Interviewer: Frau Bontschev, seit dem 21. Dezember 2024 gilt die europäische Green-Bonds-Verordnung. Wie bewerten Sie diese neue Regelung aus rechtlicher Perspektive?
Rechtsanwältin Bontschev: Die Einführung der Green-Bonds-Verordnung ist ein großer Schritt hin zu mehr Transparenz und Verlässlichkeit auf dem Markt für nachhaltige Finanzprodukte. Durch die neuen Anforderungen an die Emission grüner Anleihen wird sowohl Anlegern als auch Unternehmen eine klare Orientierung geboten. Die Verordnung sorgt dafür, dass ökologische Standards verbindlich eingehalten werden, was den Green-Bond-Markt stabiler und attraktiver machen könnte. Rechtlich gesehen handelt es sich um eine gut strukturierte und umfassende Regelung, die klare Anforderungen an Emittenten stellt. Wichtig ist, dass diese Standards durch externe Prüfer validiert und von den zuständigen Aufsichtsbehörden, wie in Deutschland der BaFin, überwacht werden. Dies stärkt das Vertrauen in grüne Anleihen und schützt Anleger vor Greenwashing, also der missbräuchlichen Vermarktung von nicht-nachhaltigen Produkten als „grün“.
Interviewer: Welche Herausforderungen könnten auf Emittenten und Originatoren zukommen?
Rechtsanwältin Bontschev: Für Emittenten und Originatoren bedeutet die Verordnung zweifellos einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Sie müssen nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Projekte nachweisen, sondern auch umfassende Berichtsformate einreichen, die von externen Prüfern validiert werden. Dies könnte besonders für kleinere Unternehmen oder weniger erfahrene Emittenten eine Herausforderung darstellen. Zudem müssen die Vorgaben der Prospektverordnung eingehalten werden, was zusätzliche rechtliche und regulatorische Prüfungen erfordert. Das könnte dazu führen, dass sich der Prozess der Emission verzögert, insbesondere wenn die Dokumentation nicht vollständig oder fehlerhaft ist.
Interviewer: Wie profitieren Anleger von dieser Verordnung?
Rechtsanwältin Bontschev: Anleger erhalten durch die Verordnung ein deutlich höheres Maß an Sicherheit. Sie können sicher sein, dass ein „European Green Bond“ strenge Nachhaltigkeitskriterien erfüllt, die sowohl ökologisch als auch regulatorisch geprüft wurden. Dies minimiert das Risiko von Greenwashing und erleichtert es den Anlegern, bewusste und informierte Entscheidungen zu treffen. Gerade in einer Zeit, in der das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, schafft die Verordnung Vertrauen und trägt dazu bei, den Markt für grüne Anleihen weiter auszubauen.
Interviewer: Wie bewerten Sie die Rolle der BaFin bei der Umsetzung der Verordnung?
Rechtsanwältin Bontschev: Die BaFin spielt eine zentrale Rolle, da sie die Einhaltung der Verordnung überwacht und die Wertpapierprospekte genehmigt. Sie muss sicherstellen, dass die neuen Transparenz- und Mitteilungspflichten eingehalten werden. Außerdem ist sie ein wichtiger Ansprechpartner für Unternehmen, die sich über die Anforderungen informieren möchten. Ich halte es für entscheidend, dass die BaFin ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellt, um ihre Aufgaben in diesem Bereich effektiv zu erfüllen, denn die Nachfrage nach grünen Anleihen wird sicherlich steigen.
Interviewer: Glauben Sie, dass diese Verordnung langfristig den Markt für grüne Anleihen verändern wird?
Rechtsanwältin Bontschev: Absolut. Die Verordnung legt den Grundstein für einheitliche Standards in der gesamten Europäischen Union und könnte als Vorbild für andere Märkte dienen. Sie bringt Klarheit und Struktur in einen Bereich, der bisher oft unübersichtlich war. Langfristig wird dies dazu beitragen, dass mehr Anleger Vertrauen in grüne Anleihen haben und Unternehmen verstärkt in nachhaltige Projekte investieren. Allerdings bleibt abzuwarten, wie flexibel die Verordnung in der Praxis gehandhabt wird, insbesondere wenn neue Technologien oder Finanzinstrumente hinzukommen.
Interviewer: Vielen Dank, Frau Bontschev, für diese Einblicke!
Rechtsanwältin Bontschev: Sehr gerne, ich danke Ihnen.