Redaktion: Herr Högel, die BaFin kann sogenannte Sonderbeauftragte in Unternehmen einsetzen. Was genau ist ein Sonderbeauftragter, und wann kommt er zum Einsatz?
Maurice Högel: Ein Sonderbeauftragter ist im Grunde genommen ein Werkzeug der Finanzaufsicht, das in verschiedenen Szenarien eingesetzt werden kann. Es gibt zwei wesentliche Arten: Zum einen kann ein Sonderbeauftragter als „beobachtender Sonderbeauftragter“ bestellt werden. In dieser Rolle überwacht er beispielsweise, wie ein Unternehmen aufgetretene Mängel behebt, etwa in Bereichen wie der Geldwäscheprävention oder dem Risikomanagement. Zum anderen, und das ist die einschneidendere Maßnahme, kann ein Sonderbeauftragter die Rolle eines Organs oder Organmitglieds übernehmen – beispielsweise die eines Vorstands oder eines Aufsichtsratsmitglieds. Das passiert, wenn die BaFin zu dem Schluss kommt, dass die bestehenden Organmitglieder fachlich ungeeignet oder unzuverlässig sind.
Redaktion: Das klingt nach einem erheblichen Eingriff in die Unternehmensorganisation. Welche Rechte hat ein solcher Sonderbeauftragter?
Maurice Högel: Absolut, der Einsatz eines Sonderbeauftragten ist kein kleiner Schritt. Ein Sonderbeauftragter verfügt über weitreichende Rechte im Unternehmen. Er kann von den Mitgliedern der Organe und den Beschäftigten Auskünfte einfordern und Einsicht in Unterlagen verlangen. Darüber hinaus hat er das Recht, an allen Sitzungen der Organe und Gremien teilzunehmen – in beratender Funktion. Besonders wichtig: Organe und Organmitglieder sind verpflichtet, den Sonderbeauftragten bei seiner Arbeit zu unterstützen. Das Ziel ist, die Mängel im Unternehmen so schnell und effizient wie möglich zu beheben.
Redaktion: Welche Voraussetzungen muss eine Person erfüllen, um als Sonderbeauftragter tätig zu werden?
Maurice Högel: Sonderbeauftragte müssen unabhängig, zuverlässig und fachlich geeignet sein. Wenn sie die Aufgaben eines Geschäftsleiters oder eines Organs übernehmen, gelten für sie dieselben hohen Anforderungen wie für jedes andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied des betroffenen Unternehmens. Es ist zudem entscheidend, dass sie Erfahrung im Umgang mit schwierigen wirtschaftlichen Situationen und Konflikten haben. Häufig werden daher erfahrene Führungskräfte mit einer langen Karriere in hochrangigen Positionen als Sonderbeauftragte eingesetzt. In weniger kritischen Fällen kann die BaFin auch eine juristische Person, wie beispielsweise eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Sonderbeauftragten bestellen.
Redaktion: Welche Rolle spielt die BaFin bei der Arbeit des Sonderbeauftragten?
Maurice Högel: Das ist ein interessanter Punkt. Die BaFin bestellt den Sonderbeauftragten, gibt ihm aber keine direkten Weisungen. Der Sonderbeauftragte handelt also unabhängig, orientiert sich dabei jedoch am Interesse des Unternehmens und dessen nachhaltiger Geschäftspolitik. Allerdings ist der Sonderbeauftragte verpflichtet, der BaFin regelmäßig über seine Erkenntnisse und Fortschritte zu berichten. Das Unternehmen selbst trägt übrigens die Kosten für den Einsatz eines Sonderbeauftragten.
Redaktion: Sie haben gesagt, dass der Einsatz eines Sonderbeauftragten am Ende einer Kette von Maßnahmen steht. Wie geht die BaFin dabei vor?
Maurice Högel: Der Einsatz eines Sonderbeauftragten ist tatsächlich kein erster Schritt. Die BaFin greift meist erst zu dieser Maßnahme, wenn andere Aufsichtsmaßnahmen – wie Auflagen oder Anordnungen – nicht ausgereicht haben, um die Mängel im Unternehmen zu beheben. Der Gesetzgeber schreibt der BaFin vor, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Das bedeutet, die BaFin muss sorgfältig abwägen, ob die Vorteile des Einsatzes eines Sonderbeauftragten die Eingriffe in die Rechte des Unternehmens rechtfertigen. Nur wenn diese Abwägung positiv ausfällt, kann ein Sonderbeauftragter eingesetzt werden.
Redaktion: Kritiker könnten sagen, dass der Einsatz eines Sonderbeauftragten ein schwerer Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist. Wie bewerten Sie das?
Maurice Högel: Das stimmt, der Einsatz eines Sonderbeauftragten greift massiv in die Unternehmensorganisation ein. Deswegen sind auch die rechtlichen Hürden hoch, und die BaFin darf diese Maßnahme nur einsetzen, wenn sie wirklich geboten ist. Gleichzeitig ist der Sonderbeauftragte ein sehr flexibles und wirksames Instrument. In Fällen, in denen das Unternehmen selbst nicht mehr in der Lage ist, Mängel zu beheben, kann der Sonderbeauftragte helfen, das Unternehmen wieder auf den richtigen Kurs zu bringen – im Interesse der Stabilität des Unternehmens, der Kunden und der gesamten Marktintegrität.
Redaktion: Können Sie ein Beispiel für typische Einsatzbereiche nennen?
Maurice Högel: Häufig sehen wir Sonderbeauftragte in Bereichen wie der Geldwäscheprävention oder dem Risikomanagement, wo es besonders strenge gesetzliche Vorgaben gibt. Wenn hier wiederholt oder gravierende Mängel festgestellt werden, bestellt die BaFin oft einen Sonderbeauftragten, um sicherzustellen, dass die Missstände konsequent abgestellt werden. Auch in Fällen von unzuverlässigen Vorständen oder bei schweren Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften kann die Bestellung eines Sonderbeauftragten erforderlich sein.
Redaktion: Was ist Ihr Fazit zum Einsatz von Sonderbeauftragten durch die BaFin?
Maurice Högel: Der Sonderbeauftragte ist ein scharfes Schwert, das die BaFin mit Bedacht einsetzen muss. Wenn die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden und der Einsatz verhältnismäßig ist, kann der Sonderbeauftragte ein wirksames Mittel sein, um gravierende Mängel in Unternehmen zu beheben. Gleichzeitig bleibt es wichtig, die unternehmerische Freiheit zu wahren und sicherzustellen, dass diese Maßnahme nur dann ergriffen wird, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Redaktion: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Högel!
Maurice Högel: Ich danke Ihnen.