMI definiert: Ein Wert von über 30 gilt als fettleibig. Doch der BMI misst lediglich das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße und sagt wenig über die tatsächliche Gesundheit eines Menschen aus.

„Der BMI unterscheidet nicht zwischen Muskelmasse und Körperfett und berücksichtigt auch nicht das gefährliche Fett um die Taille oder die inneren Organe“, so der Bericht.

Stattdessen schlagen die Experten vor, detaillierte medizinische Analysen durchzuführen, um zu erkennen, ob Organe durch Adipositas geschädigt sind – beispielsweise durch Herzprobleme, Atemnot oder Gelenkschmerzen. Diese Schäden weisen darauf hin, dass Adipositas eine klinische Krankheit ist und medikamentöse Behandlung benötigt.

Neue Ansätze für präklinische Adipositas

Patienten mit präklinischer Adipositas sollten jedoch nicht sofort Medikamente oder Operationen erhalten, sondern zunächst auf Gewichtsreduktionsprogramme, Beratung und regelmäßige Überwachung setzen, um das Risiko von Folgeerkrankungen zu minimieren.

„Adipositas ist ein Gesundheitsrisiko, aber nicht für jeden eine Krankheit“, betont Prof. Rubino. „Eine klare Unterscheidung ist wichtig, um die richtigen Patienten zu behandeln und überflüssige Behandlungen zu vermeiden.“

Relevanz der neuen Definition angesichts moderner Medikamente

Angesichts der wachsenden Verfügbarkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Wegovy oder Mounjaro, die das Körpergewicht um bis zu 20 % reduzieren können, sei eine präzisere Diagnose besonders wichtig.

Laut Prof. Louise Baur von der Universität Sydney, die an dem Bericht mitgearbeitet hat, könnte die neue Definition dazu beitragen, dass Patienten – sowohl Erwachsene als auch Kinder – angemessenere Behandlungen erhalten. Gleichzeitig könnten Fehlbehandlungen reduziert werden.

Finanzielle Herausforderungen

Trotz der Vorteile gibt es Bedenken, dass die begrenzten Gesundheitsbudgets in vielen Ländern die Umsetzung dieser neuen Ansätze erschweren könnten. Prof. Sir Jim Mann vom Edgar Diabetes and Obesity Research Centre in Neuseeland befürchtet, dass die verfügbaren Mittel vor allem denjenigen zugutekommen, die als klinisch adipös eingestuft werden. Menschen mit präklinischer Adipositas könnten hingegen weniger Unterstützung erhalten.

Fazit: Ein wichtiger Schritt nach vorne

Das Royal College of Physicians lobte den Bericht als „wichtige Grundlage“, um Adipositas mit der gleichen medizinischen Sorgfalt und Empathie zu behandeln wie andere chronische Krankheiten. Die Unterscheidung zwischen präklinischer und klinischer Adipositas sei ein „entscheidender Schritt“, um frühzeitig zu intervenieren und gleichzeitig diejenigen zu unterstützen, deren Gesundheit bereits stark beeinträchtigt ist.

Doch die Umsetzung dieser neuen Definition hängt davon ab, ob die Gesundheitsbehörden bereit sind, genügend Ressourcen bereitzustellen – und ob sie die Chance ergreifen, Adipositas präziser und effektiver zu behandeln.

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