Interviewer: Herr Reime, die Situation rund um BayWa r.e. und deren Umstrukturierung sorgt bei vielen Kleinanlegern für Verunsicherung. Könnten Sie uns einen Überblick darüber geben, wie sich dies aus rechtlicher Sicht darstellt?
Reime: Natürlich. Die Umstrukturierung von BayWa r.e. ist ein komplexer Vorgang und birgt insbesondere für Kleinanleger hohe Risiken. Viele dieser Anleger sind über sogenannte nachrangige Darlehen an den Projekten beteiligt. Das Problem ist, dass diese Darlehen unter anderem aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts rechtlich betrachtet sehr schwach abgesichert sind. Sollte sich das Unternehmen in einer finanziellen Krise befinden, können diese Zahlungen zurückgehalten werden – und zwar ohne, dass die Anleger viel dagegen tun können.
Interviewer: Diese nachrangigen Darlehen werden von BayWa r.e. häufig als „Bürgerbeteiligung“ beworben. Ist diese Bezeichnung aus juristischer Sicht korrekt?
Reime: Das ist ein zentraler Punkt in der Kritik. Die Bezeichnung „Bürgerbeteiligung“ vermittelt den Eindruck, dass die Anleger eine Art Mitsprache- oder Mitgestaltungsrecht haben könnten. Tatsächlich aber handelt es sich nicht um echte Beteiligungen – etwa in Form von Aktien oder Anteilen – sondern um Darlehen. Und diese Darlehen sind nachrangig und unbesichert, was bedeutet, dass die Risiken vollständig bei den Anlegern liegen. Diese Bezeichnung kann, meiner Ansicht nach, als irreführend betrachtet werden, da sie bei Anlegern falsche Erwartungen wecken kann.
Interviewer: Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Anleger, wenn sie sich getäuscht fühlen oder Verluste erleiden?
Reime: Hier wird es schwierig. Solche Verträge sind oft so ausgestaltet, dass die Anleger nur wenig rechtliche Angriffsfläche haben. Es müsste nachgewiesen werden, dass die Anleger durch falsche oder unvollständige Informationen in die Irre geführt wurden. Das ist jedoch kein leichter Weg, da die Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet sind, in ihren Informationsmaterialien auf die Risiken hinzuweisen – was meist über das Kleingedruckte erfolgt. Solange keine bewusste Täuschung oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, stehen die Erfolgsaussichten für Klagen in der Regel schlecht.
Interviewer: BayWa r.e. warnt in seinen Informationsmaterialien ausdrücklich vor möglichen „erheblichen Risiken“ und einem „vollständigen Verlust“. Genügt dies nicht, um die Aufklärungspflicht zu erfüllen?
Reime: Auf den ersten Blick mag das ausreichend erscheinen. Das Problem liegt aber oft in der Art und Weise, wie diese Hinweise kommuniziert werden. Wenn solche Warnungen nur versteckt im Kleingedruckten auftauchen oder durch attraktive Versprechungen – wie Renditen von bis zu 5,5 Prozent – überlagert werden, ist die Frage, ob dies die Anleger ausreichend aufklärt. Transparenz und Deutlichkeit sollten hier oberste Priorität haben, denn Kleinanleger verfügen oft nicht über das Fachwissen, um die Risiken solcher Anlagen umfassend zu bewerten.
Interviewer: Wie sehen Sie die Verantwortung von BayWa r.e., insbesondere in Bezug auf die Kommunikation gegenüber Kleinanlegern?
Reime: Die Verantwortung des Unternehmens ist enorm. Es handelt sich hier um Menschen, die ihr Erspartes oder Vermögen investieren, oft in der Hoffnung auf eine sichere und ethisch vertretbare Anlage. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien erwarten Anleger zusätzlich, dass ihr Investment einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. BayWa r.e. muss nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch sicherstellen, dass Anleger genau wissen, worauf sie sich einlassen, und dass keine unrealistischen Erwartungen geschürt werden. Die Verantwortung endet nicht mit einem Formalhinweis, sondern umfasst eine klare, verständliche und vor allem ehrliche Aufklärung.
Interviewer: Es gibt ja auch Diskussionen um einen möglichen Kontrollwechsel bei BayWa r.e., da die schweizerische Investmentgesellschaft EIP ihre Anteile ausweiten könnte. Was könnte ein solcher Eigentümerwechsel für Kleinanleger bedeuten?
Reime: Ein möglicher Kontrollwechsel ist in der Tat ein entscheidender Faktor. Sollte EIP die Kontrolle übernehmen, könnten neue Eigentümerstrategien und Geschäftspraktiken eingeführt werden, die nicht zwangsläufig im Sinne der Kleinanleger liegen. Besonders kritisch ist, dass die Rückzahlung der Nachrangdarlehen in solchen Fällen verzögert oder gar verweigert werden könnte. Solche Unsicherheiten stellen ein zusätzliches Risiko dar und machen einmal mehr deutlich, wie schwach die rechtliche Position der Investoren ist.
Interviewer: Haben Sie Empfehlungen oder Warnungen für Kleinanleger, die sich bereits beteiligt haben oder dies noch in Erwägung ziehen?
Reime: Anleger, die bereits investiert haben, sollten ihre Verträge genau prüfen und sich gegebenenfalls juristisch beraten lassen, um eventuelle Ansprüche oder Risiken besser einschätzen zu können. Für potenzielle Anleger lautet meine Empfehlung, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Sie sollten sich nicht allein auf die Versprechungen des Unternehmens verlassen, sondern eigenständig Informationen zu den rechtlichen Bedingungen und Risiken einholen. Und denken Sie immer daran, dass hohe Renditeversprechen auch hohe Risiken bedeuten – besonders im grauen Kapitalmarkt.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre Einschätzungen und die hilfreichen Ratschläge!
Reime: Sehr gerne. Ich hoffe, dass dieses Thema die nötige Aufmerksamkeit erhält und damit möglicherweise weiteren Anlegern Verluste erspart bleiben.