In Guatemala haben die Behörden mindestens 160 Minderjährige aus den Fängen der ultraorthodoxen jüdischen Sekte Lev Tahor befreit. Wie Innenminister Francisco Jimenez nach einer groß angelegten Polizeiaktion mitteilte, wurden die Kinder in Sicherheit gebracht und in die Obhut von Sozialdiensten übergeben. Die Sekte steht im Verdacht, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, darunter Zwangsehen, Kindesmisshandlung und sexuelle Gewalt.
Großangelegte Razzia in Oratorio
Die Befreiung erfolgte im Rahmen einer koordinierten Polizeiaktion in der ländlichen Gemeinde Oratorio, wo die Sekte seit Jahren eine abgeschottete Gemeinschaft betrieb. Laut Staatsanwaltschaft wurde das Gelände durchsucht, wobei die Beamten auf beunruhigende Beweise stießen. Unter anderem wurden sterbliche Überreste eines Kindes gefunden, was die Ermittler auf mögliche Verbrechen innerhalb der Sekte aufmerksam machte. Die genauen Umstände des Todes werden nun untersucht.
Vorwürfe gegen Lev Tahor
Lev Tahor, eine radikale, ultraorthodoxe Sekte, die sich selbst als „reinherzig“ bezeichnet, ist international für ihre extremen Praktiken bekannt. Die Gruppe, die bereits aus mehreren Ländern wie Israel und Kanada ausgewiesen wurde, steht seit Jahren unter Beobachtung. Zu den Vorwürfen gehören:
- Zwangsehen: Mädchen, teilweise im Kindesalter, sollen mit älteren Männern verheiratet worden sein.
- Misshandlung: Strenge Disziplinarmaßnahmen und körperliche Gewalt seien gängige Praxis gewesen.
- Sexueller Missbrauch: Es gibt Berichte über systematische Vergewaltigungen und Missbrauch innerhalb der Gemeinschaft.
Die Sekte folgt extremen religiösen Praktiken und hält ihre Mitglieder durch strikte Regeln und Isolation von der Außenwelt gefangen.
Sicherheit der geretteten Kinder
Nach ihrer Befreiung wurden die Kinder zunächst in Schutzeinrichtungen gebracht, wo sie medizinisch und psychologisch betreut werden. Die Behörden prüfen derzeit, ob die Minderjährigen zu ihren Familien zurückkehren können oder in staatlicher Obhut verbleiben müssen. „Die Kinder sind physisch in Sicherheit, aber die psychologischen Narben werden Zeit und intensive Betreuung erfordern“, erklärte ein Sprecher des guatemaltekischen Sozialdienstes.
Internationale Aufmerksamkeit und rechtliche Konsequenzen
Der Fall hat internationale Aufmerksamkeit erregt, da Lev Tahor auch in anderen Ländern aktiv war. Menschenrechtsorganisationen begrüßen die Aktion der guatemaltekischen Behörden und fordern eine lückenlose Aufklärung. Mehrere Sektenführer wurden während der Razzia festgenommen und könnten wegen schwerer Verbrechen angeklagt werden.
„Dieser Einsatz zeigt, dass wir Kinder vor jeder Form von Missbrauch schützen müssen, unabhängig davon, unter welchem Deckmantel er begangen wird“, sagte Innenminister Jimenez. Internationale Zusammenarbeit könnte nun entscheidend sein, um die Aktivitäten der Sekte weltweit zu unterbinden.
Langfristige Maßnahmen gefordert
Die Befreiung der Kinder wirft ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit, isolierte religiöse Gruppen stärker zu überwachen. Experten fordern bessere rechtliche und soziale Mechanismen, um Kinder in solchen Gemeinschaften frühzeitig zu identifizieren und zu schützen. Zudem müsse die psychologische Betreuung der Betroffenen langfristig gesichert werden, um ihnen eine Perspektive außerhalb der Sekte zu bieten.