Frage: Herr Reime, wie bewerten Sie die Einladung zur 100. ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre und die dazugehörige Tagesordnung aus rechtlicher Sicht?
Rechtsanwalt Reime: Die Einladung zur Generalversammlung in Rheinfelden ist ein standardisiertes Verfahren, wie es von börsennotierten oder größeren Aktiengesellschaften erwartet wird. Der Verwaltungsrat hat die Pflicht, den Aktionären Einblick in die finanzielle Situation und wichtige Entscheidungen der Gesellschaft zu geben. Rechtlich gesehen folgt die Einladung den Bestimmungen des Schweizer Obligationenrechts (OR), das unter anderem Fristen, Transparenz und Mitwirkungsrechte der Aktionäre regelt.
Frage: In der Tagesordnung ist die Genehmigung von Jahresbericht und Jahresrechnung ein zentraler Punkt. Was bedeutet das für die Aktionäre?
Rechtsanwalt Reime: Die Genehmigung des Jahresberichts und der Jahresrechnung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Aktionäre. Damit wird der wirtschaftliche Erfolg der Gesellschaft für das abgelaufene Geschäftsjahr formal anerkannt. Der Revisionsbericht spielt hier eine entscheidende Rolle, da er die finanzielle Lage der Gesellschaft unabhängig prüft. Sollte es Unstimmigkeiten oder Vorbehalte im Revisionsbericht geben, wäre dies ein Warnsignal, das die Aktionäre hinterfragen sollten.
Frage: Der Verwaltungsrat schlägt eine Dividende von 6 % und eine Zuweisung an die gesetzliche Reserve vor. Wie ist das zu bewerten?
Rechtsanwalt Reime: Die vorgeschlagene Dividende zeigt, dass das Unternehmen finanziell solide dasteht, da es in der Lage ist, Gewinne an die Aktionäre auszuschütten und gleichzeitig gesetzliche Rücklagen zu bilden. Die Zuweisung von CHF 94.750 an die gesetzliche Reserve ist im Schweizer Recht vorgeschrieben, um das Unternehmen gegen zukünftige Verluste abzusichern. Aktionäre sollten jedoch prüfen, ob diese Verteilung in ihrem Interesse liegt oder ob beispielsweise eine höhere Ausschüttung möglich wäre.
Frage: Welche rechtlichen Implikationen hat die Entlastung des Verwaltungsrates?
Rechtsanwalt Reime: Die Entlastung des Verwaltungsrates ist ein formaler Akt, mit dem die Aktionäre dem Verwaltungsrat für seine Tätigkeit im vergangenen Geschäftsjahr ihr Vertrauen aussprechen. Mit der Entlastung werden Verwaltungsratsmitglieder weitgehend von der Haftung für vergangene Entscheidungen befreit. Sollte jedoch bekannt werden, dass diese auf Täuschung oder Pflichtverletzungen beruhen, könnte diese Entlastung hinfällig werden.
Frage: Es steht auch eine Ersatzwahl in den Verwaltungsrat an. Was sollten Aktionäre hier beachten?
Rechtsanwalt Reime: Die Wahl von Herrn Dipl.-Ing. Jörg Falkenberg ist eine strategische Entscheidung des Unternehmens. Aktionäre sollten sicherstellen, dass die vorgeschlagene Person nicht nur die erforderliche fachliche Expertise, sondern auch keine Interessenkonflikte mitbringt. Da Herr Falkenberg eine führende Position bei der Evonik Operations GmbH innehat, sollte geprüft werden, ob seine Rolle potenzielle Überschneidungen mit den Interessen der Gesellschaft birgt.
Frage: Wie wichtig ist die Wahl der Revisionsstelle?
Rechtsanwalt Reime: Die Revisionsstelle, hier die KPMG AG, spielt eine Schlüsselrolle in der unabhängigen Prüfung der finanziellen Berichterstattung. Die Wiederwahl für ein weiteres Jahr deutet auf Zufriedenheit mit ihrer bisherigen Arbeit hin. Dennoch sollten Aktionäre kritisch hinterfragen, ob die KPMG weiterhin uneingeschränkt unabhängig agiert und keine Interessenkonflikte bestehen.
Frage: Welche Ratschläge geben Sie Aktionären, die an der Generalversammlung teilnehmen?
Rechtsanwalt Reime: Aktionäre sollten die Unterlagen im Vorfeld genau prüfen, insbesondere den Jahresbericht, die Jahresrechnung und den Revisionsbericht. Es ist wichtig, bei Unklarheiten Fragen zu stellen und mögliche Bedenken direkt in der Generalversammlung zu äußern. Zudem sollten sie sich über die rechtlichen und wirtschaftlichen Implikationen der Beschlüsse im Klaren sein, bevor sie ihre Stimme abgeben. Gerade bei der Entlastung des Verwaltungsrates und der Dividendenfrage lohnt sich eine genaue Analyse.