Ältere alkoholkranke Menschen sind nach Einschätzung von Suchtexperten in Deutschland häufig unzureichend versorgt. Falk Zimmermann, Leiter der Suchtkrankenhilfe bei der Diakonie Sachsen, erklärte im Gespräch mit dem MDR, dass alkoholkranke Senioren einen speziellen Pflegebedarf hätten, den herkömmliche Pflegeeinrichtungen nur selten abdecken könnten.
„Die besondere Herausforderung liegt darin, dass alkoholkranke Menschen oft an zusätzlichen physischen und psychischen Erkrankungen leiden, die eine umfassende und gezielte Betreuung erfordern“, betonte Zimmermann. Dazu zählen neben Leberschäden und neurologischen Erkrankungen auch Depressionen und Angststörungen.
Hohe Betroffenenzahl in der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre
Laut einer Studie gibt es in Deutschland etwa 300.000 alkoholkranke Menschen im Alter von 65 bis 74 Jahren. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, da viele Betroffene ihre Suchterkrankung aus Scham oder Angst vor Stigmatisierung verbergen. Mit zunehmendem Alter verschärfen sich die Folgen des Alkoholkonsums, was die Versorgung und Betreuung zusätzlich erschwert.
Normale Pflegeheime oft überfordert
Pflegeheime sind auf die Bedürfnisse dieser speziellen Patientengruppe nur selten vorbereitet. Es fehlt an geschultem Personal, das mit den Herausforderungen eines suchtkranken Bewohners umgehen kann. Gleichzeitig sind die Ressourcen begrenzt, um individuelle Therapien oder Programme zur Reduktion des Alkoholkonsums anzubieten. „Alkoholkranke Menschen werden oft isoliert, da ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse die Routinen der Pflegeheime stören können“, so Zimmermann.
Forderungen nach spezialisierten Einrichtungen
Suchtexperten und Sozialverbände fordern daher dringend den Ausbau spezialisierter Pflegeeinrichtungen, die auf die Betreuung alkoholkranker Senioren ausgerichtet sind. Dazu gehören nicht nur medizinische Behandlungsansätze, sondern auch psychosoziale Betreuung und Suchttherapien. „Wir brauchen eine Pflege, die die Suchtproblematik nicht ignoriert, sondern aktiv adressiert“, forderte Zimmermann.
Gesellschaftliche und familiäre Unterstützung wichtig
Neben der professionellen Betreuung spielt auch die familiäre und gesellschaftliche Unterstützung eine entscheidende Rolle. Angehörige sollten ermutigt werden, Hilfe zu suchen und Betroffene nicht allein zu lassen. Gleichzeitig sei Aufklärung über die Problematik und die Verfügbarkeit von Hilfsangeboten essenziell, um den Betroffenen eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen.
Angesichts des demografischen Wandels und der wachsenden Zahl älterer Menschen mit Suchterkrankungen fordern Experten ein Umdenken in der Pflegepolitik. „Die Bedürfnisse dieser oft vergessenen Patientengruppe müssen endlich ernst genommen werden“, fasste Zimmermann zusammen.