Dark Mode Light Mode

Interview mit dem Finanzexperten Thomas Bremer: „Hohe Zinsen klingen gut – aber die Risiken dürfen nicht ignoriert werden“

stevepb (CC0), Pixabay

Redaktion: Herr Bremer, Coincierge.de wirbt mit „sicheren Geldanlagen mit hohen Zinsen“. Wie realistisch ist das in der aktuellen Niedrigzinsphase, und sollten Anleger hier genauer hinschauen?

Thomas Bremer: Angebote wie diese sind in der Tat verlockend, gerade in einer Zeit, in der klassische Sparanlagen kaum noch Renditen abwerfen. Aber Anleger sollten hier besonders aufmerksam sein. Begriffe wie „sichere Geldanlage“ und „hohe Zinsen“ sind in Kombination oft ein Widerspruch. Hohe Zinsen bedeuten in der Regel ein erhöhtes Risiko – und das sollte niemand ignorieren. Wer heute mehr als 5 oder 6 % Rendite verspricht, muss erklären, wie diese Rendite erzielt wird und welche Risiken damit verbunden sind.

Sichere Festgeldangebote vs. hohe Zinsen: Wo liegen die Unterschiede?

Redaktion: Im Artikel wird ein Vergleich gezogen zwischen sicheren Festgeldangeboten und alternativen Anlagen mit Renditen von mehr als 6 %. Wo sehen Sie die Risiken?

Thomas Bremer: Festgeldangebote mit Zinsen von bis zu 1,8 % sind realistisch und basieren auf etablierten Banken mit gesetzlicher Einlagensicherung. Solche Angebote sind im Vergleich tatsächlich sicher, aber die Renditen sind natürlich begrenzt.

Anlagen, die Renditen von 6 % oder mehr versprechen, sind in der Regel Unternehmensanleihen, alternative Investments oder risikoreiche Fonds. Hier hängt der Erfolg direkt von der Stabilität und Bonität des Unternehmens ab, das die Anleihen ausgibt. Sollte das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, droht ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Ein solches Risiko besteht bei Festgeldanlagen etablierter Banken nicht.

Ein weiterer Punkt ist die Einlagensicherung: Während Festgeldanlagen bis zu 100.000 Euro durch nationale Sicherungssysteme geschützt sind, gibt es bei Unternehmensanleihen oder Fonds keine solche Garantie. Anleger tragen hier das volle Risiko.

Risikofaktoren bei ausländischen Banken

Redaktion: Der Artikel weist darauf hin, dass höhere Zinsen oft von Banken aus Ländern wie Rumänien oder Bulgarien angeboten werden, aber Verbraucherschützer raten davon ab. Warum?

Thomas Bremer: Es stimmt, dass Banken aus Ländern wie Rumänien oder Bulgarien oft höhere Zinsen bieten. Doch hier ist Vorsicht geboten. Zwar gibt es auch dort Einlagensicherungssysteme, die der EU-Richtlinie entsprechen, doch in der Praxis gibt es Unterschiede in der Stabilität dieser Systeme.

Das bedeutet, dass Anleger im Falle einer Bankenpleite theoretisch entschädigt werden, aber in der Praxis können solche Verfahren sehr lange dauern. Außerdem ist unklar, ob die nationalen Sicherungssysteme in der Lage wären, bei einer größeren Krise viele Entschädigungsansprüche zu bedienen.

Deshalb empfehlen Verbraucherschützer, lieber auf Banken aus stabileren Ländern wie Deutschland, Österreich oder Schweden zu setzen, auch wenn die Zinsen etwas niedriger sind.

Die Mischung aus Festgeld und Aktien: Ein guter Ansatz?

Redaktion: Der Artikel schlägt vor, Festgeld mit Aktien zu kombinieren, um Renditen und Sicherheit zu verbinden. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?

Thomas Bremer: Die Kombination aus Festgeld und Aktien ist tatsächlich eine bewährte Strategie, um ein ausgewogenes Risiko-Rendite-Verhältnis zu schaffen. Festgeld sorgt für Stabilität und planbare Erträge, während Aktien langfristig höhere Renditechancen bieten.

Der Schlüssel ist die richtige Gewichtung:

  • Ein konservativer Anleger könnte 80 % in Festgeld und nur 20 % in Aktien investieren.
  • Ein risikobereiter Anleger könnte den Aktienanteil auf 60 % oder mehr erhöhen.

Wichtig ist auch, in breit gestreute Anlagen wie ETFs (börsengehandelte Indexfonds) zu investieren. Diese Fonds bilden einen Index wie den MSCI World nach und bieten eine globale Streuung. Das reduziert das Risiko, da Verluste in einem Bereich durch Gewinne in einem anderen Bereich ausgeglichen werden können.

Warum ist langfristiges Investieren so wichtig?

Redaktion: Der Artikel betont, dass Anleger langfristig investieren sollten, um Schwankungen auszugleichen. Können Sie das genauer erklären?

Thomas Bremer: Langfristiges Investieren ist besonders bei Aktien essenziell. Börsenkurse schwanken naturgemäß, und kurzfristige Einbrüche können verunsichern. Wer jedoch einen langen Anlagehorizont hat, kann diese Schwankungen aussitzen und von der langfristigen Wertsteigerung profitieren.

Ein gutes Beispiel ist der MSCI World Index: Zwischen 1975 und 2018 lag die durchschnittliche Rendite bei rund 8,7 % pro Jahr. Selbst größere Krisen, wie die Dotcom-Blase oder die Finanzkrise, wurden langfristig ausgeglichen. Anleger, die in Krisenzeiten panisch verkaufen, realisieren dagegen Verluste. Deshalb ist ein „langer Atem“ entscheidend, um das volle Potenzial von Aktieninvestments auszuschöpfen.

Diversifikation: Warum ist eine breite Streuung so wichtig?

Redaktion: Der Artikel empfiehlt eine breite Streuung des Kapitals. Was macht Diversifikation so entscheidend?

Thomas Bremer: Diversifikation ist der Schlüssel, um Risiken zu minimieren. Wenn ein Anleger sein Kapital auf verschiedene Anlageklassen verteilt – etwa Festgeld, Aktien, Anleihen oder Immobilien – ist er besser vor Verlusten geschützt.

Der Grund ist einfach: Nicht alle Anlageklassen reagieren gleich auf wirtschaftliche Ereignisse. Während Aktien in einer Krise fallen können, bleiben Festgeld oder Anleihen stabil. Mit einer breiten Streuung kann man Verluste in einer Anlageklasse durch Gewinne in einer anderen ausgleichen.

Ein gut diversifiziertes Portfolio könnte zum Beispiel so aussehen:

  • 20 % Festgeld für Stabilität,
  • 50 % in globale ETFs für Wachstum,
  • 10 % in Immobilienfonds und
  • 20 % in Gold oder andere Sachwerte als Inflationsschutz.

Die genaue Verteilung hängt von der Risikobereitschaft und den finanziellen Zielen des Anlegers ab.

Hohe Zinsen vs. Sicherheit: Worauf sollten Anleger achten?

Redaktion: Was raten Sie Anlegern, die sich von hohen Zinsen angezogen fühlen, aber unsicher sind?

Thomas Bremer: Mein Rat ist, bei Angeboten mit hohen Zinsen immer skeptisch zu sein und sich folgende Fragen zu stellen:

  1. Wer ist der Anbieter? Ist es ein etabliertes Unternehmen mit solider Bonität?
  2. Wie wird die Rendite erzielt? Ist das Geschäftsmodell nachvollziehbar, oder klingt es zu schön, um wahr zu sein?
  3. Was sind die Risiken? Gibt es eine Einlagensicherung oder hängt alles vom Erfolg des Unternehmens ab?
  4. Kann ich einen Totalverlust verkraften? Wer solche Angebote nutzt, sollte nur Kapital investieren, dessen Verlust er im schlimmsten Fall verkraften kann.

Anleger sollten außerdem immer den Prospekt des Investments prüfen oder sich von einem unabhängigen Finanzberater beraten lassen.

Fazit: Vorsicht bei verlockenden Angeboten

Redaktion: Herr Bremer, zum Abschluss: Was ist Ihr wichtigster Rat an Anleger?

Thomas Bremer: Hohe Zinsen sind immer mit höheren Risiken verbunden. Wer eine „sichere“ Geldanlage sucht, sollte sich mit niedrigeren, aber stabilen Renditen zufriedengeben. Angebote, die Sicherheit und hohe Rendite kombinieren, sollten immer kritisch hinterfragt werden. Anleger müssen verstehen, dass es keine garantierten hohen Zinsen gibt – außer auf dem Papier.

Letztlich ist es entscheidend, die Risiken zu kennen, breit zu streuen und nur das zu investieren, was man im schlimmsten Fall verlieren kann.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bremer!

Add a comment Add a comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Previous Post

Interview mit Maurice Högel: „Attraktive Rendite, aber nicht ohne Risiko“

Next Post

Interview mit Immobilienexperte Thomas Bremer: „Immobilien bleiben interessant, aber steigende Zinsen sind ein Spielveränderer“