Der Grönländische Eisschild, der zweitgrößte Eispanzer der Erde, verliert jedes Jahr dramatisch an Masse. Zwischen September 2010 und August 2022 schrumpfte der Eisschild laut einer Studie unter der Leitung von Nitin Ravinder von der Universität Leeds jährlich im Durchschnitt um 196 Kubikkilometer. Veröffentlicht wurde die Untersuchung im renommierten Fachjournal Geophysical Research Letters. Dabei variierten die jährlichen Verluste stark: In manchen Jahren waren es lediglich 4 Kubikkilometer, in anderen jedoch bis zu 464 Kubikkilometer. Insgesamt summiert sich der Volumenverlust im Untersuchungszeitraum auf beeindruckende 2.352 Kubikkilometer – eine Menge, die ausreicht, um den globalen Meeresspiegel messbar anzuheben.
Warum das Schmelzen des Grönländischen Eisschilds so bedeutend ist
Das Grönländische Inlandeis ist nicht nur eine imposante geologische Formation, sondern auch ein entscheidender Faktor für das globale Klima. Als zweitgrößter Eisschild der Erde – nach der Antarktis – speichert es etwa 7 % des gesamten Süßwassers der Welt. Schmilzt dieses Eis, fließt das Wasser in die Ozeane und trägt erheblich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Wissenschaftler schätzen, dass allein Grönlands Eisschmelze in den letzten zehn Jahren etwa 0,7 Millimeter pro Jahr zum globalen Meeresspiegelanstieg beigetragen hat.
Die Ursachen des Eisverlustes
Die Forscher machen vor allem den Klimawandel für die dramatische Schmelze verantwortlich. Steigende globale Temperaturen führen zu einer intensiveren Oberflächenschmelze, während wärmere Meeresströmungen das Eis von unten angreifen. In den Sommermonaten beschleunigt dunkler Schmelzwasser-Schlamm – der sogenannten Albedo-Effekt – die Schmelze zusätzlich, da weniger Sonnenlicht reflektiert wird und mehr Wärme absorbiert wird.
Auch kurzfristige Wetterphänomene, wie Hitzewellen oder stärkere Winde, die warme Luft über Grönland transportieren, spielen eine Rolle. So gab es in den letzten Jahren ungewöhnlich heiße Sommer, die das Schmelzen in einzelnen Jahren deutlich verstärkten.
Die globalen Auswirkungen
Die Folgen der Eisschmelze sind weitreichend:
Anstieg des Meeresspiegels: Küstenregionen weltweit sind durch Überschwemmungen und Erosion bedroht. Besonders gefährdet sind dicht besiedelte Gebiete wie Bangladesch, die Niederlande oder Teile Floridas.
Veränderungen der Meeresströmungen: Das Schmelzwasser könnte den Golfstrom und andere wichtige ozeanische Strömungen destabilisieren. Dies hätte gravierende Folgen für das Wetter und die Landwirtschaft in Europa, Nordamerika und darüber hinaus.
Ökosysteme in Gefahr: Der Lebensraum arktischer Tiere, wie Eisbären und Robben, wird durch das schmelzende Eis stark eingeschränkt.
Ein Weckruf für die Menschheit
Die dramatischen Zahlen aus Grönland sind ein klares Warnsignal. Forscher betonen, dass die Entwicklung des Eisschilds eng mit der weiteren Entwicklung der globalen Temperaturen verknüpft ist. „Das Schmelzen des grönländischen Eises ist kein isoliertes Problem, sondern ein Symptom einer sich erwärmenden Erde“, erklärt Studienleiter Nitin Ravinder. Die Daten zeigen, dass der Klimawandel längst spürbare und unumkehrbare Auswirkungen hat, die nicht nur die Polarregionen betreffen, sondern das gesamte globale System.
Was kann getan werden?
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen den Klimawandel:
Reduzierung von Treibhausgasemissionen: Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und der Ausbau erneuerbarer Energien sind essenziell.
Internationale Zusammenarbeit: Klimaverträge wie das Pariser Abkommen müssen konsequenter umgesetzt werden.
Schutz der Arktis: Die Ausbeutung von Ressourcen in arktischen Regionen, wie Öl und Gas, sollte drastisch eingeschränkt werden.
Förderung der Forschung: Mehr Investitionen in die Erforschung der Polarregionen sind notwendig, um besser zu verstehen, wie sich das Schmelzen des Eises langfristig auf das Klima auswirkt.
Grönlands schmelzendes Eis ist ein Mahnmal für die Dringlichkeit globalen Handelns. Die Zahlen sind alarmierend, doch sie können auch ein Anstoß sein, entschiedener gegen den Klimawandel vorzugehen – bevor es zu spät ist.